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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Sarah Bickford?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit Sarah Bickford?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Sie war nicht prominent, sie hat weder mit Banditen noch mit Indianern gekämpft, keine Goldmine entdeckt, keinen Trail angelegt - aber sie war eine Pionierin, die in einer wilden Region im amerikanischen Westen ihr Leben meisterte und zum Vorbild für andere wurde. Die „Historische Gesellschaft von Montana“ nennt sie heute „Montanas erste Karriere-.Frau“. Sie hat es verdient, dass man sich an sie erinnert.

Am 19. Juli 1931 – vor 89 Jahren – starb SARAH BICKFORD, eine der bemerkenswertesten Frauen des Staates, die heute nur noch in der ehemaligen Goldrauschregion Montanas bekannt ist. Das ist schade, weil sie in mehrfacher Hinsicht eine Pionierin war, die nicht vergessen werden sollte - sie war erstens eine Frau, und sie war zweitens Afro-Amerikanerin. Damit hatte sie in der rauen Zeit der amerikanischen Frontier hohe Hürden zu überwinden.

Geboren wurde sie als Sarah Blair am 25. Dezember 1855 vermutlich in Jonesboro (Tennessee). Einige Historiker meinen, ihr Geburtsort könnte aber auch die Blair-Plantage bei Greensboro, North Carolina, gewesen sein.

Sarah wurde in Sklaverei geboren. (Sklaven hatten keine eigenen Familiennamen, daher trugen auf Plantagen geborene Kinder alle den Namen ihres Besitzers.) John Blair war ein wohlhabender Politiker, der Staatssenator und Kongressabgeordneter war. Sarah arbeitete als Kind in seinem Haus und vermutlich auch in einem Hotel in Knoxville (Tennessee), das den Blairs gehörte. Kurz nach Sarahs Geburt wurden ihre Eltern verkauft – sie lernte sie niemals kennen.

Nach Ende des Bürgerkrieges war Sarah frei und zog zu einer Tante namens Gammon in Knoxville. Sie nahm deren Familiennamen an.

1870 wurde der hier ansässige Jurist John L. Murphy als Richter nach Virginia City (Montana) geschickt. Er machte der 15jährigen Sarah das Angebot, seine Familie als Kindermädchen zu begleiten. Im Januar 1871 kam Sarah Gammon im Westen Montanas an.

Diese Region war noch immer vom Goldrausch beherrscht. Sarah blieb nicht lange bei den Murphys. Sie fand besser bezahlte Anstellungen als Zimmermädchen in Hotels. 1872 heiratete sie William L. Brown, einen erfolgreichen Goldsucher. In einer Diphterie-Epidemie verlor Sarah nach wenigen Jahren ihre zwei Söhne. 1880 ließ sie sich von ihrem gewalttätigen Mann scheiden und blieb mit ihrer Tochter Eva allein. 1881 starb tragischerweise auch ihre 9-jährige Tochter an einer Lungenentzündung.

Zu dieser Zeit arbeitete Sarah bei der Kaufmannsfamilie Laurin.

Kurz danach eröffnete sie ihr erstes eigenes Geschäft – die „New City Bakery und Restaurant“. Stolz inserierte sie in den lokalen Zeitungen: „Mrs. Sallie Brown, Geschäftsfrau“. Sie bot Mahlzeiten an, die täglich oder wöchentlich gebucht werden konnten; „Mittagessen und Abendbrot zu jeder Tageszeit. Frisches Brot, Kuchen, Torten und Gebäck ständig vorrätig.“

1883 heiratete Sarah Stephen Bickford, einen weißen Mann aus dem amerikanischen Osten. Dem Paar wurden ein Sohn und drei Töchter geboren.

Wirtschaftlich lebte Sarah jetzt in sicheren Verhältnissen 1888 erwarb ihr Mann einen großen Anteil am Wasserwerk von Virginia City und ließ seine Frau als Mitbesitzerin eintragen. 1890 kaufte das Ehepaar die Farm „Fishers Garden“ in der Nähe der Stadt und versorgte die örtlichen Geschäfte mit frischem Gemüse.

Im Jahr 1900 starb auch Stephen Bickford an einer Lungenentzündung. Sarah war Witwe, aber sie und ihre Kinder verfügten über ein beachtliches Erbe – ihr gehörten jetzt zwei Drittel der Trinkwasserversorgung von Virginia City, Anteile an kleinen Goldminen und an der „Southern Montana Telegraph and Electric Company“.

Sarah übernahm entschlossen die Buchhaltung der verschiedenen Firmen. Sie belegte einen Fernkurs in kaufmännischer Verwaltung und zahlte den verbliebenen Partner des Wasserwerks aus. Sie erwarb 1902 das sogenannte “Henker-Haus” von Virginia City, wo die Bürgerwehr einst die ersten 5 Straßenräuber am Dachgerüst aufgehängt hatte, und richtete hier ihr Büro ein. Von hier aus verwaltete sie das Wasserwerk, die Elektrizitätsfirma und ihre Gemüsefarm.

Ihr Sohn Elmer, der eine Meisterprüfung als Klempner abgelegt hatte, trat in die Firma ein. Gemeinsam erweiterten sie das Geschäft, erwarben mehrere Quellen im Umkreis der Stadt und legten einen kleinen Stausee an.

1917 war Sarah Bickford die einzige afro-amerikanische Frau in Montana – vielleicht sogar in den ganzen Vereinigten Staaten –, die einen öffentlichen Wasserversorgungs- und Elektrizitätsbetrieb besaß. Sie führte die “Virginia City Water Company” bis zu ihrem Tod am 19. Juli 1931. Sie erlag einem Herzinfarkt.

2016 wurde Sarah Bickford vom Staat Montana in die Galerie der „außerordentlichen Bürgerinnen“ des Staates aufgenommen. In der Begründung hieß es: „Sie war hochangesehen und geliebt in ihrer Gemeinde.“

Die Zeitung Virginia Citys schrieb in ihrem Nachruf: „Ihr Ableben hat sich wie eine dunkle Wolke über unseren Ort gelegt. Ihr Tod bedeutet den Verlust einer der loyalsten Pionierfrauen und einer hingebungsvollen Mutter.“

Ich bin auf ihre Geschichte gestoßen, weil ich mehrfach in ihrem Haus in Virginia City gewesen bin, ein Haus, dass mit den Vigilanten von Montana verbunden ist. Bei den Recherchen über diese Bürgerwehr, habe ich in dem kleinen Gebäude eine unauffällige Gedenktafel für sie entdeckt. Immer wieder habe ich mir vorgenommen, über ihr erstaunliches Leben zu schreiben.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2020Die kommende Ausgabe

 

 

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