Leit(d)artikel KolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Ich bezahle, daher will ich … - Anspruch und Wirklichkeit

Zauberwort - Der Leit(d)artikelIch bezahle, daher will ich …
Anspruch und Wirklichkeit

Angeregt durch die Diskussionen zu meinem kleinen Zwischenruf über das Fernsehprogramm zu Weihnachten, möchte ich noch ein paar Gedanken nachschieben. Dabei geht es nicht nur um GEZ-Gebühren, sondern auch darum, was Menschen glauben erworben zu haben, wenn sie irgendwas kauf(t)en. Da gibt es fast immer eine ungeheure Diskrepanz zwischen Anspruch und der Wirklichkeit ...

 

Mir persönlich gefällt das Fernsehprogramm nicht so wirklich. Es gibt zu manchen Zeiten nichts was ich ›kucken‹ will. Diese Ansicht teile ich wahrscheinlich mit nahezu allen Bundesbürgern. Aber folgende These kann ich trotz allem nicht unterschreiben:

  • Ich bezahle Fernsehgebühren, aber das Programm gefällt mir nicht.
    Ergo: Ich erwarte für mein gutes Geld, dass nun ein anderes, gutes Programm gemacht wird, dass mir deutlich besser gefällt.

Warum diese These meiner Ansicht nach nicht ›zieht‹?

In der Tat werden Gebühren entrichtet … Jeder Haushalt sollte zahlen, damit wir ein öffentlich-rechtliches Fernsehen haben können.
 

Miniexkurs: Nur denke ich auch, dass wir unseren Parteien und Volksvertretern auch mal klar machen müssen, dass sie am Besten ihre Nasen aus den (öffentlich-rechtlich wie den privaten) TV-Sendern (und Radio-Stationen) herausziehen sollten. Sie wirken an der politischen Willensbildung mit und vertreten uns auf Zeit; außerdem sollten sowohl Parteien als auch Volksvertreter sich nicht so wichtig nehmen  – aber das ist ein anderes Thema).



Ja, in der Tat zahlt man was. 17,95 im Monat zahlt der Haushalt, also etwas über 200,- Euro per anno (um genau zu sein sind es 215,40 – für die Buchhalter, Pfennigfuchser und Korinthenkacker).

Manchmal zerfällt dieser Haushalt in zwei oder gar (inzwischen eher in Ausnahmefällen) drei oder gar vier Generationen. Da von einheitlichen Interessenlagen und den gleichen Ansprüchen an ein ›gutes‹ Fernsehprogramm auszugehen (also einem familiären Einheitsgeschmack) ist wohl eher vermessen denn realistisch. Entsprechend können Mitglieder solcher Haushalte für sich nicht in Anspruch nehmen, die komplette Summe für ein ›besseres‹ Programm in ihrem Sinn zu beanspruchen. - Aber das sind Haarspaltereien, das lassen wir mal.  

Was bekomme ich für die Penunze?

Die Möglichkeit alle öffentlichen Radiostationen, deren Fernsehender und Internetangebote zu nutzen. Für nur etwas als 200,00 Euro (im Jahr!) ein umfangreiches Programmangebot (rechnet mal aus wieviele Filme ihr dafür im Kino sehen könnt). Gut, vieles davon gefällt mir nicht (aber auch nicht jeder Film im Kino hat mir gefallen). Wenn ich so durch die Kanäle zappe, finde ich so manches:
 
  • Wenn ich Florian Silbereisen und andere volkstümelnde Künstler so sehe, brennen mir die Augen und wenn ich die auch noch hören muss, überkommt mich der Wunsch nach temporärer Taubheit …
  • Wenn ich die öffentlich-rechtlichen (und nicht nur die) Radioprogramme höre, frage ich mich manchmal, ob die Sender alle nur eine Festplatte mit Songs haben, die sie hin und her schicken. »Durchhörbar« soll das Programm sein. Und so höre ich da nur eine Auswahl der Hits aus den letzten zwei bis fünf Jahrzehnten und vermisse abwechslungsreiche Sendungen … (die ich auch bei Oldie- und/oder Rockkanälen nicht bekomme, weil sie dort auch nur die wenigen großen Hits spielen. B-Seiten? – weitere Songs einer LP? – Fehlanzeige!) Ausnahmen gibt es, aber sie sind rar und man muss sie mit der Lupe suchen.
  • Die selbstproduzierten Schmonzetten, Serien und Liebeskomödien der öffentlich-rechtlichen Sender treiben mir die Gänsehaut auf den Rücken …
  • Die Daily Soaps machen mich krank …

