"Warum verschwendest du deine Zeit mit so einem Blödsinn? Das ist doch utopisch!"
Tja, ich denke, diesen Satz oder etwas sehr Ähnliches hat jeder von uns schon mindestens einmal gehört. Für gewöhnlich von jemandem, der mit Sorge betrachtet, wie der Sohn/die Tochter/der Neffe/die Nichte irgend etwas augenscheinlich Nutzloses in den Mittelpunkt ihres Lebens rücken.
Also dahin, wo nach Ansicht reifer und gefestigter Persönlichkeiten doch hauptsächlich ein ordentlicher Schulabschluß, ein sicherer Ausbildungs- und Arbeitsplatz und nicht zuletzt ein Bausparvertrag hin gehören.
Ich kann da natürlich auch nur meine persönliche Antwort geben, von der ich allerdings annehme, dass sie für den einen oder die andere unter den geneigten Lesern auch zutrifft. Ich möchte, dass der Autor mich mitnimmt an Orte, wo ich noch nie war, mir Dinge zeigt, die nie zuvor ein Mensch gesehen hat, und Worte findet, um das Unvorstellbare zu beschreiben. Er oder sie soll mich wieder wie einen kleinen Jungen staunen lassen. Das ist das, was ich als den vielgerühmten Sense of Wonder empfinde: das Lokalkolorit der Phantastik. Und das ist der Anteil, den ich bei einigen Science Fiction-, Fantasy- und Horrorautoren finden kann - während er im Western oder im Krimi ganz unter den Tisch fällt.
Ganz am Anfang, im zweiten Perry Rhodan-Heftroman, wandten sich die Autoren K.H. Scheer und Clark Darlton an den Leser und versprachen, in dieser Hinsicht ein ganz großes Faß aufzumachen (gefunden als Reproduktion im Buch zum Weltcon 2011):
Perry Rhodan, der Erbe einer galaktischen Großmacht, ist Forscher, Raumpilot und fanatischer Verfechter des Gedankens an eine vereinte und starke Erde. Mit ihm beschreitet die Menschheit einen Weg, dessen Ende nicht abzusehen ist. Er führt hinein in die vor uns liegenden Jahrtausende und über Abgründe hinweg zu Sternenreichen, die seit Millionen von Jahren auf uns warten. Er führt in eine Zeit, in der die Nachkommen der Menschen von der Erde nur noch wie von einem Mythos reden und ein vereinsamter Planet um eine längst erloschene Sonne kreist, die einst Mittelpunkt des Universums war.
Allerdings brachte nicht jeder Autor diesen Sense of Wonder im gleichen Maße zustande. H.G. Ewers zum Beispiel konnte sehr kosmisch schreiben, wenn er mal die verbeulte Kaffeekanne aus dem Spiel ließ; sein "Der Mann aus Haiti" brachte mich 1982 wieder zurück zu Perry Rhodan. Thomas Zieglers Beschreibung von Kazzenkatts Rapport beim Herrn des Dekalogs in PR 1185 war großes Kino, und Ernst Vlceks Doppelband "Devolution"/"Schule der Helden" hat einen Ehrenplatz in meiner Erinnerung. Die Beschreibung, wie der schon erwähnte Herr des Dekalogs sich unter dem Einfluß einer Porleyterwaffe schrittweise von der kosmischen Entität zurückentwickelt zum genialen Individuum, zum barbarischen Krieger, zum Primaten und den ganzen Weg zurück bis zum Einzeller ... Holla! Peter Terrid hat es beispielsweise in "Der Tag des Zorns" heftig krachen lassen, und da gäbe es noch viele andere Romane. Andererseits gibt es auch Hefte, die ich nach einmaliger Lektüre weggepackt habe mit dem stillen Schwur, sie nie, nie, niemals wieder in die Hand zu nehmen. Auch dafür könnte ich Autoren nennen, aber: De mortuis nil nisi bene.
Aus der aktuellen Autorenriege sind meines Erachtens Wim Vandemaan und Uwe Anton die Männer fürs Kosmische. Das soll nicht etwa heißen, dass die anderen Autoren kein Händchen dafür hätten; sie kommen bei diesen Themen nur seltener zum Einsatz.
