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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Colonel Josiah Snelling?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit Colonel Josiah Snelling?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 20. August 1828 starb Colonel Josiah Snelling. Er war der Erbauer und Kommandant der nach ihm benannten Anlage „Fort Snelling“ – eine der bedeutendsten militärischen Niederlassungen der jungen Vereinigten Staaten auf ihrem Weg nach Westen im heutigen Staat Minnesota.

Zeitweise war Fort Snelling einer der westlichsten Vorposten der USA. Er wurde an dem strategisch bedeutenden Zusammenfluss von Mississippi und Minnesota River (ursprünglich St. Peter River) errichtet. Das war 1819-20 - vor genau 200 Jahren -, als es in dieser Region noch so gut wie keine Überlandstraßen gab. Die großen Flüsse waren die “Highways” jener Zeit. Auf den Strömen wurden Menschen, Güter und Nachrichten transportiert. Die Mündungen dieser Flüsse waren Treffpunkte für Händler und Indianer. Sie waren ebenso Verhandlungsplätze, wo Abmachungen über Krieg und Frieden getroffen wurden.

Eigentlich hatte Lieutenant Colonel Henry Leavenworth den Auftrag gehabt, einen Platz für einen Militärposten in dieser Region zu finden. Er brach im Mai 1819 von Wisconsin aus auf, folgte zunächst dem Fox River und zog dann am Wisconsin River entlang bis zum Mississippi. Bei Prairie du Chien, einem Treffpunkt von Pelzhändlern, schlug er ein Lager auf. Nach dem Eintreffen von Versorgungsgütern, bewegte sich sein Kommando weiter bis zum St. Peters River und errichtete hier ein Winterquartier, das den Namen „New Hope“ erhielt.

Das übliche Hochwasser im Frühling 1820 zwang Leavenworth, die geplante Militäranlage auf eine Anhöhe, ca. 1 Meile entfernt, zu verlegen. Hier entstand „Camp Coldwater“. Im August des Jahres wurde Leavenworth von seinem Kommando abberufen, und Colonel Josiah Snelling übernahm den Bau des Postens.

Snelling, geboren im Jahr 1782 als Sohn eines Bankiers in Boston, war schon 1808 in die Armee eingetreten. Zu dieser Zeit war er bereits mit Elizabeth Bell verheiratet. 1804 war dem Paar ein Sohn geboren worden. 1810 starb Snellings Frau. Snelling kämpfte in einigen frühen Indianerkriegen und zeichnete sich beispielsweise in der Schlacht von Tippecanoe aus. Im Krieg gegen England 1812 bekleidete er den Rang eines Majors und kommandierte zeitweise Fort Detroit. Hier heiratete er seine zweite Frau, Abigail Hunt. Aus dieser Ehe gingen weitere 5 Kinder hervor.

1819 wurde Snelling zum Oberst des 5. Infanterieregiments befördert und übernahm am 5. September 1820 die Leitung des Baues der Militäranlage am Minnesota und Mississippi River, die zunächst den Namen Fort St. Anthony trug. Snelling war ein begabter Organisator, der auch die architektonische Grundlage der neuen Anlage entwarf, die bis heute eine eindrucksvolle und gut durchdachte Planung verrät. Zusammen mit seinem Adjutanten, Lieutenant Robert McCabe, entstand eine Festung in „Diamant-Form“, wie man damals sagte. Erbaut wurden die Umfriedungsmauern und die inneren Gebäude von den Soldaten selbst. Es gab mehrere Artilleriebatterien, die die Nord- und Südseite abdeckten. Verwendet wurden wuchtige Kalksteinblöcke, die in einem in der Nähe angelegten Steinbruch geschlagen wurden. Die Soldatenquartiere bestanden aus Pinienholz – entlang der beiden Flüsse gab es dichten Waldbestand.

Die Festung unterschied sich in ihrer Architektur sehr von den provisorischen kleinen Forts, die normalerweise an der Wildnisgrenze errichtet wurden. Sie strahlt bis heute Macht und Stärke aus und war von Anfang an auf Dauerhaftigkeit angelegt. Es war offensichtlich, dass die USA mit Fort Snelling ihren Anspruch auf das gesamte westlich liegende Territorium verdeutlichen wollten. Die Versorgung erfolgte über den Mississippi und den Minnesota; die auch gegebenenfalls eine schnelle Verstärkung der Besatzung ermöglichten.

