Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit der Schlacht von Big Hole?
Wie war das mit der Schlacht von Big Hole?
: Am 9. und 10. August 1877 – vor 145 Jahren – fand in Montana einer der bemerkenswertesten Indianerkämpfe statt, die SCHLACHT VON BIG HOLE. Sie war Teil der sogenannten „Nez Perce-Kampagne”. Sie trug maßgeblich zu der großen Legende bei, die sich um die Flucht der Nez Perce, oder besser um den führenden Kopf dieses Volkes, Chief Joseph, rankte.
Die Nez Perce gehörten zum Kulturareal der Plateau-Indianer. Sie waren den weißen Kolonisten grundsätzlich mit Sympathie entgegengetreten. Auch aus diesem Grund war die Behandlung, die ihnen 1877 zuteil wurde, eine große Ungerechtigkeit. Die vollständige Hintergrundgeschichte würde in diesem Facebook-Beitrag zu weit führen. Entscheidend war, dass die Führung des Volkes entschied, sich dem Druck der amerikanischen Armee und Verwaltung nicht zu beugen und in eine für sie nicht akzeptable Reservation zu ziehen, sondern ihre Heimat freiwillig zu verlassen. Es begann eine erbitterte Verfolgungsjagd durch den gesamten amerikanischen Nordwesten. Mehrere Einheiten der US-Armee, geführt von General O. O. Howard, folgten den Indianern durch das Montana-Territorium. Es gab mehrere Zusammenstöße, die die Nez Perce jeweils für sich entschieden. Obwohl ihre Lage zunehmend verzweifelter wurde, gaben sie nicht auf. Sie vermieden weitgehend Konflikte mit den weißen Siedlern Montanas, trieben sogar Handel auf weißen Trading Posts.
Ohne zu wissen, wo sich die Nez Perce befanden, verließ Colonel John Gibbon mit 161 Mann Infanterie Anfang August 1877 Fort Shaw. Ihm schlossen sich 45 Zivilisten an. Sie marschierten ins Bitterroot Valley Am 8. August entdeckte eine Patrouille unter Lieutenant James Bradly die New Perce am Nordarm des Big Hole River. Colonel Gibbon befahl daraufhin einen Nachtmarsch seiner Einheiten, um das Lager im Morgengrauen anzugreifen. Er gab den Befehl, im Falle eines Kampfes keine Gefangenen zu machen.
Das Lager der Nez Perce bestand aus 89 Zelten. Die Armee erreichte das schlafende Camp im Morgengrauen. Die Soldaten drangen in das Lager ein und eröffneten das Feuer. Die Indianer wurden überrascht und ergriffen zunächst die Flucht. Gibbons Truppe feuerte unterschiedslos auf Männer, Frauen und Kinder. Aber die Nez Perce leisteten sofort Widerstand. Mehrere Soldaten wurden getroffen. Lieutenant James Bradley, der das Lager als erster entdeckt hatte und den linken Flügel von Gibbons Trupps führte, wurde erschossen. Damit geriet der linke Flügel in Konfusion; das Vorrücken dieser Einheiten wurde unterbrochen. Der nördliche Teil des Dorfes wurde nicht mehr attackiert. Da gab den Nez Perce die Chance, sich neu zu sammeln.
Gibbon erkannte, dass die Angriffsordnung seiner Einheit durcheinander geriet. Er befahl, Feuer an die Zelte zu legen. Das erwies sich als schwieriger als gedacht. Die Krieger hatten sich inzwischen gefasst und folgten den Anweisungen der Häuptlinge White Bird und Looking Glass. Sie nahmen Deckung und erwiderten die Schüsse der Soldaten. Colonel Gibbon wurde am Bein verletzt. Nach etwa 20 Minuten geriet er zunehmend in die Defensive. Er befahl den Rückzug über den Fluss in ein bewaldetes Hügelland, von wo aus er das Dorf überschauen konnte. Hier gruben sich die Soldaten ein und errichteten aus Steinen und Baumstämmen Barrieren.
Gibbons Nachhut rückte mit einer Kanone an, schleppte diese eine Anhöhe hoch und gab mehrere Schüsse ab, die alle fehlgingen. Die Indianer stürmten die Anhöhe und töteten und verwundeten die Artilleristen. Wer überlebte, ergriff die Flucht.
Gibbon war inzwischen überzeugt, dass er den Nez Perce zahlenmäßig unterlegen war – eine Fehleinschätzung. Die Nez Perce wurden einfach besser geführt und kämpften mit größerer Entschlossenheit. Chief Ollokot – der Bruder von Chief Joseph – sammelte mit etwa 60 Kriegern die Waffen und Munition ein, die die flüchtenden Soldaten zurückgelassen hatten. Sie setzten die Prärie in Brand, um die Armee zu vertreiben, aber das Feuer erstarb. Inzwischen hatten die Frauen der Nez Perce die wertvolle Pferdeherde gesammelt und trieb sie etwa 18 Meilen nach Süden, wo sie am Lake Creek ein neues Lager errichteten.
Die Munition der Armee ging zur Neige. Die Soldaten hatten in ihren Deckungen weder Wasser noch Essen. Die zivilen Unterstützer gaben auf und ritten davon. Gibbon schickte Kuriere zu General Howards Armee und flehte um Verstärkung.
Den ganzen 10. August zwangen Scharfschützen der Nez Perce die Soldaten in ihre Deckungen, so dass die indianischen Familien sicher abziehen konnten.
Beide Parteien entrichteten einen vergleichsweise hohen Blutzoll. Als Howards Verstärkung eintraf, war Gibbon nicht mehr imstande, die Indianer weiter zu verfolgen. Er hatte 29 Gefallene und 40 Verwundete. Auch die Nez Perce hatten Opfer zu beklagen. Diese sind nur zu schätzen. Man geht von etwa 33 gefallenen Kriegern aus. Weitere Tote waren Frauen und Kinder. Ein Nez Perce berichtete später, dass tatsächlich nur 12 Krieger fielen, während die anderen Opfer Frauen und Kinder waren. Trotz des Erfolgs in der Schlacht, zählten die Verluste in Menschen für die Nez Perce weitaus mehr als die Verluste der Armee.
Im amerikanischen Osten, wo zu dieser Zeit eine große Sympathie für die Nez Perce herrschte, gab es öffentliche Proteste gegen diesen Feldzug. Die Presse schrieb über Chief Joseph als den „roten Napoleon“, der die US-Armee demütigte. Tatsächlich war Joseph der Friedenshäuptling des Stammes, der Diplomat. Die erfolgreichen Führer der Krieger, die der Armee eine Niederlage nach der anderen zufügten, waren Looking Glass, Ollocot und White Bird. Aber der Mythos vom erfolgreichen Schlachtenlenker blieb Joseph bis ins 20. Jahrhundert. Vermutlich, weil er am Ende der letzte Führer war, der die bittere Kapitulation am Bear Paw Schlachtfeld unterzeichnen musste.
Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de