Der Sense of Wonder ist aber ein sensibles Pflänzchen, bei dem das Patentrezept "Viel hilft viel!" eher schadet als nützt.
Ein Unsterblicher von Wanderer ist ein Mysterium - als eine Superintelligenz unter vielen macht ES plötzlich nicht mehr so viel her.
Ein Zyklus in einer benachbarten Galaxis ist eine tolle Sache -wenn die Terraner jedoch andauernd immer noch viel weiter weg von daheim den Kosmos in Ordnung und den Müll wegbringen müssen, nutzt sich das alles ab.
Und wenn Zeitreisen erst mal in den Bereich siebenstelliger Jahreszahlen vorstossen müssen, dann ist auch an dieser Front irgendwann die Luft 'raus ...
- Das Con-Buch zum Perry Rhodan-Weltcon 2011 in Mannheim/hrsg. von Klaus N. Frick und Elke Rohwer. - Pabel-Moewig . Rastatt, 2011. - (ohne ISBN)
Im Zeichen der Aggression
Perry Rhodan 2630
von Marc A. Herren
Als Tokun Gavang geboren wird, da stirbt die anwesende "Schreckamme", so viel Angst setzen seine Mutter und er bei dem schmerzvollen Vorgang frei. Tokun Gavang ist anders als die meisten Dosanthi: er und die anderen Agal-Atimpal können lernen, mit der Gabe der Angst umzugehen, die die Natur den Dosanthi als Mittel zur Verteidigung gegeben hat. Sie werden so zu Werkzeugen im Dienste von QIN SHIs Truppen, um organisierten Widerstand durch Panik aufzubrechen. Tokun Gavang lernt sogar von einem Badakk die Grundbegriffe der Technik, was ihn selbst unter den Agal-Atimpal zu etwas Besonderem macht - und ihm auch recht schnell seine Nemesis verschafft, den Xylthen Vetela. Der hält Tokun für einen Spion, der Vetelas Einheit untergeschoben wurde, entweder von Protektor Kaowen oder aber vom Verzweifelten Widerstand, und würde ihn liebend gerne exekutieren lassen; Vetela kann jedoch nie Beweise für Tokuns Verrat finden, weil er mit seinem Verdacht ganz einfach falsch liegt.
Tokun erweist sich als ausgesprochen fähiger Panikmacher und macht in ihren Rängen eine steile Karriere, die erst an Schwung verliert, als Tokuns ganze Einheit in eine tödliche Falle des Widerstandes gerät. Tokun als einziger Überlebender wird sofort des Verrates bezichtigt und landet nach einem Fluchtversuch als einfacher Soldat auf einem "Bewährungseinsatz" - einem Himmelfahrtskommando, das er mit taktischer Finesse zum unerwarteten Erfolg führen kann. Doch Vetelas fortgesetzte grundlose Verdächtigungen bringen den loyalen Dosanthi schließlich dazu, sich kritisch mit seinem Dienst für QIN SHI auseinanderzusetzen, und treiben ihn zuletzt in die offenen Arme des Widerstandes ...
Dem Leser die Welt durch die Augen eines der aktuellen Gegenspieler der Helden zu zeigen ist eine ehrwürdige Technik, die bei Perry Rhodan schon seit den Anfängen zum Einsatz kommt. "Im Zeichen der Aggression" ist eine dieser Lebensgeschichten, und Marc A. Herren schafft es, mich in die Haut eines Dosanthi zu stecken. Das ist ein mühsames Stück Arbeit, und es erfordert das Umsetzen mancher gewohnter Metaphern - zum Beispiel stehen einem begabten Dosanthi "alle Kavernen offen", und Tokun Gavangs Einheit rollt so manchem Gegner "einen Stein vor den Höhleneingang" - aber es lohnt sich. QIN SHIs Panikmacher sind schon was Besonderes!
