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Good Bye, Jürgen

Good Bye, Jürgen

Jürgen Grasmück aka Dan Shocker ist tot. Der „Vater des Gruselheftromans“, wie er auch genannt wurde, ist seiner langen, schweren Krankheit erlegen. Er begründete vor beinahe 40 Jahren (zwischen Oktober 1967 – die Entstehung der Idee - und Juli 1968 – Erscheinen des ersten Romans) mit seinen Romanen um den PSA-Agenten Larry Brent den Horrorheftroman, die letzte große Erfolgsstory dieser Publikationsform. Aber schon 1962 legte er mit dem Leihbuch „Testament des Grauens“, einem Frankenstein-Roman, den Grundstein hierzu.


JuergenMit Macabros schuf er 1973 eine zyklenorientierte Reihe, die monatlich lief und Elemente von Horror, Fantasy und SF in sich vereinte. Und noch heute feiern seine Werke Triumphe als Hörspiel oder werden im kleinen Blitz-Verlag von zum Teil recht prominenten Autoren fortgesetzt.

Bereits am Dienstag, den 7. August hat er im Alter von 67 Jahren seine Augen für immer geschlossen. Noch am 5. August hatte ich eine e-Mail an Jürgen und Karin gesandt, um den Termin für ein Interview abzustimmen.

Die Antwort von Karin am 6. August war kurz und ließ das Schlimmste fürchten:

Lieber Horst,

das ist leider nicht möglich, da Jürgen sehr krank ist,

Gruß, Karin

Als ich diese Mail erhielt, begann ich zum einen das, was wir das „Schlimmste“ nennen, zu fürchten, mich aber zum anderen auch zu erinnern. An Begegnungen, an meine Kindheit und Jugend. An Momente, in denen ich in den Welten Dan Shockers versank. Wo Larry Brent mich in seine Welt des Unheimlichen zog und Björn Hellmark mir Abenteuer in fremden Dimensionen zeigte. Immer nach dem „Grasmück’schen Prinzip“, welches da lautet: „Bring Deinen Helden in eine ausweglose Lage und sieh zu wie Du ihn wieder heraus bekommst.“

Im zarten Alter von neun Jahren begegnete Jürgen mir das erste Mal, wenn auch nicht leibhaftig. Ich wühlte – sehr zum Ärger meiner Mutter – in den damals noch zahlreich erscheinenden Heftromanen herum. Ich wollte einen Western. Ich fand auch einen, stieß dann aber auf ein Titelbild mit einem Arzt mit einem Skelett in der Hand und vielen kleinen Knochenmännern im Hintergrund. Titel des Romans „Dr. Satanas – Herr der Skelette“ von Dan Shocker. Von da an war ich verloren. Endgültig! Meine Western und Krimis wurden verbannt. Ich sammelte Horror, vornehmlich eben Dan Shocker.

Dann kam das Desaster vom 3. Januar 1976. Ein Orkan drückte soviel Wasser elbaufwärts, dass die Deiche brachen. Meine erste Sammlung von Horrorheften wurde ein Opfer der Fluten. Weniger das Wasser, als vielmehr der fingerdick zurückbleibende Schlick vernichtete die Hefte. In meiner Verzweifelung schrieb ich via Verlag an Dan Shocker. Nicht lange danach erreichte mich ein Brief von Jürgen. Das war genau das was der junge Teenager brauchte. Und: Zwei Hefte als Grundstock meiner neuen Sammlung lagen bei.

1977 im Herbst gründete Jürgen dann denn Dan Shocker's Fantastik Club "Marlos" und ich war natürlich sofort dabei. Es sollte noch vier Jahre, bis in den Spätsommer/Frühherbst 1981 dauern, bis ich ihn dann anlässlich des Marlos Cons 1981 persönlich traf. Uwe Schnabel richtete das Treffen in Räumlichkeiten in der Mainzer Landstraße in Frankfurt aus. Aus dem bald 18-jährigen abgeklärten Typen wurde für ein paar Momente wieder der begeisterte Jungfan, als ich dem einem der Idole meiner Kindheit und Pubertät nun begegnete. Aber Jürgen ging damit elegant um. Er nahm mir diese Beklommenheit, und wir plauderten angeregt.

Vier Monate danach betrat ich zum ersten Mal das Haus der Grasmücks. Karin holte Norbert Aichele und mich vom Bahnhof ab, und wir tagten mit anderen Marlos-Bürgern über die Zukunft des Clubs. Bei dieser Gelegenheit gab Jürgen Grasmück dem Zine der Aktionsgruppe 2000 (also der Nordgruppe des Clubs, geführt von Norbert und mir) seinen Titel. Mit dem grasmück’schen Lächeln hob er die Spannung und sagte einfach: „Zauberspiegel. Nennt es einfach Zauberspiegel.“ Und so machten wir es.

1990 feierten wir ein wahrlich rauschendes Fest im „Gelben Saal“ der Stadthalle Hanau zu Jürgens 50. Geburtstag. Er war der alles überstrahlende Mittelpunkt dieser Veranstaltung. Es war einfach toll dabei zu sein.

So gibt es über die Jahre hinweg immer wieder Begegnungen. In Hannover, anlässlich des Marlos Cons, unterhielten wir uns über den Tod. Jürgen, dem Ärzte prophezeit hatten, er werde nicht vierzig Jahre alt, hatte eine sehr abgeklärte Haltung dazu. Wie er überhaupt einer der positivsten Menschen war, die ich kannte. Er ließ sich von Nichts umwerfen. Er fand immer wieder neue Wege. Als VPM 1986 seine Serien einstellte, wurde er „esoterischer Buchhändler“, später sogar Verleger in dieser Richtung.

 Es gab auch das eine oder andere Mal Schatten auf der Beziehung Grasmück von Allwörden. Mal war es harmlos, aber 1994 kracht es gewaltig. Jürgen hatte sich dazu entschieden, Larry Brent als Heftroman beim neu gegründeten Zaubermond Verlag unter seinem ersten (und beinah auch letztem) Verleger Bernd Götz herauszubringen. Gerade jetzt dokumentiere ich diese Auseinandersetzung in „As Time Goes By“. Es fielen herbe Worte. Eine Zeitlang fühlte sich Jürgen von Teilen seiner Fans verraten. Aber: Als der Rauch sich gelegt hatte und der Kanonendonner verklungen war und Bernd Götz sich als der prognostizierte Fehlschlag entpuppte, zeigte Jürgen Größe. Da er mich nicht erreichen konnte, ließ er via Rolf Michael ausrichten, es blieben keine bösen Gefühle.

Seinen Optimismus, seine Größe und ihn werde ich vermissen. Jürgen ist mein Begleiter durch turbulente Jahre gewesen. Mit seinen Romanen hat er mich lange in Atem gehalten. Sein Optimismus und sein Lebenswille sollte ein Vorbild für alle sein.

Ich werde ihn in bester Erinnerung behalten. Good bye Jürgen, Du fehlst mir…

   Horst von Allwörden

 

Kommentare  

#1 Stefan Bayerl 2008-03-25 21:25
Vielen Dank an die Redaktion für diesen Artikel. Viele liebe Erinnerungen sind mir beim Lesen wieder bewußt geworden. Erinnerungen an eine sehr schöne Phase meines jugendlichen Lebens.
Ich habe Jürgen beim Marlos Con Anfang der 80er in Nürnberg erstmals getroffen und war vorher und auch nachher noch viele Jahre Club-Mitglied. Leider schied ich im Streit und kann bis heute einige der damaligen Reaktionen von Jürgen nicht nachvollziehen und auch Harry Pfister, der damalige Club-Leiter und Nachfolger von Uwe Schnabel, wußte sich keinen Reim zu machen.
Anyway, Jürgen hat wohl unbestritten der damaligen Fanszene Leben eingehaucht und am Leben gehalten. Bis zu meinem Ausstieg Anfang der 90er Jahre hat mir sein Wirken viele schöne Stunden geschenkt. Durch ihn habe ich nicht zuletzt Leute wie Werner Kurt Giesa, Manfred Weinland und Rolf Michael kennengelernt, die mich während meiner aktivsten Zeit im Rahmen von Merlins Stern begleitet haben.
Mit ihm ist wahrsten und liebevollsten Sinne des Wortes der Dinosaurier des Grusel-Heftromans von uns gegangen.

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