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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Jim Bridger?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit Jim Bridger?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler werden wir diese Beiträge im Zauberspiegel übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 17. Juli 1881 starb einer der bedeutendsten Entdecker Nordamerikas, ein geradezu klassischer Mountain Man der frühen Stunde, der auf der Jagd nach Biberpelzen in die Regionen der Rocky Mountains und Great Plains vordrang: Jim Bridger.

Geboren im März 1804 in Virginia, war er eine der prägenden Persönlichkeiten Nordamerikas in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Er war in St. Louis zum Schmied ausgebildet worden, als er sich der Pelzjagd-Expedition von William H. Ashleys „Rocky Mountain Fur Company“ anschloß. Er war noch ein halbes Kind, als er in die Wälder und Berge am Oberen Missouri gelangte, die von da an sein Leben bestimmen sollten. Bridger lernte, in der Wildnis zu überleben. Er wurde ein intimer Kenner des Landes und der Indianervölker dieser Region. Dreimal heiratete er indianische Frauen. Er fühlte sich der indianischen Kultur weitaus näher als der Welt der Pioniere, die er im Osten zurückgelassen hatte. Seine erste Frau vom Stamm der Flathead starb 1846. Mit ihr hatte er drei Kinder. Danach heiratete er eine Shoshone-Indianerin, die schon drei Jahre später bei der Geburt eines Kindes starb. Seine letzte Frau war die Tochter des großen Shoshone-Häuptlings Washakie, mit der er noch einmal zwei Kinder zeugte.

Bridger konnte nicht lesen und schreiben, aber er sprach fließend Französisch, Spanisch und mehrere Indianersprachen. Er liebte Literatur und ließ sich in Trapper- und Militärlagern aus klassischen Werken vorlesen. Sein hervorragendes Gedächtnis erlaubte ihm, ganze Shakespeare-Dramen zu zitieren. Er hatte ein fotografisches Gedächtnis und war imstande, präzise Landkarten mit einem Stock in den Sand zu zeichnen.

Bridger erlebte Aufstieg und Niedergang des Pelzhandels im Westen. Er traf mit fast allen bekannten Namen seiner Zeit zusammen, wie Jedediah Smith, William Sublette, Kit Carson, Peter Skene Ogden, John Fremont, General Stephan W. Kearny, General Sheridan, General Sherman, Lieutenant Fetterman.

Gelegentlich wird er noch immer mit der Hugh Glass-Affäre in Verbindung gebracht, bei der er angeblich mit John Fitzgerald den schwer verletzten Glass im Stich gelassen hatte, weil sie von Indianern verfolgt wurden. (Diese Vorgänge waren Gegenstand in dem Oscar-gekrönten Film DER RÜCKKEHRER – schauspielerisch ein grandioser Film, historisch allerdings wenig akkurat.)

Abgesehen davon, dass die ganze Glass-Geschichte äußerst wacklig dokumentiert ist und wahrscheinlich – abgesehen von dem Angriff des Bären und dem wundersamen Überleben von Glass – zu großen Teilen auf Trappergarn beruht, das von Hugh Glass selbst verbreitet wurde, wurde Bridgers Name erst 70 Jahre später damit verbunden. In einem in den 1890er Jahren verbreiteten Bericht ist von einem jungen Mann namens „Bridges“ die Rede. Daraufhin wurde angenommen, daß es sich um „Bridger“ gehandelt haben könnte; dafür gab es keine weiteren Belege. Hugh Glass schwor angeblich, sich an beiden Männern zu rächen; aber es kam niemals zu einer Auseinandersetzung zwischen ihm und Jim Bridger, obwohl sie sich mehrfach begegneten, so daß die Geschichte getrost ins Reich der Legende verwiesen werden kann.

Jim Bridger war der erste Amerikaner, der den Großen Salzsee in Utah sah – wegen der Salzhaltigkeit glaubte er, den Pacific erreicht zu haben. Im Winter 1824-25 war er wohl nach John Colter der zweite Amerikaner, der das Gebiet des heutigen Yellowstone-Nationalparks durchquerte.

