Leit(d)artikel KolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit William J. Brady?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit William J. Brady?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 1. April 1878 – vor 144 Jahren – kam es zu einem dramatischen Ereignis in New Mexico, dass vermutlich entscheidend dafür war, dass das Schicksal des blutjungen BILLY THE KID endgültig besiegelt war. An jenem Tag starb der Sheriff des Lincoln County, WILLIAM J. BRADY, in der staubigen Mainstreet der Bezirkshauptstadt Lincoln im Kugelhagel.

Brady ist in New Mexico nicht in bester Erinnerung. Nicht wenige Menschen sind bis heute der Meinung, dass er diesen gewaltsamen Tod verdient hatte. Er nahm zweifellos Geld von den Inhabern des sogenannten „Santa-Fe-Rings“, einer Gruppe von Geschäftsleuten und Politikern, die sich in New Mexico die profitabelsten Geschäfte unter den Nagel rissen. Der Sheriff gehörte zu ihren verlässlichen Leuten, die ihnen den Rücken freihielten und dafür sorgten, dass es nicht zu Untersuchungen ihrer dubiosen Machenschaften kam.

William J. Brady wurde am 16. August 1829 in Irland geboren. Seine Eltern waren arme Kartoffel-Farmer, die sich als Landpächter mehr schlecht als recht durchschlugen. Als sein Vater 1846 starb, war Brady praktisch das Oberhaupt der Familie. In Irland herrschte in diesen Jahren Hungersnot. Die Bradys konnten die Pachtraten bald nicht mehr aufbringen. Das englische Parlament ignorierte eine Petition der irischen Farmer. Im Juli 1851 sah Brady keine Zukunft mehr in seiner Heimat, packte seine wenigen Habselligkeiten und wanderte in die USA aus. Wie viele junge Einwanderer, fand er zunächst keine geeignete Arbeit, also meldete er sich zum Militär. Das garantierte ihm ein geringes Einkommen, ein Dach über dem Kopf, warme Mahlzeiten und eine kostenlose Reise nach Westen an die Indianergrenze. Er wurde der Kompanie F im 1. Regiment der „Mounted Rifles“ (Kavallerie) zugeordnet. Brady stand mit seiner Kompanie 5 Jahre lang in Fort McIntosh bei San Antonio (Texas). Hier diente er sich zum Sergeant hoch. 1856 verpflichtete er sich erneut.

Sergeant Brady wurde nach Fort Craig (New Mexico) versetzt. Er sah einige Einsätze gegen kriegerische Navajo und Apache. Danach wurde er in Fort Union (östlich von Santa Fe) stationiert und führte Landvermesserpatrouillen.

Captain Andrew Potter, Kommandant von Kompanie F, schrieb über ihn: „Ein pflichtbewusster, exzellenter Soldat, ehrenwert und nüchtern.“

Anfang 1861 verschärfte sich die Situation im amerikanischen Südwesten, weil der Ausbruch des Bürgerkrieges erwartet wurde. Genau zu dieser Zeit lief Bradys zweite Verpflichtung in der US-Armee aus. Er wurde in Fort Craig ehrenhaft entlassen, entschied sich aber, im Militärdienst zu bleiben und New Mexico gegen die konföderierte Bedrohung zu verteidigen.

Schon in der regulären Armee war Brady die Ausbildung zum Offizier angeboten worden. Am 19. August 1861 trat er in die 2. New Mexico Infantry ein, ein Freiwilligenregiment, das in Albuquerque aufgestellt wurde. Hier wurde er zum First Lieutenant befördert, ein Rang, der vom Kriegsministerium in Washington bestätigt wurde. Sein ehemaliger Regimentskommandeur, Colonel Porter, schrieb über ihn: „Ein exzellenter, tapferer, ehrenhafter Soldat.“

Brady war an der Schlacht am Glorietta Pass beteilligt, die häufig als „Gettysburg des Südwestens“ bezeichnet wird und bei der die Konföderierten zurückgeschlagen wurden. Danach ging sein Regiment in der 2. New Mexico Freiwilligen-Kavallerie auf.

