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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit der Cibecue Scout Revolte?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit der Cibecue Scout Revolte?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler werden wir diese Beiträge im Zauberspiegel übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 30. August 1881 kam es zum Höhepunkt einer Auseinandersetzung in Arizona, die als „Cibecue Scout Revolte“ in die Geschichte eingegangen ist. Die sehr komplexen Ereignisse, die alle Elemente des heute beschriebenen „Clash of Cultures“, des Zusammenpralls der unterschiedlichen Kulturen zwischen Indianern und Weißen in sich trugen, können hier nur grob und knapp skizziert werden. Sie begannen damit, dass ein Armeekommando, das von 23 Apachenscouts begleitet wurde, den angesehenen Western-Apache-Medizinmann Nock-Ay-Det-Klinne – auch genannt „The Dreamer“ (Der Träumer) – als „Aufrührer“ verhaftete. Er war zugleich Anführer der Cibecue-Apachengruppe.

Nock-Ay-Det-Klinne war ein Vertreter der Geistertanzbewegung im amerikanischen Südwesten, einer Erweckungsreligion, die die alten Traditionen der Indianervölker wiederbeleben und ihnen damit die frühere Stärke zurückbringen sollte.

Die Geistertanzzeremonien am Cibecue-Fluß vermischten sich mit Elementen des Peyote-Kults und arteten oft – zusätzlich von Alkohol beeinflußt – in ekstatische Rauschzustände aus.

Der Erfolg dieser Bewegung wurde von den erbärmlichen Lebensbedingungen auf den Apache-Reservationen beeinflußt, gegen die Nock-Ay-Det-Klinne immer wieder seine Stimme erhoben hatte. Er prangerte die Korruption von Indianeragenten und weißen Händlern an und unterstützte den Widerstand gegen die Verhältnisse auf der Reservation durch einflußreiche Krieger wie Geronimo.

Die zeremoniellen Treffen, zu denen – von Frustration und Verzweiflung getrieben – immer mehr Apachen kamen, lösten unter den weißen Siedlern in der Nachbarschaft der Reservation Panik aus. Sie sahen darin die Vorbereitung eines neuen Aufstands und verlangten den Schutz der Armee.

Nach der Festnahme von Nock-Ay-Det-Klinne durch Colonel Eugene Carr, sollte der Medizinmann nach Fort Apache gebracht werden. Auf dem Weg dorthin geriet das Kommando am 30. August 1881 am Cibecue Creek in einen Hinterhalt von White Mountain Apachen.

Während des Kampfes versuchte Nock-Ay-Det-Klinne zu flüchten und wurde von Soldaten erschossen. Damit geriet die Situation außer Kontrolle.

Über die Hälfte der Apachenscouts gehörten zur Gruppe des Medizinmannes und Häuptlings. Schon die Verhaftung ihres Anführers hatte für Spannungen zwischen den Soldaten und den Scouts geführt. Als sie ihn sterben sahen, schlugen sie sich auf die Seite der Angreifer.

Es war die größte Meuterei von Indianerscouts in der Geschichte der Indianerkriege.

Ein Scout schoß dem Führer von Kompanie D der 6. US-Kavallerie, Captain Clarence E. Hentig, in den Rücken. Er starb sofort.

Der 39jährige Offizier diente seit 1867 in der Kavallerie und war 1876 nach Fort Apache versetzt worden. Sein Dienst in der Apacheria hätte nach diesem Kommando enden sollen. Er hatte seine Familie bereits in den Osten geschickt. Sein Tod war ein Schock für seine Kompanie.

Der Kampf am Cibecue Creek spielte sich in einer äußerst zerklüfteten und unübersichtlichen Region ab, schwer gangbar für die Pferde, ideal geeignet für einen Guerillakampf. Die Apachen versuchten gar nicht erst, sich auf einen Nahkampf einzulassen – nur als die Scouts sich gegen die Soldaten wandten, kam es zu einem Scharmützel auf kurze Distanz. Dann schlossen sie sich den Angreifern an und nahmen die Kompanien aus sicherer Deckung unter Feuer.

