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Kunst in der Science Fiction - und Rezension: PR 2711 „Falle für den Jäger“

Perry Rhodan ... und wirKunst in der Science Fiction
Rezension: PR 2711»Falle für den Jäger«

Entwarnung: hier und heute geht es nicht darum, ob Science Fiction Kunst sein kann. Es geht vielmehr um die Darstellung von Kunst in der Science Fiction. Kunst ist kein leicht fassbares Thema, und es fängt schon mit der Definition an. Mir persönlich am besten gefällt die Erklärung aus Ernst von Salomons Erinnerungsroman „Der Fragebogen“ in dem Abschnitt über eine Reise mit anderen Schriftstellern durch verschiedene Universitätsstädte der Weimarer Republik.


Auf Seite 200 fragt ein Student: „Was ist Kunst?“ und erhält eine lange Antwort, die zusammengefasst wird im Resümee: „Kunst ist das Schaffen einer neuen Wirklichkeit.“ Und dabei geht sie meist über das Bekannte und Vertraute hinaus.

Unsere Wirklichkeit entsteht im Kopf durch das Zusammensetzen von Sinneseindrücken - noch, möchte man sagen. Unsere primären Sinne sind Augen und Ohren, und über diese Einfallstraßen kommt der größte Teil der Kunst in den Kopf: Malerei, Bildhauerei, Filme, Lyrik, Musik, Tanz, Architektur, Landschaftsdesign et cetera.

Die anderen Sinne des Menschen kommen dabei meist stiefmütterlich weg. Ab und zu findet sich ein Koch oder ein Barmann, der unseren Geschmackssinn auf neue Art zu reizen versteht. „Das Parfüm“ hat versucht uns zu beschreiben, wie jemand die Welt durch die Nase erfährt, auch mit Düften, die wir normalen Menschen gar nicht wahrnehmen können. Trotzdem fällt mir zur Duftkunst gerade nur die Autoindustrie ein, die sich spezielle Mühe gibt, einen neuen Wagen neu riechen zu lassen ...

Und der Tastsinn? Auf den hat sich anscheinend noch keiner so richtig einlassen wollen. Ja, klar, es gibt in manchen Museen Kästen mit einem Loch, in die man hineingreifen und den darin liegenden Gegenstand ertasten soll. Aber den Tastsinn gezielt ausreizen, um Erlebnisse zu generieren? Da wüsste ich zumindest niemanden, der sich darauf spezialisiert hätte.

Nicht in unserer Welt, heißt das. Larry Niven hat in seinem Ringwelt-Known Space-Universum die Kdatlyno erschaffen, die nicht mit Augen sehen, sondern mit einem organischen Radar ein Echo ihrer Umgebung wahrnehmen. Und diese Kdatlyno haben Künstler, die Skulpturen erschaffen, die berührt werden sollen – mit den Fingerspitzen oder, für die ganz Mutigen, mit der Zunge, erstmals beschrieben in der Beowulf Shaeffer-Kurzgeschichte „At the Core“ in der Sammlung „Neutron Star“:

„And what do you think of Hrodenu?“
„He's ruining my eyes.“
„Naturally. The Kdatlyno are blind to all but radar. 'FTLSPACE' is not meant to be seen but to be touched. Run your tongue over it.“
„My tongue? No thanks.“ I tried running my hand over it. If you want to know what it felt like, hop a ship for Jinx; the thing's still there. I flatly refuse to describe the sensation.“

Andere Kunstformen stehen uns noch nicht zur Verfügung, könnten aber eines Tages Realität werden. In John Varleys Kurzgeschichte „Das Gespenst von Kansas“ (1976) werden in den großen sublunaren Habitaten der Mondkolonien von der Wetterkontrolle Stürme und Gewitter für das Publikum in Szene gesetzt, und die Ich-Erzählerin ist eine angesehene Sturmdesignerin.

Kunst ist schon heute nicht jedermanns Sache. Aber Kunst der Zukunft? Cordwainer Smith vernichtete 1959 in seiner Kurzgeschichte „No, no, not Rogov!“ den Verstand eines brillianten Wissenschaftlers, der ein telepathisches Spionagegerät konstruierte, indem er ihn beim Testlauf dem stärksten menschlichen Gedankensignal aller Zeiten aussetzte: der Begeisterung von Billionen Menschen auf Hunderten von Welten über den Auftritt einer Tänzerin bei einem Festival der fernen Zukunft. Aber diese Darbietung ist zu viel für den Verstand eines Menschen der Gegenwart, sie überwältigt ihn und lässt nichts zurück außer der Erinnerung an den Tanz ...

Und zu unguter Letzt: wenn Kunst, wie eingangs gesagt, „eine neue Wirklichkeit schafft“, dann ist es keineswegs selbstverständlich, dass diese Wirklichkeit auch für Menschen geeignet ist. Diese Variante findet sich freilich eher im Horror-Genre als in der Science Fiction. Robert W. Chambers hat 1895 mit „Der König in Gelb“ das Motiv eines Buches (in diesem speziellen Fall: eines Theaterstücks) erschaffen, das den Verstand des Lesers zerstört. Es erzeugt für den Leser eine neue Wirklichkeit, die mit der alten nicht kompatibel ist, aber es gibt keinen Weg zurück aus dem Wahnsinn.

