Leit(d)artikel KolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Mary Katherine Horony-Cummings?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit Mary Katherine Horony-Cummings?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 2. November  starb unauffällig und unbeachtet eine kleine Frau in einem Altersheim in Prescott, Arizona. Sie wurde als MARY KATHERINE HORONY-CUMMINGS beerdigt. Kaum noch jemand wusste, dass sie einmal eine Western-Legende gewesen war. Zeitweise hatte sie viele Namen: Mary Horony, Kate Fisher, Kate Elder. In den 1870er und 1880er Jahren kannte man sie vor allem unter dem Namen „Big Nose Kate“; sie war die Geliebte von DOC HOLLIDAY.

Große Teile ihres Lebens sind bis heute spekulativ, weil sie ständig selbst widersprüchliche Geschichten erzählte und immer wieder unter Falschnamen auftrat.

Geboren worden war sie am 8. November 1850 als Katherine Horony in Pest, „Deutsch-Ungarn“ – wie man damals sagte. Sie war eines von 7 Kindern des Arztes Mihaly Horony. 1860 entschied Dr. Horony, in die USA auszuwandern. Im September des Jahres erreichte die Familie mit dem deutschen Schiff „Bremen“ New York. Zwei Jahre später eröffnete Horony in Davenport (Iowa), einer Stadt, die von deutschen Siedlern dominiert wurde, eine Praxis. Bereits 1865 starben im Abstand von nur etwa einem Monat beide Eltern. Ein Schwager, Gustav Susemihl, kümmerte sich zunächst um die Kinder. 1870 wurde diese Aufgabe dem Anwalt Otto Schmidt übertragen; da war Kate schon nicht mehr in Davenport. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Kinder von ihren Mündeln um einen Großteil ihres Erbes betrogen wurden.

Kate tauchte mit 16 Jahren in St. Louis auf. Hier lebte sie zeitweise in einem Ursulinen-Kloster und heiratete nach eigenen Angaben einen Zahnarzt. Nach der Geburt eines Sohnes, starben das Kind und der Vater am Gelben Fieber. Urkunden sind nicht aufzufinden. 1869 war sie als Prostituierte im Bordell von Madam Blanch Tribole registriert.

Junge, alleinstehende Mädchen hatten in jener Zeit an der Wildnisgrenze wenig Alternativen. Wenn sie nicht geheiratet wurden, konnten sie als Hausangestellte arbeiten, was meistens eine miserable Behandlung und schlechte Bezahlung bedeutete, als Näherin, Köchin und Wäscherin, oder als Prostituierte. 1874 stand Kate Horony, die sich jetzt „Kate Elder“ nannte, wegen Prostitution in Great Bend vor Gericht. Sie war in dieser Zeit auch als „sporting woman“ in dem Bordell von Bessie Earp in Wichita Dodge City (Kansas) registriert – der Frau von James Earp, dem ältesten Bruder des berühmten Wyatt.

1876 arbeitete Kate in einem Bordell in Fort Griffin (Texas). Hier traf sie im folgenden Jahr John Henry Holliday. Holliday bemerkte später, dass ihn nicht nur Kates Erscheinung, sondern vor allem ihre Intelligenz beeindruckt habe, mit der sie sich von anderen Prostitutierten unterschied. Sie stammte aus einer gebildeten bürgerlichen Familie, war belesen und beherrschte mehrere Sprachen.

Das Paar zog als „Mr. und Mrs. J. H. Holliday“ in eine Pension in Dodge City, Kansas. Holliday mietete einen Spieltisch und bot in dem Hotelzimmer seine Dienste als Zahnarzt an.

Es war eine turbulente Beziehung. Holliday war Alkoholiker und litt unter seiner Tuberkulose. Er und Kate lieferten sich ständig lautstarke Streitigkeiten, die manchmal in Handgreiflichkeiten ausarteten. Trotzdem konnten sie nicht voneinander lassen.

Kate Horony behauptete in späteren Jahren, sie und Holliday hätten in seiner Heimatstadt Valdosta (Georgia) geheiratet. Dokumente fehlen. Sie zogen durch einige der wildesten Boomtowns in Colorado und New Mexico. Zeitweise betrieben sie einen Saloon und eine Spielhalle. Holliday war auch immer wieder als Zahnarzt tätig. Kate arbeitete als Tanzhallengirl.

