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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Johnny Ringo?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit Johnny Ringo?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler werden wir diese Beiträge im Zauberspiegel übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 13. Juli 1882 starb (nach Aktenlage) Johnny Ringo (gelegentlich falsch "Ringgold").

Eigentlich war er nur ein Gesetzloser unter vielen. Das vermeintliche Geheimnis um seinen Tod machte ihn für Zeitgenossen und die Nachwelt interessanter als er war. Und sein Name war einprägsam und ließ sich gut vermarkten.

Geboren wurde er am 3. Mai 1850 in Green Fork (Indiana) in einer Familie mit holländischen Wurzeln.

Wie in jener Zeit üblich, zogen die Ringos auf der Suche nach einer besseren Existenz ziemlich rastlos herum. 1856 lebten sie an verschiedenen Orten in Missouri.1864 machten sie sich mit einem Planwagentreck auf den Weg nach Oregon. Johnny war zu dieser Zeit 14 Jahre alt. Auf halbem Weg, in Wyoming, sprang sein Vater mit einer geladenen Schrotflinte vom Wagen. Es löste sich ein Schuß und riß ihm den halben Kopf weg. Er wurde am Rand des Trails beerdigt.

Die Familie ließ sich in Kalifornien nieder. Von hier aus begab Ringo sich in den 1870er Jahren ins Mason County von Texas, wo er als Cowboy auf der Williamson-Ranch arbeitete. Er freundete sich hier mit dem Adobtivsohn des Ranchers, dem ehemaligen Texas Ranger Scott Cooley an. Ringo hatte allen Überlieferungen zufolge trotz seiner schwierigen Startbedingungen, eine recht gute Ausbildung genossen, war belesen und konnte Shakespeare zitieren. (Eine entsprechende Szene in dem Film „Tombstone“ beruht nicht auf Fantasie.)

Die Williamson-Ranch war ein Zentrum für Viehdiebe, unter denen vor allem deutschstämmige Farmer litten. Als zwei der Diebe von einem Mob aus deutschen Siedlern gelyncht wurden, begann eine Auseinandersetzung, die als „Mason County War“ oder „Hoodoo War“ in die texanische Geschichte einging.

Die Williamson-Cowboys übten Rache. Ringo tötete am 25. September 1875 zusammen mit einem zweiten Mann den unbewaffneten Farmer James Cheney durch einen Schuß in den Rücken. Sie wollten auch den Farmer Dave Doole ermorden, aber der wehrte sich mit einer Schrotflinte. Ringo und sein Kumpan flüchteten.

Wenig später wollte Ringo zusammen mit Scott Cooley den deutschen Siedler Charley Bader umbringen – sie töteten aus Versehen dessen Bruder Pete. Sie wurden daraufhin verhaftet, aber durch die Cowboys der Williamson-Ranch gewaltsam befreit.

Im November 1876 waren 12 Männer im Mason County War getötet worden. Ringo wurde erneut verhaftet, scheint aber einer Verurteilung entgangen zu sein.

1879 tauchte er in Arizona auf, schoß im Dezember in einem Saloon in Safford einen unbewaffneten Mann nieder, entging offenbar einer Strafe und schloß sich im Cochise County den Viehdieben und Grenzschmugglern an, die sich auf der Clanton-Ranch versammelten.

Ringo gehörte zur sogenannten „Cowboy-Fraktion“, die in Tombstone für ständigen Ärger sorgte. Am 17. Januar 1882 prallte Ringo erstmals öffentlich mit Doc Holliday zusammen. Bevor es zu einem Schußwechsel kam, wurden beide Männer verhaftet und wegen verbotenen Waffentragens in der Stadt zu einer Geldstrafe verurteilt.

Ringo war am 28. Dezember 1881 an dem Hinterhalt beteiligt, bei dem Town-Marshal Virgil Earp angeschossen und verkrüppelt wurde. Er war auch einer der Schützen, die am 18. März 1882 Morgan Earp durch das Fenster der Billardhalle von Campbell & Hatch ermordeten.

Danach nahm der zum Deputy US Marshal ernannte Wyatt Earp mit einem Aufgebot die Jagd auf die Mörder auf.

Am 14. Juli 1882 wurde Johnny Ringos Leiche gegen einen Baumstamm gelehnt im West Turkey Creek-Tal gefunden. Ein in der Nähe lebender Farmer hatte am Tag zuvor – der als Todestag Ringos angenommen wird – einen einzelnen Schuß gehört. Um die Füße Ringos waren Stoffstreifen aus seiner Unterwäsche gewickelt. Nachdem man später sein Pferd in der Wüste fand, an dessen Sattelhorn Ringos Stiefel hingen, wurde angenommen, daß er seine nackten Füße auf diese Weise vor Skorpionen und anderen Insektenbissen geschützt hatte. Das Pferd war offenbar fortgelaufen, während er geschlafen hatte.

In seiner rechten Stirn befand sich ein Kugelloch. Der Revolver, in dem eine Patrone fehlte, hing an einem Finger seiner rechten Hand. Der Leichenbeschauer stellte „Selbstmord“ fest. Die Gründe lagen auf der Hand: Ein Mann ohne Pferd, ohne Stiefel und ohne Wasser in der Wüste von Arizona hatte einen ziemlich jämmerlichen Tod vor Augen, dem Ringo sich nicht aussetzen wollte. Sein Leichnam wurde dicht neben dem Baum bestattet, wo man ihn gefunden hatte.

Spätere Mordtheorien waren alle nicht haltbar. Wyatt Earp behauptete 1886, er habe Ringo erschossen, bevor er Arizona verlassen habe. 1896 bestritt er diese Aussage – und sie ist auch unwahrscheinlich; denn die von ihm angegebenen Fakten stimmten nicht mit der Auffindung der Leiche überein.

Doc Holliday wurde ins Spiel gebracht, aber der hatte sich zu dieser Zeit nachweislich in Salida und Leadville (Colorado), über 1.000 km entfernt, befunden.

Einige Zeitzeugen hielten es für möglich, daß der Berufsspieler Mike O’Rourke Ringo erschossen habe. Ringo hatte im Januar 1881 einen Lynchmob gegen ihn angeführt. Wyatt Earp hatte O’Rourke gerettet. Gleichwohl – O’Rourke verschwand im April 1881 spurlos.

Auch der als gewalttätig bekannte Barkeeper „Buckskin“ Frank Leslie, ein enger Freund der Earps geriet in Verdacht. Als er im November 1882 Billy Claiborne erschoss, behauptete dieser in seinen letzten Worten, den Mord beobachtet zu haben. Dafür gibt es keinerlei Beweise.

Man kann daher getrost davon ausgehen, daß Ringo in einer ausweglosen Lage Selbstmord beging. Es wurden auch keine anderen Hinweise – Fuß- oder Hufabdrücke, Paronenhülsen, Kampfspuren – gefunden.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2019Die kommende Ausgabe

 

 

 

 

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