Die Kompanien gerieten in eine verzweifelte Lage. Colonel Carrs Glück war, dass sich seinem Kommando auch die bekannten weißen Scouts Al Sieber und Tom Horn mit ihrer loyalen Spähertruppe angeschlossen hatten.

Es gelang Sieber und Horn mit ihren Scouts einen kleinen Hügel zu besetzen und von dort aus die Schüsse der Apachen zu erwidern. Damit retteten sie die in den buschbewachsenen Arroyos und Bodenfalten in arge Bedrängnis geratene Kavallerie. Danach gelang es den Soldaten, sich noch einmal zu formieren und einen Gegenangriff zu versuchen. Dabei wurden auch mehrere Indianer getötet.

Als es dunkel wurde, waren neben Captain Hentig 6 weitere Soldaten gefallen. Colonel Carr entschied sich zum sofortigen Rückzug nach Fort Apache. Der Weg dorthin bot den Apachen ebenfalls mehrere Möglichkeiten für einen Hinterhalt; Carr wollte nicht riskieren, den Kriegern durch zu langes Ausharren die Chance zu geben, weitere Positionen in seinem Rücken zu besetzen. Es war faktisch eine Flucht.

Am nächsten Tag versuchten die White Mountain Apachen, das Fort anzugreifen. Die Attacke scheiterte. Danach verließen viele Krieger die Reservation und schlossen sich Geronimo an.

Die Militärbürokratie behandelte den Vorfall juristisch als Meuterei und klagte die Apachenscouts an – keiner dieser Männer hatte auch nur die geringste Ahnung, was das bedeutete. Für sie war die Armee lediglich ihr Arbeitgeber; ihre Loyalität gehörte nach wie vor ihrem angesehenen Häuptling.

Das Departmentskommando hatte die Warnungen von erfahrenen Offizieren in den Wind geschlagen, wie etwa von Lieutenant Thomas Cruse, dem Chef der Kompanie A der Apachenscouts. Cruse schrieb später:

„Nach dem Beginn der Medizintänze in der Umgebung des Forts bemerkte ich Veränderungen. Im Allgemeinen waren die Scouts kommunikativ und berichteten alles, was sie erfuhren oder sahen. Nach diesen Tänzen wurden sie schweigsam und erzählten nichts mehr, was in den Indianerlagern geschah. Eines morgens wurde mir das Gerücht zugetragen, die Scouts hätten einem Ingenieur der Sägemühle gesagt, sie würden die Armee aus dem Fort vertreiben und es selbst übernehmen. Es war mir nicht möglich herauszufinden, wer diesen Plan in die Welt gesetzt hatte. Früher hielten sie sich häufig in der Mannschaftsküche und den Quartieren auf und redeten über sich selbst, über ihre Häuptlinge und über andere Dinge. Nach den Tänzen veränderten sie sich so sehr, dass es jedem auffiel. Auch, wenn ich sie direkt ansprach, erhielt ich keine Informationen.“

Cruse teilte seine Bedenken Colonel Carr mit, der anordnete, den Scouts unter einem Vorwand ihre Waffen abzunehmen. Aber diese Vorsichtsmaßnahme kam zu spät.

Als Carr mit seinem Kommando ausrückte, um mit Nock-Ay-Det-Klinne zu reden, mußte er notgedrungen die Apachenscout mitnehmen.

Die „Cibecue-Creek-Schlacht“ – eher ein heftiges Scharmützel – endete mit einem Sieg der Apachen. Die Folge war ein erneuter zweijähriger Krieg in diesem Teil Arizonas, geführt von Chiricahua und Warm Springs Apachen unter Naiche, Juh und Geronimo, der letztlich natürlich mit einer Niederlage der Indianer endete.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2019Die kommende Ausgabe

 

 

 

 

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