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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit dem National Cowboy Day?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit dem National Cowboy Day?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Der 4. Sonnabend im Juli ist in den USA NATIONAL COWBOY DAY. Damit wird eine amerikanische Ikone geehrt, die weltweit als amerikanisches Symbol gesehen wird. Dabei entwickelte sich diese Anerkennung erst spät, und sie war und ist von überwältigenden Stereotypen geprägt. Die Realität des Cowboys ist schon seit einem Jahrhundert kaum noch sichtbar.

Die amerikanische Allgemeinheit nahm den Cowboy erst im Spätsommer 1867 zur Kenntnis, als die ersten Rinderherden in der kleinen Stadt Abilene in der Kansas-Prärie eintrafen. Nach knochenbrechenden Trails aus Texas, durch die Staubschüsseln Oklahomas, durch Hurikane, Tornados und andere mörderische Unwetter, nach Stampeden und Kämpfen mit Banditen und Indianern, durch reißende Flüsse und ausgedörrte Wüsten.

Diese Cattle Trails machten den Cowboy zur Legende. Als sie als Verlierer aus dem blutigen Bürgerkrieg nach Texas zurückkehrten, lag die Viehwirtschaft des Staates am Boden. Die großen Rancher hatten keine Wahl: Sie mussten ihre Rinder dorthin bringen, wo sie etwas wert waren. Der Viehhändler Joseph McCoy entwickelte das winzige Nest Abilene zum Verladezentrum für Longhorns. Und dann kamen die Herden aus dem Herzen von Texas. 1867 bereits über 35.000 Rinder, im Jahr darauf 150.000. Die Cowboys sorgten für einen beispiellosen Wirtschaftsaufschwung in Texas. Sie wurden zum Mythos.

Ihre Lebensart, ihr Lebenskodex, ihr Habitus – vieles davon war eine freie Erfindung, aber es entwickelte sich ein Image, das geradezu überlebensgroß wurde und die eher triste Realität in den Schatten stellte.

Nicht alles war Klischee. Die pittoreske Kleidung, die großen Hüte, die klingenden Sporen, die schweren Revolver im Gürtel wirkten stilbildend. Die lakonische Sprache, die schlichte, aber gradlinige Denkungsart faszinierten. Das hat sich bis heute nicht geändert.

„Cowboys“ wurden schon die Rinderhirten um 1.000 n. Chr. in Irland genannt. In den Weidegebieten von Texas wurden ihr Leben und ihre Arbeitsmethoden vom mexikanischen Vaquero beeinflusst. Viele Fachausdrücke des Cowboy-Alltags wurden aus der spanischen Sprache übernommen.

Im industrialisierten Norden und Osten der USA sorgten diese sonderbaren Gestalten für Faszination vom abenteuerlichen Leben. Sie waren die „Könige“ der Weiden.

Die glanzlose Seite des Cowboylebens wurde nicht gesehen: Die schwere Arbeit und das primitive Leben verbrauchten die körperliche Kraft dieser Männer früh. Schwere Verletzungen bei Arbeitsunfällen, Infektionen, Vergiftungen, Wundbrand – das gehörte zum alltäglichen Risiko. Arbeitstage von 16 oder 18 Stunden in Sonne Schnee und Regen. Geringer Lohn, gerade mal 30 oder 40 Dollar im Monat. Bei Krankheit und Invalidität blieb der Cowboy auf sich gestellt. Arbeitslosigkeit und Hunger in den Wintermonaten, in denen viele in die Kriminalität abrutschten.

Cowboys starben früh oder waren körperlich mit vierzig Jahren verbraucht. Ihre große Zeit, in der sie zu amerikanischen Idolen wurden, war Mitte der 1880er Jahre vorbei, weil die Eisenbahn ihre Gleise bis in die entlegensten Winkel des Landes gebaut hatte und die großen Trails zu Ende gingen. Aber das Bild dieser „Ritter der Weide“ in den „Cattle Kingdoms“, den Rinderkönigreichen, blieb unbefleckt. Sie wurden zu Vertretern von Eigenschaften, die frustrierte Städter sich wünschten: Die Verachtung von materiellem Reichtum, die Verachtung bürgerlicher Regeln, Individualität, das bedingungslose Einstehen für Recht, Ehre und Stolz – alles idealisierte Übertreibungen, aber immer mit einem Anteil Wahrheit.

Insgesamt gab es in der Pionierzeit nur etwa 25.000 Cowboys, aber sie prägten ein Generationenerbe, das sich bis heute gehalten hat. Sie stehen noch heute für die Sehnsucht nach einem Stückchen Wildnis, in dem das Leben noch nicht verplant ist und nur die Grenzen gelten, die sich jeder Mensch selbst setzt. Freiheit ist Risiko – und dieses Risiko nahmen sie mit aller Konsequenz an.

Noch heute repräsentieren Cowboys den großen Traum vom Leben im Sattel, obwohl ihre soziale und wirtschaftliche Situation nicht wesentlich besser ist als die ihrer Vorfahren.

Und schon seit Jahrzehnten ist nicht mehr Texas die Heimat des Cowboys. Die meisten Rinderzuchtbetriebe und die meisten Cowboys gibt es heute in Wyoming, Montana und den Dakotas.

HAPPY NATIONAL COYBOY DAY!


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2021Die aktuelle Ausgabe

 

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