1862 heiratete er die Mexiko-Amerikerin Maria Bonifacia Chavez. Dokumente darüber gibt es nicht. Vermutlich war es eine sogenannte „Common Law“-Ehe – das war eine Lebensgemeinschaft ohne Trauschein, die in vielen Staaten der USA noch heute offiziell anerkannt wird. Zeitweise war Brady Kommandant von Fort Stanton im Lincoln County. Im Oktober 1866 wurde er mit dem Rang eines Majors aus der Armee entlassen. Er und seine Frau ließen sich als Kleinrancher am Rio Bonito nieder, wenige Meilen von der County-Hauptstadt Lincoln entfernt. Am 6. September 1869 wurde er zum ersten Sheriff des Lincoln Countys gewählt. Bereits 1871 zog Brady als Abgeordneter in das Territoriums-Parlament von New Mexico ein und legte seinen Stern nieder. Bei der nächsten Parlamentswahl verlor er sein Mandat. Er kandidierte 1876 erneut als Sheriff und wurde abermals gewählt.

Seine Amtsführung war von Anfang an umstritten. Seine Beziehungen zu den dubiosen Machenschaften des „Santa-Fe-Rings“ waren kein Geheimnis. Jeder im Lincoln County wusste, dass Brady die Drahtzieher des „Rings“ schützte. Bei dem „Santa Fe Ring“ handelte es sich um Personen, die versuchten, geschäftliche Monopole in dem noch ungeordneten Territorium New Mexico aufzubauen. Sie sicherten sich Lieferverträge für die Indianerreservationen und die Versorgung der Armee. Sie versuchten, Konkurrenten mit Gewalt zu verdrängen. Sie hielten auch das lukrative Frachtgeschäft in den Händen, mit dem sie faktisch das gesamte Lincoln County beherrschen konnten.

Brady hatte sich auf die Seite dieser Fraktion geschlagen und erhielt dafür zweifellos seinen Lohn. Die Hintermänner des „Santa-Fe-Rings“ waren ebenfalls irischer Abstammung. Zudem hatte Brady sich von ihnen Kredite geben lassen. Damit war er von ihnen abhängig.

Als der Engländer John Tunstall zusammen mit seinem Freund Alexander McSween eine Konkurrenz aufbaute, versuchte Brady, ihnen als Sheriff das Leben schwer zu machen. Bereits im Frühling 1877 wurde Brady in der Mitte von Lincoln von zwei Männern überfallen und verprügelt. Er vermutete, dass es sich um Cowboys der Tunstall-Ranch gehandelt habe. Die Situation verschärfte sich. Tunstall wurde im Februar 1878 von Männern des Santa-Fe-Rings erschossen, beteiligt waren Deputy Sheriffs von Brady. Am 1. April 1878 lauerten Billy the Kid und 5 seiner Kumpane dem Sheriff auf, um Rache zu nehmen. Brady schritt mit 4 seiner Deputies die Mainstreet hinunter, als zahlreiche Schüsse krachten. Der Sheriff starb an 12 Wunden aus einer Schrotflinte. Sein Deputy George Hindman wurde ebenfalls tödlich getroffen. Als Billy the Kid und Jim French zu den Opfern liefen, richtete sich der verletzte Deputiy Billy Matthews auf und eröffnete das Feuer mit seinem Karabiner. Er traf die beiden Männer in die Beine. The Kid und Jim French konnten dennoch entkommen.

Der 48jährige Brady wurde zunächst durch den neutralen John Copeland ersetzt. Die Hintermänner des Santa Fe Rings schafften es jedoch, erneut einen ihrer Leute, George Peppin, zum Sheriff zu machen. Bei der folgenden Wahl unterstützte der Großrancher John Chisum den ambitionierten Pat Garrett, der zum Sheriff gewählt wurde und letztlich Billy the Kid zur Strecke brachte.

Zuvor war Billy the Kid von einem Gericht in Mesilla wegen Mordes an Sheriff Brady und Deputy Hindman zum Tode verurteilt worden. Ihm gelang eine spektakuläre Flucht aus dem Gefängnis von Lincoln, wobei er weitere zwei Deputies tötete.

William Brady und Deputy Hindman wurden außerhalb der Stadt Lincoln auf privatem Ranchland bestattet. Brady hinterließ seine Frau und 6 Kinder. Die letzte Tochter Anita starb 1963.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2020Die aktuelle Ausgabe

Der Gästezugang für Kommentare wird vorerst wieder geschlossen. Bis zu 500 Spam-Kommentare waren zuviel.

Bitte registriert Euch.

Leit(d)artikelKolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Wir verwenden Cookies, um Inhalte zu personalisieren und die Zugriffe auf unsere Webseite zu analysieren. Indem Sie "Akzeptieren" anklicken ohne Ihre Einstellungen zu verändern, geben Sie uns Ihre Einwilligung, Cookies zu verwenden.