In New Mexico trafen sie wieder auf Wyatt Earp, den sie aus Dodge City kannten. Er war auf dem Weg nach Tombstone. Sein Bruder Virgil war Deputy US Marshal von Arizona. Holliday und Kate folgten.

Kate hatte Holliday einige Male aus gefährlichen Situationen gerettet. In Tombstone fühlte sie sich zunehmend vernachlässigt und wandte sich mehr und mehr dem Alkohol zu. Die kontroverse Beziehung zerbrach zeitweise, als sie in betrunkenem Zustand gegenüber dem County Sheriff Behan behauptete, Holliday sei an einem Postkutschenraub beteiligt gewesen. Die Affäre wurde geklärt, aber Kate Horony verließ für einige Monate die Stadt. Sie kehrte im Oktober 1881 nach Tombstone zurück – gerade rechtzeitig, um vom Fenster des gemeinsamen Zimmers in Fly’s Boarding House Zeugin der legendären Schießerei vor dem OK Corral zu werden.

Ihre Beschreibung der Ereignisse, gehört zu den detailliertesten Zeugenberichten. Nachdem Virgil Earp zum Krüppel geschossen und Morgan Earp ermordet worden war, begleitete Holliday Wyatt Earp auf seinem Rachefeldzug, dem berüchtigten „Vendetta Ride“. Kate verließ Tombstone. Sie tauchte zeitweise in Kalifornien auf, hatte Kontakt mit den Earps, und traf Holliday angeblich 1887 noch einmal in Colorado. Holliday erlag seiner Tuberkulose am 8. November 1887 in Glenwood Springs. Kate lebte zu dieser Zeit mit einem Schmied namens George Cummings zusammen, den sie 1890 heiratete. Beide zogen schließlich in die Minenstadt Bisbee (Arizona), wo sie eine Bäckerei betrieben. Cummings verfiel zunehmend dem Alkohol. Um 1900 trennte sich das Paar in Willcox (Arizona).

Kate Cummings arbeitete zunächst als Hotelangestellte in Dos Cabezas. Hier lebte sie mit dem Minenarbeiter John J. Howard zusammen. 1910 ist sie im Volkszählungsregister aufgeführt.

Ihr Ehemann erkrankte 1915 an Kiefernkrebs und beging Selbstmord. Kate erbte seine Hinterlassenschaften. 1930 starb John Howard. Kate wurde Verwalterin seines Nachlasses.

1931, inzwischen 81 Jahre alt, nahm Kate Verbindung mit einem alten Freund auf, dem Gouverneur von Arizona, George Hunt. Hunt hatte als junger Mann als Kellner in Saloons gearbeitet; vermutlich datierte die Bekanntschaft in diese Zeit. Er war sofort bereit, ihr zu helfen und arrangierte, dass sie in das “Arizona Pioneers Home” in Prescott einziehen konnte, ein 1910 gegründetes Altersheim für verarmte frühe Siedler und Minenarbeiter.

Gegen Ende ihres Lebens gab sie in wenigen Interviews Auskunft über ihre Zeit mit Doc Holliday. Viele Angaben über ihr eigenes Leben als junges Mädchen blieben aber dubios.

Am 2. November 1940 starb Kate Horony Cummings (evtl. Holliday) an Herzversagen und nahm so manches Geheimnis über das, was sie in der wilden Pionierzeit erlebt und gesehen hatte, mit ins Grab.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2020Die kommende Ausgabe

Der Gästezugang für Kommentare wird vorerst wieder geschlossen. Bis zu 500 Spam-Kommentare waren zuviel.

Bitte registriert Euch.

Leit(d)artikelKolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Wir verwenden Cookies, um Inhalte zu personalisieren und die Zugriffe auf unsere Webseite zu analysieren. Indem Sie "Akzeptieren" anklicken ohne Ihre Einstellungen zu verändern, geben Sie uns Ihre Einwilligung, Cookies zu verwenden.