Perry, Ren und 1984 - Der Heftroman und die Realität zum Vierten
Perry, Ren und 1984
Der Heftroman und die Realität zum Vierten
Perry Rhodan-Kolumne And the times, they are a-changing - Perry Rhodan und der Zeitgeist
Immer wenn die Rede auf die sogenannten ›Silberbände‹ der »Perry Rhodan«-Serie kommt, spalten sich die Meinungen. Die einen mögen die Bearbeitung, die William Voltz Ende der Siebziger begonnen hat, die anderen werfen Voltz und seinen Nachfolgern ›Geschichtsfälschung‹ der Serie vor, in dem sie besonders drastische Lösung umgeschrieben, abgeschwächt oder gar einfach unter den Tisch fallen ließen.
Gut denn. Diesem Handeln wird gern und oft (gerade von Lesern des Originals) attestiert, dass hier nach Art des Orwell’schen »1984« (Serien-)Geschichte verfälscht wurde. Das stimmt, aber nicht um den Alt-Leser zu verärgern. Die Motivation dürfte sein, dass 1979 nicht 1961 war. Die Buchausgabe der Silberbände sollte eine andere, neue Leserschicht erreichen. Um diese auch erreichen zu können war es durchaus nötig, die Geschichte der Serie zu glätten und sie dem neuen Zeitgeist und einer neuen Realität anzupassen. Derlei Anpassungen liefen in der Erstauflage ja erfolgreich. Ob die Anpassungen – sowohl in der Buchausgabe wie auch in der Heftserie - immer gelungen sind, steht auf einem anderen Blatt und bedürfte einer Einzelgfallanalyse.
Sieht man auf das Jahr 1979, stellt man fest, dass die Friedensbewegung sich formierte, Im Zuge dessen auch die Grünen sich politisch formierten und die Themen andere wurden. Kurzum 1979 hatte sich der Blick vieler, auch gerade junger Leute, gewandelt. Frieden und Umwelt war ein erstrebenswertes Ziel. Darauf musste man auch in Sachen der Bearbeitung der Rhodan-Serie reagieren. Der Siegeszug durch die Galaxis musste entschärft werden. Daher war die Bearbeitung unumgänglich.
Für mich verfehlte die Heftserie zum Beispiel das Ziel zwischen den Bänden nach 1000 bis hin zu den 1400er-Romanen, aber das ist Ansichtssache. Für den Verlag gibt es da einen Gradmesser: Die verkaufte Auflage. Über die wissen wir eigentlich nur wenig, aber mit dem 1500er wurde ein Kurswechsel vorgenommen, so dass wohl da tatsächlich Korrekturen nötig wurden.
Die Buchausgabe verkaufte sich mit den Änderungen allerdings sehr gut und schlug ein wie eine Bombe, so dass man wohl in der Tat mehr als nur die Sammler erreichte.
Ich möchte in dieser Sache mal den Blick auf einen anderen Weltraumhelden der Sechziger richten: »Ren Dhark«. Als die Drittauflage der Serie lief war Kurt Brand nicht mehr so zufrieden mit der Serie. Er erkannte so amnche Schwäche und man sprach über nötige Bearbeitungen. Kurt Brand hatte die Silberbände verfolgt und war angetan davon (nicht so sehr davon, dass Romane von ihm rausfielen). Doch der generelle Weg, die Serie zu modernisieren gefiel ihm.
Brand gefiel die Idee »Ren Dhark« und seinen »Weg ins Weltall« neu zu fassen. Fehlentwicklungen rauszuwerfen, anderes neu zu fassen oder umzuschreiben, so dass die Serie sich zum einen dem Zeitgeist und den Realitäten der 90er anzupassen und zum anderen schlüssiger zu erzählen.
Leider verhinderte sein Krebs, dass er sich selbst näher mit diesem Problem befassen konnte. Aber er redete immer wieder davon was raus musste und was umzuschreiben wäre.
Als Nachlassverwalter konfrontierte ich dann den Kelter Verlag mit der Idee. Fast drei Stunden diskutierten die Melcherts und ich 1992 die Idee, die Serie noch mal herauszubringen, aber nicht mehr in der gewohnten Form, sondern neugefasst, gestrafft und mit neuen Romanen und anderen Schwerpunkten. Ich gewann durchaus den Eindruck, das Kelter sich mit dieser Idee anfreunden konnte und sogar ein Taschenheft ins Auge fassten.
Falsch gedacht.
Die Melcherts konnten sich mit dieser Idee nicht anfreunden. Ein Brief erreichte mich am Tag nach dem Gespräch mit den Verlegern, der mich drüber aufklärte, dass man alle paar Jahre eine unveränderte Neuauflage plane (das macht Kelter ja mit einem Gutteil seines Programms).
Mit uns nicht. Wir informierten Kelter, dass wir (die Erben und ich als Verwalter des Nachlasses) auf das im Urheberrecht verankerte Recht auf angemessene Bearbeitung vor einer Neuauflage berufen und keinesfalls eine unbearbeitete Neuauflage gestatten würden …
Nach einigen weiteren Turbulenzen gab Kelter seine Rechte an Ren Dhark auf und der Weg war frei für Hansjoachim Bernt, der sich mit dem Konzept ála Silberbände anfreunden konnte. Manfred Weinland wurde als Bearbeiter geholt.
