Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit dem Angriff auf Trenton?
Wie war das mit dem Angriff auf Trenton?
: “Washington kreuzt den Delaware-River“ ist sicher eines der berühmtesten Gemälde, das ein Ereignis der amerikanischen Revolution thematisiert. Nach Überquerung des Delaware griff die amerikanische Continental Army am 26. Dezember 1776 – vor 244 Jahren – die britische Garnison Trenton (New Jersey) an, in der ca. 1.400 Soldtruppen aus Hessen-Kassel standen. Die Amerikaner schätzten diese Einheiten als leistungsfähiger ein als die britischen Soldaten.
Washingtons Armee befand sich zu dieser Zeit in einem kritischen Zustand. Die Versorgung war schlecht. Zum Jahresende liefen die Rekrutierungsverträge vieler Soldaten aus, von denen sich nur wenige länger verpflichten würden. Die Anwerbung frischer Truppen verlief schleppend. Washington brauchte dringend einen Erfolg, um seine Truppen zu motivieren.
Angesichts dieser Probleme und der starken britischen Präsenz fürchtete Washington, dass es einen Angriff auf Philadelphia geben würde, die vorläufige Hauptstadt der abtrünnigen Kolonien. Er rechnete mit einer entsprechenden Bewegung, wenn der Delaware zufror und die Truppen über das Eis marschieren konnten.
Washington war andererseits sicher, dass die Briten nicht mit einer Aktion der Amerikaner rechnen würde, schon gar nicht an Weihnachten. Er wollte ihnen zuvorkommen.
Washington plante eine simultane Flußüberquerung von drei Armeekolonnen. Die ersten beiden Gruppen sollten Trenton angreifen, die dritte sollte als Nachhut den Rücken der vorstoßenden Einheiten schützen.
Es gibt eine Reihe von Tagebüchern und Briefen, die die sehr schwierige Überquerung des eisigen Flusses erwähnen. Der übrige Ablauf der Aktion ist nur in wenigen Quellen beschrieben. Den Angriff auf Trenton wollte Washington selbst führen.
Einige enthusiastische Historiker haben diesen Vorstoß mit der Landung der Alliierten in der Normandie im 2. Weltkrieg verglichen – das ist natürlich Unsinn. Das Landeunternehmen an der französischen Küste hatte in keiner Weise Ähnlichkeiten mit der Flußüberquerung einer Miliz-Armee im 18. Jahrhundert. Gleichwohl muss man anerkennen, dass die Kreuzung des Delaware in der Tat eine bemerkenswerte Leistung war – eben weil die Continental Army im Vergleich mit ihren britischen Gegnern im Grunde aus Amateuren bestand und nur über eine marginale militärische Ausbildung verfügte.
Der Delaware war wohl zwischen 250 und 300 m breit und zwischen 1,50 und 2 m tief. Die Strömung war stark. Der Fluss bildete schon damals die Grenze zwischen New Jersey und Pennsylvania. Zur Zeit des Krieges gab es zwei Fähren, die den Handels- und Personenverkehr zwischen den Kolonien, resp. Staaten bedienten. Sie wurden nach ihren Besitzern, McKonkey und Johnson benannt. Bei den Fähren handelte es sich um Flachboote von etwa 15 m Länge und 4 m Breite. Sie konnten auch schwere Frachtwagen mit Pferde- oder Ochsengespannen transportieren. Diese Boote waren an Metallkabel gehängt und wurde mit Tauen, die zwischen Pollern an beiden Ufern gespannt waren, hin und her gezogen. Unter Umständen wurden auch Winden eingesetzt, die von Pferden bewegt wurden. Diese Fähren wurden auch „Durham Boats“ genannt, nach Robert Durham, der seit 1757 eine Fabrik in Riegelsville (Pennsylvania) betrieb, in der diese Boote, Eisenkabel und Winden gebaut wurden. Seltsamerweise gibt es keine eindeutige Dokumentation. Wie auch immer – es gab einen ständigen Güterverkehr auf dem Delaware; Schätzungen gehen von mindestens 40 bis 100 Flachbooten aus, die Washington für die Überquerung des Flusses nutzen wollte.
Durham-Boote waren auch bei Eisgang einsetzbar und imstande, sich einen Weg durch Treibeis zu bahnen. Washington gab am 1. Dezember 1776 Befehl an Colonel Richard Humpton, alle verfügbaren Durham-Boote zu requirieren: „Sie werden die beiden Fähren in der Nähe von Trenton und alle Boote, die in einsatzfähigem Zustande sind, sowie Ruderer und Pfähle sammeln, die oberhalb oder unterhalb der Fährstationen liegen. Verbringen Sie diese Boote zu den Fährstationen und bereiten Sie sie darauf vor, Mannschaften und Ausrüstung zu transportieren.“
Die logistische Planung war, die amerikanischen Truppen über den Fluss zu bringen und nach dem Angriff auf Trenton umgehend wieder zurück nach Pennsylvania zu schaffen, wobei davon ausgegangen wurde, auch Beute und Gefangene zu befördern.