Snellings Absicht war es von Anfang an, die Festung autark zu machen, d. h. sie sollte Selbstversorger sein. Es ging ihm dabei auch darum, die Lebensverhältnisse für seine Soldaten in dieser Wildnisregion gesund zu gestalten. Er ließ Gärten für Obst und Gemüse, sowie Felder für Kartofeln und Mais in den Flussniederungen anlegen. Ferner schaffte er eine Rinderherde an – weise Entscheidungen, da die US-Regierung die Grenztruppen in der Regel nur unzureichend versorgte. Es entstand eine Getreidemühle, so dass in der Garnison täglich frisches Brot gebacken werden konnte.

Josiah Snelling war ein umfassend gebildeter, fast visionärer, aber auch sehr disziplinierter Offizier, der seine Garnison mit harter Hand führte. Angesichts der Tatsache, dass sein Posten sich weit außerhalb der Siedlungsgebiete der damaligen jungen Vereinigten Staaten befand, wäre ein anderer, lockerer Führungsstil kaum durchzuhalten gewesen. Außerhalb von Fort Snelling begann buchstäblich die Wildnis. Snelling suchte friedliche diplomatische Kontakte mit den hier lebenden Indianervölkern und verfolgte in Zusammenarbeit mit dem zuständigen Indianeragenten – Lawrence Taliaferro – die Politik, die Pelzhandelsfirmen im Umkreis des Forts zu ehrlichem Handel mit den Indianer zu zwingen, um den Frieden zu erhalten. Das machte beide Männer bei den Pelzhändlern nicht sonderlich populär. Taliaferro errichtete 1823 westlich des Forts ein Versammlungshaus, wo er regelmäßig Konferenzen mit den indianischen Führern abhielt und peinlich darauf achtete, das versprochene Regierungsleistungen pünktlich erbracht wurden und die Händler die gesetzlichen Regeln einhielten. Snelling und Taliaferro gelang es über Jahre, freundliche Kontakte mit den Ojibwe und Sioux aufrechtzuerhalten Beide Männer kannten sich aus dem Krieg gegen England und hatten Seite an Seite in der Schlacht von Fort Erie gekämpft; sie entwickelten ein freundschaftliches Verhältniss und vertraten die gleichen politischen Ansichten.

Abigail Snelling, die Frau des Kommandanten, richtete eine Sonntagsschule für die im Fort lebenden Kinder ein und knüpfte freundliche Kontaktke zur sogenannten „Red River Colony“, den Métis – Indianermischlingen –, die regelmäßig mit ihren Pelzen aus Kanada herunterkamen, um bei Fort Snelling Handel zu treiben.

Colonel Snelling führte das Fort bis 1827. Im letzten Jahr hatte er schwere gesundheitliche Probleme, die von den Militärärzten mit Opium (als Schmerzmittel) und Brandy behandelt wurden, was letztlich zu Alkoholismus führte. Im Oktober 1827 musste er sein Kommando aufgeben, zog mit seiner Familie nach Washington D.C. und starb hier am 20. August 1828. Zu dieser Zeit war Fort Snelling nicht nur eine Militäranlage, sondern eiin pulsierendes Handelszentrum geworden, die Keimzelle der heutigen Städte Minneapolis-St. Paul. Nachfolger als Kommandant von Josiah Snelling wurde General Zachary Taylor, später Präsident der USA.

Fort Snelling überlebte bis Ende des 2. Weltkrieges. Es war die Kommandozentrale während des Minnesota-Aufstands der Sioux. Im Bürgerkrieg wurden hier die Soldaten aus Minnesota ausgebildet. Während der letzten Phase der Indianerkriege wurden von hier aus die Truppen westlich des Missouri kommandiert. Im 2. Weltkrieg befand sich hier eine Ausbildungsstation für etwa 300.000 Rekruten. Danach zog ein Verwaltungszentrum für Kriegsveteranen in die alten Gebäude. Seit 1960 steht Fort Snelling unter Denkmalschutz.

Alle aktuellen Fotos von Fort Snelling/All new photos of Fort Snelling: Copyright (c) by Dietmar Kuegler


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2020Die aktuelle Ausgabe

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