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Zurück im Elfenbeinturm - … und wieder drei Tage an der Uni

Zauberwort - Der Leit(d)artikelZurück im Elfenbeinturm
… und wieder drei Tage an der Uni

Im April 2011 trieben Bettina und ich uns im Elfenbeinturm herum, da an der Uni Göttingen ein DFG-Projekt begonnen wurde. Es war überschrieben mit »Ästhetik und Praxis populärer Serialität«. Jetzt neigt sich der erste geförderte Abschnitt dem Ende zu und in Kürze fällt die Entscheidung über weitere drei Jahre der Forschergruppe … Man darf also gespannt sein, wie es weitergeht …


In den drei Tagen vom 6. bis 8. Juni (wer sich den Kalender ansieht, wird bemerken, dass der akademische Geist nicht zur Ruhe kommt, sondern auch Sonnabend arbeitet) ging es in den Räumen der historischen Universitätsbibliothek im Herzen Göttingens zum einen um die Darbietung der Ergebnisse der ersten dreijährigen Forschungsphase und auch um den Ausblick der möglichen Verlängerung der Förderung um weitere drei Jahre. Die Entscheidung darüber fällt im Juli. Ich drücke da einfach mal die Daumen, denn ich wünsche mir eine Fortsetzung der Arbeit, um mich wieder unter das akademische Volk mischen zu können.

Grundsätzlich gewinnt die Forschergruppe durch ihren fächerübergreifenden Ansatz erheblich an Reiz und Attraktivität, aber das – soll man sagen – Phänomen Serie ist ja beinahe allumfassend. Es findet in Druckwerken, Kino, Radio, TV und Spielen statt. Serie gibt es überall und in vielen Erscheinungsformen und nicht erst seit gestern. Es also nur von Literaturwissenschaftlern erfassen lassen zu wollen, würde der Serie als solcher längst nicht gerecht werden. Auch gerät der Forschergruppe die internationale Besetzung zum Vorteil. So kommt man den Erscheinungsformen der Serie mit jedem ›Paper‹ immer einen Schritt näher.

Man lernt ja nie aus und es gab so manch Neues zu hören, aber einem Serienjunkie und Fan war nicht alles neu. Manche Erkenntnis jedoch, so leid es mir tut, gilt unter Fans (teilweise) seit Ewigkeiten als Gemeinwissen. Und auch so manch ›populärer‹ Sachbuchautor ist um mehr als eine Nasenlänge voraus. Sicherlich wurde gerade das (Fan-)Wissen nicht so systematisch aufbereitet, aber diese Erkenntnisse sind oft bei Weitem nicht neu. Was jetzt eigentlich folgen muss, ist ein Austausch zwischen der Welt der Fans und Interessierten, der populären Sachbuchautoren und der akademischen. Die Ergebnisse der Forschungsgruppe »Ästhetik und Praxis populärer Serialität« sollte ihre Ergebnisse nach außen tragen und nicht nur in der akademischen Welt diskutieren und behalten. Fans und Interessierte aller Couleurs könnten die Ergebnisse der Forschungsgruppe nur bereichern. Ein Austausch wäre fruchtbar. Ich habe jedenfalls viele interessante Gespräche geführt und bin auf offene Ohren gestoßen. Wie gesagt, es war nur ganz, ganz wenig von dem zu spüren, was man akademische Allüren nennen könnte.

Daher ist der interdisziplinäre und internationale Ansatz einfach nur zu begrüßen. Die Einflüsse verhindern einen zu beschränkten, abgeschotteten und vielleicht auch zu verkopften Ansatz der DFG-Forschungsgruppe. Das kann man also nur einen frischen Wind nennen. Es gab hier und da noch den Elfenbeinturm und ganz vereinzelt waren noch Äußerungen zu hören, die auf elitäre Allüren schließen lassen, aber im Grunde ist diese Forschungsgruppe erfrischend vorurteilsfrei und längst nicht mehr von Vorurteilen gegenüber der Welt außerhalb der Campusse gezeichnet. So macht Forschen Spaß. Daher mein Vorschlag, auch einmal eine Konferenz zu organisieren, auf der in Workshops Fans und Interessierte und die akademische Welt Gedanken austauschen und gemeinsame Ergebnisse erarbeiten. Ich werde diesen Gedanken einmal an Frank Kelleter herantragen. Es mag sein, dass sich im Laufe der Zeit daraus mal eine fruchtbare Zusammenarbeit ergeben mag, die Talente beider Seiten nutzt.

Auf jeden Fall müssen die Ergebnisse unters Volk (und damit ist nicht nur das akademische gemeint) gebracht werden. So was muss in die Schulen (und erst mal in die Lehrerzimmer). Das Fach Medienerziehung wird immer notwendiger und zwar frei von »U« und »E« und anderen allzu wertenden bzw. abwertenden Kategorien. Sind doch Lehrerzimmer und Feuilletons noch Wachtürme des Schundkampfes, obwohl sich auch hier Änderungen vollziehen. Aber PR-Manager für triviale (im Wortsinn) Medien berichten gelegentlich mal davon, dass im Feuilleton immer noch über die Kultur gewacht wird. Artikel über Populärkultur scheinen das auch immer wieder zu belegen. Forschergruppen wie die zur »Ästhetik und Praxis populärer Serialität«.