… und die Liste ließe sich beinahe beliebig fortsetzen. Da will ich dann doch lieber ›mein‹ Programm. Damit kann ich mich eher amüsieren und mir die Zeit angenehm vertreiben. Doch dieser Wunsch ist weit weg von der Realität. Ich bräuchte wohl eine Wunderlampe oder eine (mächtig) gute Fee, um meinen Wunsch durchzusetzen. Gleichzeitig würde ich mir den Hass zahlloser Leute zuziehen, die sich über die ›Durchhörbarkeit‹ freuen, die Florian Silbereisen & Co. mögen und die sich all das anhören und ansehen, was mir missfällt …
 
Ein Interessenskonflikt, der eigentlich ganz einfach entsteht:
 
Es gilt zu bedenken: Insgesamt wird das Angebot für rund 80.000.000 Individuen gemacht. Und leider – so musste ich in der Vergangenheit (leidvoll) feststellen – ist mein Geschmack nicht der der gesellschaftlichen Mehrheit oder gar der ultimative Durchschnittsgeschmack. Dieser Zustand wird mir regelmäßig von den Einschaltquoten fürs Gesamtpublikum und die der ›werberelevanten Zielgruppe der 14 – 49jährigen‹ (die ich in gut anderthalb Jahren verlassen werde) aufgezeigt. Nun nehme ich nicht an, dass 14-jährige großes Interesse für die "Herbstscheunenfestgrandprixvorentscheidung der Volksmusik" haben, kein bisschen mehr als ich. Doch es ist erstaunlich, wie viele Menschen ›in meinem Alter‹ Tickets für solche Veranstaltungen kaufen, denen Michael Wendler ›so viel gibt‹, die sich *schüttel* die Schlümpfehitparade auf CD kaufen. 
 
Mal abgesehen von den Übertragungen von Fußballspielen (insbesondere der Nationalmannschaft und bekannter Weise des FC Bayern) finde ich mich mit meinen Sehgewohnheiten oder bevorzugten Sendungen eher selten in den Top 10 des Tages wieder. Im Gegenteil: Die Dokumentationen und Reportagen und die Politmagazine (inkl. des Medienmagzins »ZAPP«) der öffentlich-rechtlichen Sender gehören zu meinen Favoriten. Gerade auch Sender wie ›Phönix‹, ›3sat‹, ›arte‹ und ›einsfestival‹ [gerade, da ich diese Zeilen schreibe, schaue ich mir auf diesem Sender »Julius Cäsar« in schwarz weiß mit James Mason, Rex Harrison und Marlon Brando an] haben es mir angetan. Hier werde ich gut bedient. Aber zu den meistgesehenen Sendungen des Tages gehören die eher nicht.

Auch Minderheitenprogramme gibt es noch jede Menge. Sie finden sich nur nicht zu den Hauptsendezeiten wieder (wenn eben die meisten sich in ihren Sesseln und auf den Sofas lümmeln und sich der Mattscheibe hingeben), während ich auf einem der ›Kulturkanäle‹ zum x-ten Mal ›Persepolis‹ anschaue, mich dem Food-Hunter ergebe oder die allermeistens grandios gemachten Geschichts- oder Politdokus sehe.
 
Und wenn ich das nicht schaffe, ist das doch heute im Zeitalter von Festplattenrekordern (oder veraltet Videorekordern) gar kein Problem mehr. Kommt eine Sendung zu spät, zeichne ich sie auf (oder kaufe mir gleich die DVD, Blu-ray oder so). Dann kann ich die Sendung dann ansehen, wenn mich die Sender mit Daily Soaps, Carmen Nebel Volksmusiksendungen oder Talkshows quälen wollen. Die Technik macht es möglich.