Dafür nehme ich dann auch gerne in Kauf, dass Christian Montillon und Marc A. Herren nicht mit einer Feder schreiben. Christian Montillon schickt die Dosanthi nur in Begleitung von Badakk-Kampfrobotern in den Einsatz, weil nur die Roboter die Freisetzung des Ogokoamo (der Panikeffekt) unbeschadet überstehen; Marc A. Herren gibt ihnen Xylthen mit, die von speziellen Tieren (den Crums) vor der Furcht geschützt werden.
Tokun Gavangs Weg vom begeisterten Elitekämpfer mit steiler Karriere zum Gegner QIN SHIs aus Überzeugung ist ein langer, schmerzhafter Prozeß, und der Autor zeigt uns jede einzelne Station. Ein sehr lesenswerter Roman, finde ich.
Der lange Weg der SOL
PR-Planetenroman 16
von Peter Griese
1987 zuerst erschienen als PR-Taschenbuch 294
Nachdem das Generationen-Fernraumschiff SOL über drei Zyklen eine Hauptrolle spielte (und Missionen von wirklich kosmischer Bedeutung flog!), verschwand es in PR 907 aus der Serienhandlung und tauchte erst im "Kosmische Hanse"-Zyklus wieder auf. Die dazwischenliegende Zeitspanne von mehreren Jahrhunderten bot sich als großartige Spielwiese für die ATLAN-Autoren an, die den alten Arkoniden mit einem Kosmokratenauftrag von hinter den Materiequellen zurückholten. Atlan übernahm das Kommando auf der SOL und jagte seinem Auftrag hinterher, wobei der PR-Leser eigentlich schon wusste, dass es irgendwie klappen würde: schließlich ist Atlan dann doch zum Orakel von Krandhor geworden, nicht wahr? Mit verschiedenen Unterzyklen ging es jedenfalls 175 Bände lang ziemlich rund. In der Hauptserie war die SOL dann auch wieder eine Zeit lang wichtig, bis sie nach Abschluß der Handlungsebene um die Tiefe in PR 1269 wieder auf große Fahrt ins Unbekannte ging - mit einem kleinen kosmokratischen Geigerzähler, der auf kosmokratisch unerwünschte Entwicklungen ansprach, bei denen die Solaner dann tätig werden konnten bzw. sollten. Das war der Stand bei Perry Rhodan ab Dezember 1985, und "Der lange Weg der SOL" hätte sich ja auch mit diesen unerzählten Abenteuern beschäftigen können ...
Das tut der vorliegende Roman allerdings nicht. "Der lange Weg der SOL" ist in der Lücke zwischen Atlan 674 und PR 1015 angesiedelt, und so tauchen hier Namen und Begriffe auf, die dem reinen PR-Leser eher nichts sagen werden: Jenseitsmaterie, Chybrain oder die Namenlose Zone. Deshalb ist "Der lange Weg der SOL" eigentlich gar kein Perry Rhodan-Planetenroman mehr, sondern ein ATLAN-Planetenroman.
"Der lange Weg der SOL" beginnt mit dem Aufbruch nach Varnhagher-Gynnst. Die Namenlose Zone ist befriedet, Verbündete ziehen ihrer Wege, Chybrain hat in Atlans Erinnerungen herumradiert, damit ein paar Visionen seiner Zukunft als Orakel von Krandhor ihm nicht den Blick auf die Gegenwart versperren.
Zwischenspiel: ER findet, er hätte höheren Ortes mehr Aufmerksamkeit verdient, und sucht jetzt SIE, die ihm dazu verhelfen sollen. SIE sind eigentlich schon tot und nur noch ruhelose Schatten ihrer selbst. Und daran ist Atlan schuld, also ...
In einer Vision erfährt Atlan, dass jemand noch nicht fertig mit ihm ist. Er muss sich mit den zehn Sprossen auseinandersetzen, oder er wird Varnhagher-Gynnst nie erreichen. Die SOL macht einen Orientierungshalt im intergalaktischen Leerraum und ist drei Millionen Lichtjahre vom Kurs abgekommen. SENECA "wüsste das aber!", Atlan gewinnt seinen Kampf mit dem Wesen, das den Bordcomputer der SOL (psionisch) unterworfen hat, mit Hilfe seines PSI-Adlers Ticker und wird vom Gegner unsportlichen Verhaltens bezichtigt, bevor er sich in einen Stab aus Jenseitsmaterie verwandelt.