Was mich persönlich gestört hat, waren die Fragerunden am Ende der einzelnen Vorstellungen der Arbeiten. Akademiker unterscheiden sich hier nur marginal von Fans auf Cons, wenn es da am Ende eines Panels zur Fragerunde kommt. Der Fan muss nun dem/der Mann/Frau auf dem Podium beweisen, dass er das Thema des Panels kennt, damit vertraut ist und nun mit seinem Wissen angeben muss, und demzufolge holt der Fan unglaublich weit aus. Das ist wie bei ein paar Jungen, die sich einen Wettbewerb im Weitpinkeln liefern. Akademiker machen das auch so. Um zu beweisen, dass ihnen das Thema nicht fremd ist und der/die Fragesteller/Fragestellerin ebenso intelligent wie die Damen und/oder Herren auf dem Podium sind, wird ungeheuer weit (über Pontius und Pilatus) ausgeholt, bis dann zur Erleichterung aller endlich die Frage folgt. Manchmal erscheint die Frage fast schon als Alibi für die ausführliche Einleitung und kommt dem (manchmal genervten) Zuschauer vor wie Ciceros kreißender Berg, der eine Maus gebar. Da braucht man sowohl beim Fan auf dem Con wie auch beim Akademiker auf der Konferenz unglaubliche Geduld. Das tut einfach nicht not. Viele Fragen bedürfen kaum dieses unendlichen Monologes vorweg.

Ich möchte den Vergil paraphrasieren: Ich fürchte die Akademiker, selbst wenn sie kurze Fragen stellen wollen. Das zehrt an meinem Nervenkostüm. Zum Glück war mir dieses Verhalten keineswegs fremd, sodass ich gut trainiert da durchkam oder mich in der Vorhalle nach Getränken umsah, denn das Gestühl zerrte an meiner kaputten Bandscheibe.

Auch die Vorträge hätte ich mir oft etwas freier und lebendiger gewünscht, aber es war ja nicht das Ziel, die Zuhörer zu unterhalten und so wurde oft penibel abgelesen, um das erarbeitete Papier akribisch vorzustellen. Doch kann man das später ohnehin nachlesen. Nun gut, die Form wurde gewählt. Doch ich denke, ein freier Vortrag hätte auch der Lebendigkeit der Veranstaltung gutgetan.

Doch genug der Meckerei. Der Gesamteindruck der Veranstaltung war ausgesprochen positiv. Die Themen waren für mich oft ausgesprochen interessant. So gab Jason Mittell (Midlebury College) Einblicke in die Entstehung seines Buches »Complex TV«, welches quasi seriell entstand und schon fast komplett im Internet zu finden ist. Ausdrücklich lädt er zu Kommentaren ein. Interessant war für mich auch der Vortrag über die »City Mysteries«, die in den USA zwischen 1840 und 1860 erschienen und viele serielle Elemente aufwiesen. Der aufziehende Bürgerkrieg setzte den »City Mysteries« dann ein Ende. Daniel Stein (Uni Göttingen) zeichnete dafür verantwortlich. Der Vortrag von Christina Meyer über die Geschichte des »Yellow Kid« gehörte für mich ebenso zu den Höhepunkten wie die Gegenüberstellung von PR- und »tatort«-Fans und ihren Ritualen beim Konsumieren ›ihrer Serien‹ (Christine Hämmerling, Göttingen und Mirjam Nast, Tübingen). Oder ein Vortrag über den Einfluss von VOD über Serien (Tanja Weber, Christian Junklewitz, Köln). Es zeigt sich, dass der deutsche VOD-Nutzer in der Regel auf die synchronisierte Fassung wartet. Der Vorteil, Serien im Original zu sehen, wird zwar genutzt, aber der weitaus größere Teil will eine deutsche Fassung sehen.

Allein die erwähnten Programmpunkte zeigen das breite Spektrum der Forschungen zur Serialität, aber das würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Dennoch werden wir in den kommenden Wochen und Monaten in Form von Interviews immer mal wieder einen Blick auf die Forschungen werfen.

Aber diese ganze Theorie hat mich dazu inspiriert, ein Experiment in Sachen Serie anzugehen. Mehr dazu findet ihr hier im Zauberspiegel, und ich hoffe, dass sich genügend Autoren (aka Versuchskaninchen) melden, die dieses Experiment mit mir angehen. Ich bin gespannt, ob es klappt und was herauskommt.

Somit wollen wir versuchen, neben vielen theoretischen Aufsätzen zum Thema auch etwas Praktisches zu machen.

Auf geht’s …

Kommentare  

#1 Alter Hahn 2013-06-15 13:40
Ich bin auch mal durch den Göttinger Uni-Campus geschlichen. Als ich für den Lokal-Krimi "Der Todeskuss des Gänseliesels" recherchiert habe, der teilweise in der Unig spielt. Sogar im alten Uni-Gebäude war ich und habe oben die Karzer gesehen, in denen in seiner wilden Studentenzeit auch Bismarck einge Nächte verbracht hat.

So kommen eben mäßige Mittelschüler mal dazu, den Hauch einer Akademie in sich aufzunehmen. Aber ansonsten ist mit die geistige Akademie und der geistige Garten Epikurs lieber...
#2 McEL 2013-06-19 23:54
Für alle, die sich noch daran erinnern, dass aus dem "Elfenbeinturm"-Artikel von 2011 eine gewisse Heruasforderung entstand: Das Ergebnis erscheint endlich im Oktober/November in Buchform unter dem Titel "12 Stunden Frist" und enthält alle drei "Herausforderungswerke". ;-)

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