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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie ist das mit dem Devils Tower?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie ist das mit dem Devils Tower?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 24. September 1906 proklamierte der Präsident der USA, Theodore Roosevelt, eine einzigartige vulkanische Formation im Nordosten Wyomings zum allerersten „National Monument“ des Landes – das ist der 265 m hohe DEVILS TOWER.

Für Geologen ist diese Felssäule ein erdgeschichtliches Juwel. Ihre Entstehung ist bis heute mit einigen Spekulationen verbunden. Der Devils Tower besteht vollständig aus dem Vulkangestein Phonolith und entstand vor ca. 50 Millionen Jahren. Damit ist er jünger als alle umliegenden Gesteinsformationen.

Nebenbei bemerkt: Der Staat Wyoming kann sich brüsten, eine wahre Schatztruhe erdgeschichtlicher und prähistorischer Belege zu sein. Der Devils Tower ist sicher das Spektakulärste davon.

Geologen können die markante Formung des „Towers“ mit seinen gleichmäßigen tiefen Scharten genau erklären. Ungeklärt ist die Frage bis heute, ob es sich um einen Pfropfen aus dem Schlot eines Vulkans handelt, ober ob die Formation aus größerer Entfernung „ausgespuckt“ wurde und dann an der Erdoberfläche erstarrte. Die letztere These wird von den meisten Wissenschaftlern unterstützt.

Erstaunlicherweise wird der Felsturm in keinem Bericht von frühen Mountain Men und Trappern erwähnt. Nicht einmal als Orientierungsmerkmal in dieser Region. Die erste schriftliche Beschreibung gab es erst 1859 durch zwei Mitglieder einer Yellowstone-Expedition, die den Felsen somit offiziell als erste Amerikaner erblickten.

Die ersten umfassenden Beschreibungen stammen von einer Landvermesserexpedition im Jahr 1875. Hier hieß es: „Der bemerkenswerte Aufbau (des Turms), seine Symmetrie und seine exponierte Lage machen ihn zu einem unerschöpflichen Quell der Verblüffung. Es handelt sich um einen großen Obelisk aus Trachyt mit einem Säulenbau, der ihm ein längsgerieftes Aussehen verleiht.“

Der Führer der Militäreskorte der Expedition war Colonel Richard Dodge, der später in einem Buch über die Black Hills erstmals den Namen „Devils Tower“ verwendete. Er – so wie auch der zivile Leiter der Expedition, Henry Newton – beriefen sich darauf, dass die Indianer der Region die Formation als „Turm des bösen Gottes“ bezeichnen würden. Das war eine völlig unsinnige und falsche Übersetzung. Tatsächlich nannten die Lakota den Berg „Mateo Tepee“, und das heißt frei übersetzt auf Englisch „Bear Lodge“ – die Wohnung des Bären.

Die Angaben von Dodge und Newton sind heute als falsch erkannt, aber der Name „Devils Tower“ hat sich allgemein festgesetzt.

Die Bezeichnung „Bear Lodge“ macht weitaus mehr Sinn, wenn man sich die Mythen und Legenden anschaut, die die eingeborenen Völker um den Felsen gerankt haben. Die bekannteste – und vielleicht auch schönste – Geschichte kommt von den Kiowa, die den Turm „Tso-aa“ nannten = Felsenbaum. Ihre Tradition berichtet, daß 7 kleine Mädchen abseits vom Dorf spielten (in manchen Versionen sammelten sie Beeren) und plötzlich von einem großen Bären angegriffen wurden. Sie versuchten, zurück zum Dorf zu flüchten, aber der Bär holte sie fast ein. Also kletterten sie auf einen Felsbrocken und flehten den Großen Geist an, sie zu retten. Daraufhin wuchs der Fels in die Höhe. Er wuchs, und wuchs… Der große Bär versuchte vergeblich, die Mädchen zu erreichen. Er sprang immer wieder an dem Felsen hoch und krallte sich fest, rutschte aber stets wieder ab, wobei er mit seinen Krallen tiefe Scharten in den Stein riß.

Der Felsen wuchs bis zum Himmel. Die Mädchen konnten ihn nicht mehr verlassen. Der Große Geist nahm sie zu sich und verwandelte sie in Sterne, die heute als die 7 Plejaden am Firmament stehen.

Die Lakota wiederum sind der Überzeugung, dass ihnen hier White Buffalo Woman die Heilige Pfeife gebracht hat. Ihrer Mythologie zufolge, liegt diese Pfeife noch heute in einer der Höhlen auf der Südseite des Berges versteckt.

Die Cheyenne erhielten hier von ihrem Kulturheroen Sweet Medicine die 4 Heiligen Pfeile. Für andere ist der Fels bis heute die Wohnstatt eines mythischen Grizzlybären.

Insgesamt sagen 21 indianische Völker, dass sie spirituelle und kulturelle Verbindungen zum Bear Lodge-Berg haben, und demgemäß kommen bis heute Vertreter vieler Völker hierher, um Zeremonien abzuhalten. Das ist besonders im Juni der Fall, weshalb der Nationalpark-Service in diesem Monat versucht, den Touristenstrom niedrig zu halten. Schilder weisen die Besucher auf die kulturelle und spirituelle Bedeutung des Berges hin, und die Besteigung des Towers von Kletterern ist seit Jahren ein Ärgernis für alle Indianervölker der Region.

Vor allem dieser kulturhistorische Hintergrund veranlasste Theodore Roosevelt, die Felsformation im September 1906 als „National Monument“ unter Schutz zu stellen. Die Entscheidung beruhte auf dem erst am 6. Juni 1906 in Kraft getretenen “Antiquities Act”, einem speziellen Denkmalschutzgesetz.

Theodore Roosevelt gilt vielen Historikern heute als „Amerikas grüner Präsident“. Der Naturschutz und die Bewahrung historischer Stätten war seine Leidenschaft. Kein Präsident vor oder nach ihm stellte so viele Gebiete unter Schutz. Er schuf 5 Nationalparks, 150 Nationalforsten, 51 Vogelschutzgebiete, 4 Wildschutzgebiete und 18 Nationalmonumente. (Hier wurde er nur von Präsident Obama übertroffen, der in seiner Amtszeit 26 Nationalmonumente deklarierte.)

Der Antiquities Act gibt dem US-Präsidenten das Recht, ohne Zustimmung von Kongress und Senat Regionen und Plätze von naturwissenschaftlicher, geschichtlicher und kulturhistorischer Bedeutung unter Schutz zu stellen. Hintergrund war auch die wachsende Gefahr, dass vor allem Orte alter indianischer Siedlungen von Raubgräbern geplündert werden würden. Seither haben fast alle Präsidenten Nationalmonumente kreiert. Es gibt inzwischen über 100 davon in den USA.

Da die Schaffung dieser Schutzgebiete allein dem Präsidenten obliegt, ist juristisch umstritten, ob der Präsident auch allein, ohne Parlamentsentscheidung, zumindest Teilrücknahmen vornehmen darf. Diese Auseinandersetzung bewegt seit 2017 vor allem die Indianervölker, die unmittelbare kulturelle Beziehungen zu vielen der Monumente haben. Im Zusammenhang mit der Verkleinerung des Escalante Nationalmonuments und benachbarter Gebiete, die von großer Bedeutung für die Navajo und Ute Indianer sind, sind derzeit Gerichtsprozesse im Gang.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2019Die kommende Ausgabe

 

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