Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Ranald S. Mackenzie?
Wie war das mit Ranald S. Mackenzie?
: Im Spätherbst 1883 stürzte der Kommandant des militärischen Departments of Texas, Brigadegeneral Ranald S. Mackenzie, in der Nähe von Fort Sill (heute Oklahoma) von einem Fuhrwerk und verletzte sich schwer am Kopf. Er schien sich körperlich wieder zu erholen, aber von diesem Zeitpunkt an, veränderte sich seine Persönlichkeit. Er begann, sich nach Beobachtungen seines Stabs und anderer „seltsam“ zu benehmen.
Bei einer ärztlichen Untersuchung am 18. Dezember, vor genau 135 Jahren, wurde bei ihm eine schwere Hirnschädigung und partielle Geisteskrankheit festgestellt.
Das war das Ende einer bemerkenswerten militärischen Karriere, das Ende eines Mannes, der noch während des Amerikanischen Bürgerkrieges und in der Zeit der Indianerkriege fast zum Idol einer ganzen Offiziersgeneration geworden war. Vor allem nach dem gewaltsamen Ende des flamboyanten George A. Custer am Little Bighorn.
Ranald S. Mackenzie, der nach einer Verwundung und dem Verlust von zwei Fingern den Spitznamen „Bad Hand“ trug, war am 27. Juli 1840 in New York geboren worden. Sein Vater und andere männliche Verwandte hatten alle mit Auszeichnung in der amerikanischen Marine gedient.
Nach einer exzellenten College-Ausbildung wurde er in die Offiziersakademie West Point aufgenommen – im 19. Jahrhundert eine Bildungsstätte für die Elite der USA. Als Mackenzie 1862 als Klassenbester graduierte, war der Grundstein für eine militärische Karriere gelegt. Als 2nd Lieutenant trat er in das Ingenieur-Korps ein (Pioniere) und nahm mit Auszeichnungen an der zweiten Schlacht am Bull Run, aber auch an den Kämpfen von Antietam, Gettysburg und Petersburg teil.
Mackenzie setzte sich häufig in waghalsigster Weise persönlich ein und wurde sechsmal verwundet. Im Juni 1864 wurde er zum Oberstleutnant der regulären US-Armee ernannt, und schon einen Monat später kommandierte er als Colonel die 2. Schwere Artillerie von Connecticut. Kein geringerer als General U. S. Grant nannte ihn „einen der vielversprechendsten jungen Offiziere“ der Armee.
Am 30. November 1864 ernannte Präsident Lincoln ihn rückwirkend zum Brigadegeneral der Freiwlligen. Damit gehörte der 24jährige Mackenzie zu den sogenannten „Boy Generals“ des Bürgerkrieges. Gegen Ende des Krieges kommandierte der junge Offizier die Kavalleriedivision der „Army of the James“. In seinen Memoiren hob General Grant hervor, daß der junge Mackenzie seinen hohen Rang nur aufgrund seiner Leistung, ohne Protektion oder politische Beziehungen erreichte, wie das während des Bürgerkrieges bei vielen Offizierskandidaten der Fall war.
Nach dem Krieg erhielt Mackenzie den Brevet-Rang eines Generalmajors. Zugleich wurde er zum Oberst der 41. US-Infanterie (später 24. US-Infanterie) ernannt, einem rein schwarzen Regiment (Buffalo Soldiers). Unter zahlreichen seiner Offizierskollegen waren Kommandostellen in afro-amerikanischen Regimentern verpönt, Mackenzie hatte damit kein Problem. Er schätzte seine Soldaten.
Nachdem er 1871 zum Oberst der 4. US-Kavallerie in Fort Richardson (Texas) ernannt worden war, nahm er an den Feldzügen gegen die Comanchen teil. Er führte sein Regiment in den gefürchteten Llano Estacado und wurde im Oktober 1871 zum siebten Mal in seinem Leben verwundet, als ihn ein Pfeil ins Bein traf. Sein Einsatz im sogenannten „Red River Krieg“ wurde entscheidend für die Unterwerfung der Comanchen. Sein Sieg über Quanah Parker im Palo Duro Canyon gehört zu den bemerkenswertesten Erfolgen seiner Karriere.
1876 besiegte Mackenzie die Cheyenne im „Dull Knife Fight“. 1881 wurde er zum Kommandeur des Militärdistrikts von New Mexico ernannt. Im Jahr darauf wurde er zum Brigadegeneral der regulären Armee erhoben, und 1883 übernahm er das Kommando über das Militärdepartment von Texas.
Mackenzie hatte ein Leben voller Kämpfe und Entbehrungen hinter sich. Er hatte sich und andere nie geschont. Als Offizier war er berüchtigt für seine harte Disziplin. Zeitgenossen beschrieben das Verhältnis seiner Truppen zu ihm als „respektvoll“, aber er war bei seinen Untergebenen nicht beliebt.
Vermutlich spürte Mackenzie selbst, daß die Jahre im Krieg und im Indianerland ihren Preis forderten. Er bereitete sich auf die Zeit nach dem Militär vor und kaufte in der Nähe der Ortschaft Boerne in Texas eine Ranch. Ferner plante der bis dahin eiserne Jungeselle seine Hochzeit.
Dann geschah der fatale Unfall, der Mackenzies Leben dramatisch veränderte. Die im Dezember 1883 erfolgende Diagnose einer Hirnschädigung und Geistesschwäche führte zur Pensionierung von seinem Kommando im März 1884.
Der gerade 44jährige Mackenzie, bei dem sich auch körperliche Probleme durch seine 7 Verwundungen bemerkbar machten, wurde in ein Pflegeheim der Armee in New York eingewiesen. Der körperliche und geistige Verfall des einstmals energiegeladenen, leistungsstarken Offiziers setzte sich rapide fort. Er wurde schließlich auf Ersuchen seiner Schwester in deren Haus auf Staten Island (New York) imtergebracht, wo er am 19. Januar 1889, im Alter von gerade 48 Jahren verstarb.
Freunde, die bis zum Schluß Kontakt zu ihm hatten, beschrieben ihn in seinen letzten Jahren als „lebenden Leichnam“. In der Öffentlichkeit war der einstige Bürgerkriegsheld und Offizier der Indianerkriege so gut wie vergessen. Er wurde auf dem Nationalfriedhof der Akademie West Point beigesetzt.
Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de
Kommentare