Im Grunde funktioniert das Konzept wohl, denn die Serie um Kurt Brands Schöpfung läuft seit zwei Jahrzehnten damit.
Was ich mit dieser Geschichte sagen will?
Ein Ren Dhark in unveränderter Form, hätte es IMHO nicht geschafft jemals über die 98 ursprünglichen Bände hinauszukommen. Wahrscheinlich wären die Neuauflagen bei Kelter irgendwann nicht mal mehr bis Band 50 gekommen. Für eine Neubearbeitung wäre es dann zu spät gewesen.
Und so zeigt sich dann auch, dass der Weg, den man in Rasstatt mit den Silberbänden ging, der Richtige war ...
Der Zeitgeist und die Realitäten ändern sich und gerade triviale Unterhaltung ist – bis auf wenige Ausnahmen – ein Kind der Zeit und muss angepasst werden, auch wenn die Realität draußen bleibt, aber erfolgreiche Unterhaltung spiegelt den Zeitgeist.
Und damit wären wir vorerst am Ende dieser Betrachtungen vom Verhältnis der Realität zur trivialen Unterhaltung (vorwiegend am Beispiel des Heftromans). Aber das Thema wird immer wieder mal behandelt werden.
Kommentare
Eine Taschenbuchausgabe vom Zamorra - in der Art der Silberbände bei Perry-Rhodan- so was hat Werner vorgeschwebt. Vermutlich werden spätere Generationen das mal machen und damit eine Kult-Serie zu neuem Leben erwecken... udn für eine neue Leser-Generatin aufbereiten...
Ob bei der Romantruhe ein Umschreiben der alten Zamorra-Romane etwas gebracht hätte, würde ich auch dahin gestellt lassen, denn die Käufer der älteren Serien bei der Romantruhe kaufen gerade dort, weil sie das Original lesen wollen, was für das Buchregal in seiner Darreichungsform schön aufbereitet ist.
Auf Kunden, die nicht mehr als 5 EUR bezahlen wollen für ein z.B. 600-Seiten-Buch kann jeder Verlag sehr gut verzichten. Das ist dann keine Kalkulation mehr, das ist Selbstmord - all die Verlage, die auf niedrige Preise setzen, räumen binnen kurzer Zeit das Feld. Kein Umsatz, keine Möglichkeit, Rechnungen zu bezahlen, der Laden wird dicht gemacht. Dass viele kleinere Verlage und Autoren nur auf den Amazonrang schielen, und nicht auf die Einnahmenseite, habe ich auch schon gemerkt. Und ich frage mich wirklich, was die Steuerberater dieser "Verlage" den Kunden sagen. Vermutlich nichts, die richten sich sicher schon mal darauf ein, demnächst einen weniger zu haben.
Wenn mir etwas zu teuer ist, kaufe ich es nicht. Aber im Internet das Maul aufreißen?
Im Ernst? Halte ich für ausgesprochen bedenklich. Würde ich in einer Neuauflage - oder Ausgabe - kategorisch ablehnen.
Es ist eine Sache, wie bei Rhodan die Geschichte zu glätten und auf Nebenhandlungen zu verzichten, wo man drei Romane auf einer halben Seite als Zusammenfassung referieren kann, ohne dass es jemandem auffallen würde. Und technische Beschreibungen aktualisiert, die man keinem Neuleser zumuten kann, etwas die berühmten Lochkarten.
(Obwohl das ein Kampf gegen Windmühlen ist. Ich habe letztens in einen frühen Silberband reingesehen, und gerade in den technischen Dingen las sich das streckenweise wie Omas SF, nur noch unfreiwillig komisch.)
Aber praktisch aus schwarz weiß zu machen, so nach dem Motto "lassen wir Winnetou dieses mal doch leben", macht die Geschichte ja völlig beliebig.
Ganz zu schweigen von den Sammlern. Okay, das dürfte bei Vampira nicht ins Gewicht gefallen sein, aber das schöne an den Rhodan-Heftneuauflagen war ja lange Jahre, dass man die Hefte auflagentechnisch gesehen willkürlich zusammenkaufen konnte. Vor dem Aufkommen von Ebay und Händlerbörsen war das für den Ottonormalleser schon ein Kaufargument, Lücken mit den Nachauflagen schließen zu können, ohne böse Überraschungen zu erleben.
Obwohl, bei näherem Nachdenken werde ich jetzt unsicher. Ich habe gesehen, dass man bei den Terra Astra-Romanen Neuauflagen tatsächlich bearbeitet hat. Vielleicht ist das bei Rhodan ja auch dezent gemacht worden und man hat es nur nicht groß thematisiert.
Bei der Däki-Neuauflage ist man die Texte ja mit der Lupe durchgegangen und hat mutmaßliche Reizwörter der Prüfstelle mit chirurgischer Präzision entfernt. Aber mit solchen Problemen hatte Rhodan ja nie zu kämpfen.
@6
Aber irgendwann haben sie es dann doch gemacht bei Zaubermond, oder? Ich habe das Teil nie gelesen, aber war HC 14 nicht so ein völlig überflüssiger "was wirklich in Bd. 1 geschah"?
VAMPIRA Neuauflage war völlig überflüssig weil die meisten Leser die Bände schon hatten. Und wegen des bischen neuen Textes lohnte es sich nicht wirklich die Hefte noch einmal zu kaufen.