Als nächstes hat Atlan eine Vision, in der Ticker stirbt. Dann entdeckt man in der Nähe der SOL einen (psionisch) getarnten Asteroiden, den nur bestimmte Besatzungsmitglieder sehen können: Atlan fliegt dorthin, wird in Kämpfe verwickelt - Ticker stirbt, genau so wie in der Vision, durch den zweiten Stab. Bei einem neuen Vorstoß in den Asteroiden wird Atlan entführt und steht seinem dritten Gegner gegenüber, der von ihm zwei Dinge wissen will: wie sieht es hinter den Materiequellen aus? Und wer ist er (der Gegner)? Atlan muss passen - die Zeit bei den Kosmokraten ist aus seinem Gedächtnis gelöscht worden, und seinen Gegner hat er noch nie gesehen. Im anschließenden Kampf gelingt es ihm, auch den dritten Gegenspieler zu überwinden, und dieser wird zu einem dritten Stab.
Also: zehn ziemlich mächtige Entitäten, die irgendwas miteinander verbindet, sind hinter Atlan her, der ihnen die Heimat genommen hat. Sie selbst wissen nicht mehr, wer sie eigentlich sind, und wollen das von ihm erfahren, der sie nicht erkennen kann, weil sie sich stark verändert haben ...und wenn Atlan ihnen nicht geben kann, was sie wollen, dann soll er sterben. So sieht's aus. Die SOL fliegt erst mal weiter zu einem Sternhaufen in der Nähe und rettet ein fremdes Schiff aus Raumnot. Und erst ganz am Schluß, nachdem der von weiteren Visionen geplagte Atlan den Entitäten in eine ausgeklügelte Falle gegangen ist, sie seine aktuelle Lebensgefährtin getötet haben und ihn in die Mündungen schwerer Waffen blicken lassen - da zählt er eins und neun zusammen und erkennt, mit wem er es zu tun hatte ...
Und wie ist er nun, der Roman? Auf Seite 67 läßt uns Atlan wissen:
"Einfach ausgedrückt bedeutete das vielleicht, dass ich noch siebenmal durch die Hölle gehen musste, um dieses Rätsel zu lösen. Und dazu verspürte ich keine Lust, denn alles erschien mir irgendwie sinnlos."
Leider konnte ich mit dem Roman nicht viel anfangen, und ich bin immer noch nicht sicher, woran das gelegen haben kann. Waren da einfach für meinen Geschmack zu viele kosmische Entitäten in zu viele unwirkliche, unbegreifliche Ereignisse verwickelt?
Oder liegt es daran, dass mir zu viel Vorwissen fehlte? Der 1987 veröffentlichte Roman knüpft an die Atlan-Zyklen "Anti-ES " und "Die Namenlose Zone " an, die zwischen April 1983 und September 1984 erschienen und die ich nie gelesen habe. Wenn man sich beim Lesen an diese Bände erinnert, dann könnte man sogar vor Atlan und seinem hier ziemlich nutzlosen Extrasinn die Identität der Gegner erraten - Hinweise werden vom Autor genug eingestreut, dass Atlan sich krachend vor die Stirn schlagen müsste.
Aber ohne diesen Hintergrund verpufft der sorgfältig vorbereitete "Aha!"-Effekt einfach. Mit diesem Risiko muss jeder Autor rechnen, der "lose Fäden" aus zurückliegenden Handlungsbögen aufgreifen möchte.
Kommentare
Vielleicht könntest du bei deiner Meinung zum aktuellen Roman noch ein bisschen ausführlicher werden.
Ich hab' da mal was nachgereicht.
Ich hänge mich hier an die Aussage Cartwings: Schön, dass es wieder PR Rezis gibt!
Dieses Mal von einer anderen Person geschrieben als von mir.
Kompetent. Macht Lust auf mehr.
Viel Spass mit Deinem neuen Aufgabengebiet und weiterhin viel Lesespass mit Perry!
AD ASTRA