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Im Raumschiff Orion gehts zur „Heeresleitung”

Im Raumschiff Orion gehts zur „Heeresleitung”


Als „Märchen von übermorgen” kündigt der Vorspann die Fernsehserie „Raumpatrouille” an, die im Herbst 1966 den deutschen TV-Markt aufmischte und sich in den vergangenen 58 Jahren zu der deutschen SF-Kultserie entwickelte. Das „Raumschiff Orion” der Serie hat sich mit seinen Rundflügen durch galaktische Abenteuer bis heute eine Vielzahl alter und junger Fans bewahrt.

Der märchenhafte Erfolg des Fernseh-Siebenteilers ist indes wohl nicht nur auf ein für seine Zeit ausgefeiltes Zukunftsszenario zurückzuführen: Vielmehr greifen die Folgen intensiv auf Ereignisse, Verhaltensweisen und gesellschaftliche Strukturen der deutschen Vergangenheit zurück, die dem TV-Publikum von 1966 noch nicht fremd geworden waren.

Im Gegensatz zum Übermorgen sei daher ans Gestern erinnert: Der Zweite Weltkrieg ist 1966 erst seit gut 20 Jahren Geschichte, die nächste Aufrüstungsphase ist in der jungen Bundesrepublik nahezu abgeschlossen und der Dritte Weltkrieg als Folge der Kuba-Krise 1962 gerade erst abgewendet worden.

Kein Wunder, dass die „Raumpatrouille” von Anfang an sehr soldatisch daherkommt. Dafür sorgt mit Sicherheit auch der Erfahrungsschatz von „Orion”-Erfinder und -Autor Rolf Honold (1919-1979). Er wollte eigentlich Schauspieler werden wollen, musste dann aber für Hitlers Wehrmacht „die Knarre durch halb Europa” schleppen, wie er in Josef Hilgers einzigartigem „Raumpatrouille”-Kompendium von 2005 zu Protokoll gibt.

Ein schönes Beispiel für eine militärisch sehr aufgeladene „Raumpatrouille” ist die zweite Folge mit dem Titel „Planet außer Kurs”. Da brüllen die Generäle, schnarren die Majore und antichambrieren die Ordonnanzen, dass es nur so eine Freude ist. Die Akteure einschließlich Raumschiff-Commander Cliff McLane haben auch allen Grund dazu: Böse Außerirdische lenken einen brennenden Planeten in Richtung Erde, die Menschheit steht vor ihrer Auslöschung.

Die Katastrophe vor Augen, tagen die irdischen Militärs und Regierungsvertreter „in Permanenz”, wie sich Sicherheitschef Oberst Villa vornehm ausdrückt. Diskutiert wird zunächst die Frage, ob und wie eine Evakuierung der Menschheit am besten zu bewerkstelligen ist.

Während sich die Militärs an Raumschiffszahlen festhalten, macht der Regierungssekretär von Wennerstein deutlich, dass eine Evakuierung nicht in Frage kommt. Er fordert vielmehr militärische Maßnahmen gegen die Außerirdischen. Sir Arthur als führender Militär will daraufhin aufgebracht wissen, „was zum Teufel der Oberste Rat ab morgen auf den Marsmonden Deimos und Phobos zu suchen hat” und die Erdbevölkerung offenbar ihrem Schicksal überlässt.

Sicherheitschef Villa merkt in diesem Zusammenhang an. dass ihm der Rückzug des „Obersten Rates auf die Mars-Monde Deimos und Phobos als sehr übereilt und völlig unüberlegt erscheint, genauso wie die Verlegung der Heeresleitung auf die Mars-Außenbasen.” Dass sich zivile Regierungsvertreter angesichts des drohenden Untergangs absetzen, erscheint nachvollziehbar, was aber hat zur Raumpatrouillen-Handlungszeit - immerhin soll es sich um das Jahr 3000 handeln - eine „Heeresleitung” im Sonnensystem zu suchen? Sollte das Militär jener Zeit nicht in „schnellen Raumverbänden” zwischen den Sternen unterwegs sein? Können wir uns Commander McLane und seine Freunde als Angehörige eines „stehenden” Heeres frühmorgens auf dem Appellplatz einer Kaserne irgendwo auf der Erde vorstellen?

Mitnichten. Die Verwendung des Begriffes, der an die finstersten Zeiten des deutschen Militarismus erinnert, scheint dem Bemühen der Drehbuchautoren geschuldet zu sein, die Dialoge des Films mit dramatisch klingenden Worten anzureichern. Der „Heeresleitung” gesellen sich beispielsweise die „Leitstelle” und das im Zuge der TV-Serie fast inflationär verwendete „eliminieren” hinzu.

Auf den Fernsehschirmen hat sich seinerzeit die „Heeresleitung” widerspruchslos versendet. Eine Möglichkeit zur vorsichtigen Korrektur ergibt sich aber 1968 mit den Romanfassungen der TV-Folgen, die Hans Kneifel im Auftrag des Münchener Moewig-Verlages als Tasschenbuch-Reihe vorlegt. Kneifel hält sich indes an die Vorgaben des Original-Drehbuchs und schreibt die unglückliche „Heeresleitung” auch in seiner Romanfassung fort. Dafür passt er aber in „Planet außer Kurs” die Fluchtorte von Regierung und „Heeresleitung” sinnvoll an: Die Politiker steuern jetzt zum fünften Jupitermond Kallisto, die Militärs suchen ihr Heil auf dem Asteroiden Thetis. Die Mars-Monde Deimos und Phobos sind Kneifel offenbar zu klein und dem heranrasenden Planeten zu nahe. Kallisto und Thetis sind wesentlich größer und versprechen augenscheinlich mehr Sicherheit.

Die „Heeresleitung” überlebt auch in der Neuauflage der Orion-Taschenbücher ab Herbst 1972 in der Heftroman-Reihe „Terra Astra” des Pabel/Moewig-Verlags. Dabei hätte es aufgrund der notwendigen Kürzungen des Taschenbuchs aufs Heftformat doch Gelegenheit gegeben, die Raumflotte des Jahres 3000 von dem zähen Ballast eines „Heeresleitung” zu befreien.

Als im Sommer 1990 die sieben ersten Orion-Romane im Haffmans-Verlag als Taschenbücher neu aufgelegt werden, gelten diese Ausgaben sozusagen als der „Gold-Standard”, denn Autor Hans Kneifel hat die Texte überarbeitet und erweitert und dabei auch die tätige Unterstützung des Orion-Fanclubs in Anspruch genommen. Aber er hat die „Heeresleitung” nicht hinausredigiert, sie ist seitdem fester Bestandteil des Orion-Romans „Planet außer Kurs” und damit unseres „Märchens von übermorgen”.

 

Kommentare  

#1 matthias 2024-11-16 11:55
Also ich habe nach dem Lesen dieses Artikels meine ORION Sammlung sofort entsorgt.
Vielen Dank, Herr Gerlach für die Aufklärung!
Man muss mit dem Zeitgeist gehen und so esse ich auch keine NEGERKÜSSE mehr, ebenso gibt es zum Grillen keine Zigeunersoße.
Und jetzt schnell noch die DVD's der 7 Folgen in die Tonne kloppen. Aber vorher werde ich die noch zerstören, damit niemand diese bösen Filme aus dem Abfall holt!

In der Romanheftserie SEEWÖLFE wird Batuti als "herkulisch gebauter Neger" beschrieben ...

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