Die tatsächliche Zahl der eingesetzten Fahrzeuge ist nicht zweifelsfrei dokumentiert. Die Vorhut sollten 177 Offiziere und Soldaten der 14. Continental-Infanterie bilden. Diese Männer waren offenbar erfahrene Flußschiffer aus New Jersey und Pennsylvania. Ferner wurde die 27. Continental Infantery unter Major Ezra Putnam eingesetzt, sowie eine Kompanie der Philadelphia-Artillerie. Mit dieser Mannschaft wurden 18 Kanonen über den Fluß gesetzt. Auch diese Mannschaften kannten sich mit Fährbooten aus.
Nach anfänglich ruhigem Wetter, wurde es kurz vor Weihnachten stürmisch. Die Temperaturen fielen unter Null. Washingtons Artileriekommandant, Henry Knox, notierte: „Die Eisbewegungen stellten eine Herausforderung dar, insbesondere an den Ufern, wo wir das Eis für die Anlandung der Boote brechen mussten. Die Mannschaften kämpften die ganze Nacht dagegen an – sie waren erfolgreich.“ Das war am 25. Dezember. Am 26. gab es Eisregen und Schnee. Die Truppen näherten sich den Booten am Weihnachtstag von mehreren Seiten. Insgesamt waren es 28 Infanterie-Regimenter, 7 Artilleriekompanien und 1 Kompanie Kavallerie (Philadelphia Light Horses). Man schätzt die Gesamtstärke auf 2.400 Mann. (Einige Quellen sprechen von bis zu 4.500 Soldaten, aber das ist viel zu hoch gegriffen.) Henry Knox schrieb in einem Brief an seine Frau von 2.500 bis 3.000 Mann, die über den Fluß gesetzt wurden.
Die meisten Berichte erwähnen, dass Washington selbst in einem der ersten Boote schon am frühen Abend des 25. Dezember den Delaware überquerte. Sein Boot wurde von Captain William Blackler kommandiert.
Das schlechte Wetter behinderte die Aktion. Washington hatte gehofft, dass seine Armee um Mitternacht in New Jersey sein würde. Das erwies sich als unrealistisch. Allein der Transport der Trossfahrzeuge und der Artillerie nahm mehr Zeit in Anspruch. So war die Streitmacht erst nach etwa 11 Stunden am frühen Morgen des 26. Dezember auf dem New Jersey-Ufer. Ein Soldat war von einem der Boote gestürzt und ertrunken.
Kurzfristig überlegte Washington, die Aktion wegen des widrigen Wetters abzubrechen, verwarf diese Bedenken aber. John Greenwood, ein 16jähriger Soldat, der nach dem Krieg Zahnarzt wurde, schrieb in seinen Erinnerungen: „Der Lärm der Soldaten, die übersetzten und Wege durch das Treibeis bahnten, das Rasseln der Kanonen auf dem gefrorenen Boden und die positive Stimmung meiner Kameraden waren eine Ermutigung, die kaum zu beschreiben ist.“
Die amerikanischen Truppen marschierten 10 Meilen und überrannten die Garnison von Trenton, wo viele Soldaten nach einer ausgiebigen Weihnachtsfeier noch schliefen. Sie nahmen über 900 hessische Söldner als Kriegsgefangene und kehrten mit denselben Booten über den Delaware zurück nach Pennsylvania. Die Aktion bedeutete einen enormen moralischen Auftrieb für die entmutigten amerikanischen Truppen. Gefolgt von der für die Amerikaner erfolgreichen Schlacht von Princeton am 3. Januar 1877, beeinflusste sie den Fortgang des Krieges.
Angeblich erhob sich 1781 der britische General Lord Cornwallis beim gemeinsamen Abendessen mit Washington in Yorktown nach der Kapitulation seiner Truppen und rief Washington zu:
„Wenn der glanzvolle Anteil, den Eure Exzellenz an diesem langen und schweren Kampf gehabt hat, Geschichte geworden ist, wird Euer Ruhm eher aufgrund der Ereignisse an den Ufern des Delaware begründet werden als an denen der Chesapeake Bay.“
Ob Cornwallis diesen Toast wirklich gesprochen hat, ist nicht sicher. Aber wenn es so war, war seine Einschätzung richtig.
Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de