Ein wahrer Pionier - Die Geschichte Jim Bridgers
Ein wahrer Pionier
Die Geschichte Jim Bridgers
James ›Jim‹ Bridger war durchaus kein gebildeter Mann. Die Umstände des Lebens wie der frühe Tod der Eltern machten es notwendig, dass Jim den Lebensunterhalt für sich und seine Schwester verdienen musste. Für einen Schulbesuch hatte er weder Zeit noch konnte er sich es finanziell leisten, selbst die Schulbank zu drücken. Immerhin ermöglichte seine Arbeit, seiner Schwester die Schule zu besuchen. Bridgers fehlende Bildung bedeutete aber nicht, dass er dumm war. Zudem hatte er was geographische Merkmale anging ein geradezu photographisches Gedächtnis. Auch seine Vorstellungen von Entfernungen waren phänomenal. Er zeichnete Landkarten auf die Erde oder auf Leder, die erstaunliche präzise waren und Siedlertrecks den Weg wiesen. Er selbst zog vor den Siedlern nach Westen, stellte Fallen und fing Biber für den eine Zeitlang nicht zu sättigenden Pelzmarkt. Dabei entdeckte er für den weißen Mann den heutigen Yellowstone Park mit all seinen Naturphänomenen (obwohl so manch gebildeter Mensch das für eine Art Präriegarn hielt und ihm nicht glaubte).
Er war ein Kind seiner Zeit und selbst als er die Quasi-Ausrottung der Biber erlebt hatte, hielt Bridger die Ressourcen des Westen für unerschöpflich. Ein Irrtum, dem er wahrlich nicht allein auf saß. Bridger liebte diese menschenleere Landschaft, musste jedoch miterleben, dass diese sich veränderte und es gefiel ihm nicht, obwohl er sogar dabei half. Bridger hatte in den Jahren in der Wildnis eher die Lebensweise und das Erscheinungsbild eines Indianers angenommen. Das trug auch dazu bei, dass so mancher ihn nicht als vertrauenswürdig begriff. Dabei hatte er sich nur seiner Umgebung angepasst.
Aber diese Geschichte schildert Dietmar Kuegler viel kompetenter und ausführlicher in seinem Buch »Sucht mein Herz in der Prärie - Jim Bridger - Mountain Man«, das ich mit großen Vergnügen gelesen habe. Im Grunde ist es das ›Prequel‹ zu Kueglers Buch über Kit Carson (zur Leseprobe). Es gab zwar Schnittmengen im Lebensweg beider Männer aber beide Lebenswege zusammen ergeben einen faszinierenden Einblick in eine Zeit, die umwälzender und wilder war als der darauf folgende sogenannte Wilde Westen (der abseits von Hollywood deutlich zivilisierter war als die Zeit Bridgers). Die Zeit bietet so viel aus dem der Mensch lernen kann. Gier und Kapitalismus, Globalisierung, Umgang mit Minderheiten, der Kampf von Kulturen und mehr. Aber vieles was wir heute noch an sinnloser Ausbeutung erleben wurde im amerikanischen Westen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts exemplarisch vorgeführt. Und ich ahbe mir manchmal die Frage gestellt, ob die Menschheit wirklich lernfähig ist.
Nimmt man noch das Buch »Red Clouds Krieg« von Albert Winkler (verlegt im Kueglers Verlag für Amerikanistik) hinzu hat man ein Dreigestirn von Büchern, die einen Einblick in eine Zeit gewähren. Kuegler selbst hält am 5. April in Kiel einen Vortrag über den Pelzhandel, hat im Magazin für Amerikanistik zahlreiche Artikel über die Rendezvous (die Treffen der Pelzjäger mit der ihren Abnehmern und Händlern) und - zuletzt auch - die alkoholischen Getränke der Mountain Men geschrieben und veröffentlicht.
Bridger muss ein erstaunlicher Mann von beeindruckenden Fähigkeiten gewesen sein, der in der Zeit des ›Prä-Wild-West‹ beeindruckende Spuren hinterlassen hat. Bevor Cowboys und Revolverschwinger und welche legendären Gestalten die Zeit vom Ende des Bürgerkriegs bis zum ausgehenden 19. Jahrhundert dann auch vorzuweisen hatte und ihre Rollen ausfüllen konnten, gab es Männer wie Bridger, die den Kontinent der Besiedlung öffneten und den sogenannten Wilden Westen erst möglich machten. Oft wurden die Rollen von Männern wie Bridger unterschätzt, aber im Zuge einer historischen Neubewertung bekommen diese Männer posthum ihre herausragenden Verdienste zugewiesen.
Dietmar Kuegler hat nun vor fast zwanzig Jahren (1998) das deutschsprachige Standardwerk über diesen Mann vorgelegt, welches schon seit einiger Zeit im Semitarius Verlag als eBook vorliegt (und in den entsprechenden Kategorien seit Erscheinen Spitzenplätze der Charts bei Amazon belegt). Dieser Erfolg dürfte den Verlag dann auch bewogen, eine weitere Druckauflage vorzulegen, denn das Buch ist lange vergriffen. Bearbeitet und um Bilder erweitert, liegt »Sucht mein Herz in der Prärie - Jim Bridger - Mountain Man« als exzellent gemachtes Hardcover vor. Auf gut 260 Seiten zeichnet Kuegler das Leben dieses Pioniers nach. Wie gewohnt sehr Faktenreich. Kuegler verliert sich so gut wie gar nicht in romantischen Beschreibungen. Aber der Autor hebt seinen Blick immer wieder über den Tellerrand und ordnet Bridger (und seine Zeit) in größere Zusammenhänge ein. Das hilft dem Laien, dessen Blick auf die US-amerikanische Geschichte eher auf die Zeit richtet, in der Bridger schon Geschichte war und seine großen Taten und wichtigen Einflüsse bereits hinter sich hatte.
Kuegler ist ein echter Kenner der nordamerikanischen Geschichte und diese begann nicht mit dem Bürgerkrieg, sondern Kueglers Schaffen als Autor und Verleger widmet sich mehr als nur der schmalen Zeitspanne zwischen dem Ende des Bürgerkriegs und den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts. Ein immer wiederkehrendes Motiv ist der Pelzhandel in der ersten Hälfte des Jahrhunderts, das von Männern wie Bridger auf der einen Seite geprägt wurde. Auf der anderen Seite war das der globale Pelzhandel und wichtige Wirtschaftsfiguren zu denen für eine gewisse Zeit auch John Jakob Astor gehörte.
Wer also in der amerikanischen Wüste mehr sehen möchte als Revolverschwinger ála Earp (obwohl diese Bezeichnung eher unzureichend aber zielführend ist), Bürgerkriegsschlachten wie Gettysburg oder Gangster wie die James-Bande, dem hilft dieses Buch auf die Sprünge. Obwohl Kuegler einem auf jeder Seite haufenweise Fakten quasi um die Ohren haut, lässt sich das Buch dank seiner wunderbar flüssigen Art zu schreiben, gar wunderbar entspannt und leicht lesen. Es empfiehlt sich gar mehrmals die Geschichte JIm Bridgers zu lesen.
Für mich ein Sachbuch wie es sein muss. Spannend erzählt. Faktenreich und präzise, aber nie langweilig. Dazu auch immer der Blick auf die Bedeutung der Zeit für die Entwicklung der USA. Unbedingt empfehlenswert.
Sucht mein Herz in der Prärie - Jim Bridger - Mountain Man