Ich verstehe dabei jede Aufregung übers Fernsehprogramm. Es ist - in weiten Teilen - natürlich Mist, Unfug und völliger Blödsinn [aber jeder Zuschauer hat seinen eigenen Mist]. Aber ich zum Beispiel will mehr meiner Lieblingsfilme und  Serien, aber im O-Ton. Manche der Moderatoren, die ich will, sind schon tot. Dann lasse ich den Gottschalk seufzend aus oder werfe mir eine DVD ein. Andere Gesichter würde ich zu Supermarkteröffnungen und Baumarktsonderaktionen jagen.
 
Aber: Wie schon erwähnt: Viele würde mich angesichts meines Fernsehprogramms für einen total Irren halten; wenn es denn jemand in dieser Form über den Sender gehen ließe. Da wäre Heulen und Zähneklappern bei jung und alt.  

Aber ich kann mich einfach nicht hinstellen und sagen für meine 215,40 € per anno erwarte ich aber nun ein Programm, dass ›mir‹ gefällt. Aber - Problem - ich kann dies nur für meinen haushaltlichen Anteil von 107,70 € einfordern, denn Bettinas ›gutes‹ Programm sieht durchaus anders aus).  Diese Anspruchshaltung ist völliger Unsinn, da ein ganzer Haufen Haushalte (und auch deren Bestandteile) eben genau das völlig anders sieht. Jeder will ein Programm, das ihm/ihr gefällt. Und die Schnittmengen sind hier naturbedingt nicht immer groß.

Daher ist das Argument keins, wenn es heißt: ›Für mein gutes Geld will ich ein ›gutes‹ Programm‹ (zumal allein schon die Definition von ›Gut‹ Millionen verschiedene Definitionen hat – und auch ich will nicht das ›gute Fernsehen‹ eines Herrn Reich-Ranickis und das, was viele andere für ›gut‹ halten). Zudem möchte ich nicht wissen, welches Programm für 215,40€ im Jahr produziert werden kann. Wie lange müsste ich meinen Jahresbeitrag abzahlen, um das zu produzieren oder zu kaufen, das ich will?
 
Selbst wenn dort alle für lau arbeiten, dürfte dafür kaum etwas Vernünftiges auf die Beine gestellt werden können. Erst recht nichts, was 365 (oder in Schaltjahren 366) Programmtage füllt. Auch aus diesem Grund kann aus der Zahlung der Gebühren kaum ein Anspruch auf ein durchgängig gefälliges Programm abgeleitet werden. 

Ich kann zwar hoffen, dass mir jeden Tag, jede Wochen, jeden Monat und jedes Jahr Sendungen präsentiert werden, die meinem Geschmack entsprechen (und die ich daher ›gut‹ finde), aber ich kann doch in keiner Weise so vermessen sein zu glauben, mein Geschmack wäre allein selig machend - und der vieler anderer nichts weiter als eine potentielle (höflich formuliert) Verirrung.

Ich finde aber Monat für Monat genug Sendungen, die mir gefallen. Das reicht doch erst einmal aus. Ich darf nur nicht erwarten, zu jeder Zeit etwas zu finden, dass mir gefällt. Und wenns mal nichts gibt, schalte ich das Gerät aus. Dann höre ich Musik und lese ein Buch oder ich werfe eine DVD ein. Im Zweifel kann ich immer noch kreativ tätig werden (es gibt eben mehr doch mehr Dinge zwischen öffentlich-rechtlich und privat, als sich die Programmzeitschriften träumen lassen). 
 
Ich gehe doch auch nicht zu einem Fußballspiel und erwarte die Garantie eines von beiden Mannschaften offensiv geführten Spiels, das auf höchstem Niveau stattfindet und bei dem jeder Spieler über die kompletten 90 Minuten (plus Nachspielzeit) technische Kabinettstückchen zeigt, viele Tore fallen und dann auch die richtige Mannschaft deutlich gewinnt.