Karl Edward Wagners Fantasyheld Kane macht einen befreundeten, ausgebrannten Poeten in „Dark Muse“ (1978) auf dessen drängende Bitten hin mit der Dunklen Muse Klinure bekannt, die ihn zu neuen Gedichten inspiriert – nachdem er sich erst einmal monatelang von dieser Inspiration erholen musste. Die erste Lesung vor Publikum ist zugleich auch die letzte. John Carpenter benutzt in seiner Arbeit „Cigarette Burns“ von 2005 einen Film (mit dem schönen Titel „La Fin Absolue du Monde“), der seine Zuschauer gleichermaßen in den Untergang reißt.

Bei Perry Rhodan begegnete man als erster ausgefallener Kunstform den arkonidischen Fiktivspielen an Bord der gestrandeten AETRON (und Terraner bekamen vom Zusehen Kopfschmerzen).

Auf Arkon angekommen kam der Leser dann kaum noch aus dem Staunen heraus. Da gab es also eine kilometerlange Klippenwand, die zu einem epischen Relief umgestaltet und deren Oberfläche dann in Diamanten transformiert wurde? Das Adelshaus der Zoltral führte mit Hilfe von Gravitationsfeldern einen Fluss im Bogen über ihren Trichterpalast? (Die sind bestimmt ziemlich nass geworden, als die Hypertechnik ausfiel …)

All das ist Kunst von menschlicher Art, wenn auch in stark vergrößertem Maßstab. Mount Rushmore beschränkt sich auf vier Präsidenten der USA, aber der Künstler hätte ja auch ein anderes Massiv mit Platz für mehr Gesichter auswählen können.

Kunst, die nicht von Menschen geschaffen wurde – könnten wir sie überhaupt als Kunst erkennen? Selbst wenn ihre Schöpfer die gleichen Sinne nutzen wie wir?
Oder sollen wir gar hoffen, dass die Kunst im Stande sein wird, eine Brücke zu schlagen zwischen uns und den Anderen?

2711Falle für den Jäger
Perry Rhodan 2711
von Leo Lukas
Eine frohe Botschaft gleich vorneweg: die Viererblöcke sind offenbar Geschichte.
Wir hatten bisher zwölf Romane. 2700 bis 2703 lassen sich als Viererblock nach alter Art lesen, 2704 bis 2707 waren ein Dreibänder aus der Feder des gleichen Autors, gefolgt von einem Einzelroman mit ganz anderer Thematik. Darauf folgte noch ein Einzelroman, jetzt war wieder ein Dreierblock dran … und zumindest ich persönlich finde diese Abwechslung erfrischend.

Leo Lukas hat dem Leser ein üppiges Buffet angerichtet. Ja, in diesem Roman wird dem bis dahin ungeschlagenem Jäger des Atopischen Tribunals eine Falle gestellt. Der Gestaltwandler Marshall Leza Vlyoth hat es geschafft, Perry Rhodans uralten Kumpel Icho Tolot auf Eis zu legen. So kann's nicht weitergehen.

Aber auf dem Weg dahin, Leza ein Schnippchen zu schlagen und eine Nase zu drehen, macht Perry erst mal einen Ausflug zu den Posbis an Bord der KRUSENSTERN, um zu fragen, ob sie mit von der Partie sind. Dort wird er erst mal mit einer Demonstration von Posbi-Humor begrüßt: „Seid ihr wahres Leben?“
Unter den Bewohnern des Posbi-Habitats findet sich ein Veteran der Laurinkriege, und ein anderer alter Kämpe hat (oder jedenfalls haben einige seiner Bauteile!) unter Perrys Kommando in Andromeda Schlachten geschlagen. Und natürlich ist das Habitat des Alten Volkes sichtlich weder von Menschen gemacht noch für Menschen gedacht.

Danach macht Perry Klar Schiff bei den Familienverhältnissen. Seiner Enkelin fällt dabei erst mal ein Stein vom Herzen, dass Der Terraner sie nicht etwa anbaggern will …

Die Posbis haben Verluste im Verlauf der Kämpfe gegen den Marshall. „Er konnte äußerst berührende mathematische Sonette deklamieren.“ - eine Kunstform, die außerhalb der Posbikultur vermutlich nicht ganz so populär sein dürfte.

Leo Lukas hat einen sehr schönen Roman hingelegt, der die beiden vorangegangenen Bände „Der perfekte Jäger“ und „Haluter-Jagd“ mit Schwung abschließt und sich dabei fast wie eine von Wim Vandemaans Kreationen liest. Und für Freitag verspricht mir die Vorschau Neues über Toufec und die Dritte Kolonne auf dem TechnoMond – und das auch noch von Marc A. Herren?

Ach. Das Leben kann schön sein.


Kommentare  

#1 Advok 2013-08-08 01:49
Beim "Tastsinn" muss ich jetzt doch nachfragen: Fällt nicht auch "Sex" darunter? ;-)
#2 Larandil 2013-08-08 11:38
zitiere Advok:
Beim "Tastsinn" muss ich jetzt doch nachfragen: Fällt nicht auch "Sex" darunter? ;-)


Natürlich kann es sein, dass jemand, der/die sich darin auskennt, auf Deinen erogenen Zonen spielt wie Nigel Kennedy auf seiner Violine.
Aber das ist freilich ein sehr persönliches Erlebnis, und Kunst ist doch sonst - bei Konzerten, Galerie- oder Theaterbesuchen - für ein größeres Publikum simultan erfahrbar?
#3 Laurin 2013-08-08 12:24
Wir schicken einfach einen Fummler in eine Gallerie, Theater usw., der macht dann die "Tastkunst" mit flottem Abgang schon Massentauglich. :-)

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