Seit 1822 erforschte er mögliche Trails durch den amerikanischen Westen und legte eigene Wege an. Mit seinem Partner Louis Vasquez errichtete er an einer Seitenroute des Oregon Trail Fort Bridger (heute in Wyoming), nachdem er zeitweise Mitbesitzer von Fort Laramie gewesen war. Allerdings waren seine geschäftlichen Unternehmungen nur von geringem Erfolg gekrönt.

1859 war er Führer einer Yellowstone-Expedition. Er empfahl der Union Pacific den Weg für den Bau der ersten transkontinentalen Eisenbahn. Seiner Route folgt heute die große Interstate 80. 1864 eröffnete er den Bridger Trail in die Goldfelder von Montana, der die Gefahren des Bozeman Trails umging und den Krieg zwischen den Lakota und der Armee hätte verhindern können. 1865 diente er als Scout und Dolmetscher der Powder River Expedition der US-Armee und sagte die Niederlage gegen Red Cloud voraus. Aber das war nicht das, was die Armee hören wollte. Bridger erhielt im Juli 1868, nachdem in Fort Bridger der Friedensvertrag mit den Shoshonen, den er mit seinem Schwiegervater Washakie vermittelt hatte, unterschrieben worden war, seinen letzten Sold als Scout. Er zog nach Westport (Missouri) unweit von Kansas City, wo er ein kleines Anwesen besaß.

Inzwischen forderte das harte Leben in der Wildnis seinen Preis. Er litt unter Rheumatismus und Arthritis; sein Augenlicht ließ nach. Er versuchte erfolglos, eine Entschädigung der Regierung für sein Fort Bridger zu erhalten, das er im Mormonenkrieg verloren hatte.

Als er starb, war er fast blind und völlig verarmt. Er lebte bei seiner Tochter Virginia Bridger-Hahn. Ein alter Freund, der ehemalige General und Union-Pacific-Ingenieur Greenville Dodge, bezahlte seinen Grabstein in Kansas City.

Zahllose Plätze im amerikanischen Westen, vor allem in Wyoming und Montana, tragen seinen Namen: Bridger Nationalforest, Bridger Creek, Bridger Mountain, Bridger County; sogar Schuldistrikte sind nach ihm benannt. Der große Historiker William Goetzman schrieb über ihn: „Bridger repräsentierte zwei Generationen Entdeckungen im amerikanischen Westen. Er blieb ein Symbol für den Kampf des weißen Mannes mit der Natur in ihrer wildesten Form.“

Bridger war bekannt als ungemein fantasievoller Geschichtenerzähler, der am Lagerfeuer ganze Gesellschaften blendend unterhalten konnte. Eine seiner Stories, die er einem unerfahrenen Reisenden im Westen erzählte, lautete: „Ich wurde von einer Gruppe Indianer gejagt. Sie waren mir dicht auf den Fersen. Ich versuchte, mich in einer Schlucht in Sicherheit zu bringen. Aber sie fanden meine Spur und folgten mir immer weiter in den Canyon. Bis ich plötzlich eine Felswand erreichte und nicht mehr weiterkonnte.“

„Und dann?“ fragte das Greenhorn atemlos. „Was ist dann passiert?“

Bridger antwortete mit einem Lächeln: „Dann haben sie mich getötet.“

Die einzige deutschsprachige Biographie über Jim Bridger, die zugleich die gesamte Zeit vom Pelzhandel bis zu den letzten Indianerkriegen abdeckt, stammt von mir und ist als eBook und gedruckte Version lieferbar: SUCHT MEIN HERZ IN DER PRÄRIE – JIM BRIDGER, MOUNTAIN MAN. Besprechung im Zauberspiegel: Ein wahrer Pionier - Die Geschichte Jim Bridgers


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, März 2019Die kommende Ausgabe

 

 

 

 

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