Ich erkaufe mir den Zutritt zu dem Spiel und die Möglichkeit, es zu verfolgen. Eine hohe Qualität kann mir selbst die teuerste Sitzplatzkarte nicht garantieren.

Ebenso kaufe ich mit einem Buch, Heft, Hörspiel oder einem anderen Medienträger nur eben diesen Medienträger und das darauf enthaltene Medium. Ich erwerbe allerdings nicht das Recht, dass der Autor bei mir erscheinen und sich erklären muss, dass der Regisseur mir seine Entscheidung für oder jene Kameraeinstellung in meiner Wohnung oder im Kino erklärt.

Ich gebe nicht das Recht ab, eine Meinung zu haben und/oder zu sagen: Gefällt oder nicht. Aber weitere Ansprüche kann ich aus dem Kauf nicht ableiten. Das sollte man nicht verwechseln.

Ich darf doch wohl nicht erwarten, dass Klaus N. Frick bei Nicht-Gefallen eines »Perry Rhodan«-Romans bei mir aufschlägt und mir persönlich Rechenschaft ablegt oder sich überhaupt äußert. Es gibt da keine Pflicht. Es gab auch im Forum des Bastei Verlags eine Zeitlang eine ›Bande‹, die sich ein Spaß daraus machte zu fordern, dass ihnen der Lektor der Serie »Geisterjäger John Sinclair«  Rechenschaft ablegen müsse. Zunächst sollte er sich ersteinmal zu erkennen geben (zugegeben im Ton zum Teil scherzhaft, aber man kann auch jeden Gag zu Tode reiten - und dann wirds penetrant bis ätzend).

Gott, was erwarten diese Pappnasen für 1,60€ bis 1,95€?

Den Teufel muss der arme Lektor tun. Er wird nicht dafür bezahlt, um sich mit Fans auszutauschen, sondern um seine Arbeit zu tun und sich nicht dafür zu rechtfertigen. 
 
Und: Ich würde mir zwar ein Loch in den Bauch freuen wenn Klaus N. Frick ausgerechnet mir Rechenschaft über diesen oder jenen Roman in meinem Wohnzimmer Rechenschaft ablegen würde, ich würde ihn aber zugleich für verrückt erklären und hoffen, dass sein Posten bald von einer Person mit mehr Verstand besetzt werden würde.

Heftromanautoren gelten ja als ›Lohnschreiber‹ oder ›literarische Huren‹, aber so billig sind sie dann doch nicht. Die Leser bezahlen für einen Roman, das Heft an sich und die Heftklammern. Aber man kann doch nicht erwarten, dass der halbe Verlag am Kiosk Spalier stehen muss, nur weil man wöchentlich seinen Obolus berappt, der im Preis nur geringwertig höher liegt als das Fernsehprogramm (mit Digitalkanälen). Alles was darüber hinaus geht, ist freiwillige Leistung und kostet Geld. Aber bezahlen will diese Leistung keiner der Leser. Aber bekommen möchte – nein – will er sie.

Jeder sollte beginnen, sich einmal generell Gedanken darüber zu machen, was er erwirbt und welche weiteren Ansprüche er aus diesem Erwerb ableiten kann. Das macht das Leben viel leichter und entspannter. Denn aus der Zahlung der Fernsehgebühren oder der Entrichtung eines Kaufpreises kann man nicht zwangsläufig viel erwarten.
 
Und jetzt mache ich den Fernseher aus, schnappe mir ein Buch und geh mal früher ins Bett als sonst.

Kommentare  

#31 G. Walt 2011-12-16 20:16
Zitat:
Du kannst auf Satellit oder DVBT ausweichen? Kostet keine Kabelgebühren.
DVBT empfange ich hier gar nicht. Höchstens 2 Sender. Also wie früher.
Satellit ist hier technisch zu aufwendig, müsste kilometerlange kabel legen

Der Gästezugang für Kommentare wird vorerst wieder geschlossen. Bis zu 500 Spam-Kommentare waren zuviel.

Bitte registriert Euch.

Leit(d)artikelKolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles