An sämtlichen Fronten - »Die große Offensive«
An sämtlichen Fronten
»Die große Offensive«
Umberto Lenzi war zweifelsohne eine der vielseitigsten und produktivsten italienischen Filmemacher, der sich im Laufe seiner Karriere in den unterschiedlichsten Genres versuchte und bewährte. Mag er heute insbesondere als Begründer des reißerischen Kannibalenfilms in Fankreisen verehrt sein, hat er seinen Stempel darüber hinaus aber auch Muskel- und Sandalenfilmen, Mantel- und Degen-Streifen, Western, Kriminalfilmen und Kriegsabenteuern aufgedrückt. Im letztgenannten Genre gab er bereits 1969 mit „Die zum Teufel gehen“ seinen Einstand, in einer Zeit also, in der dieses Genre auch im Hollywoodkino noch äußerst populär war und mit stargespickten Filmen wie „Die letzte Schlacht“, „Das dreckige Dutzend“ oder „Die Brücke von Remagen“ die Kinokassen klingeln ließ. Rund zehn Jahre später, als Lenzi mit „Die große Offensive“ einen weiteren Kriegsfilm inszenierte, lag das Genre bereits in seinen letzten Zügen. Aber Filme wie „Schlacht um Midway“ oder „Die Brücke von Arnheim“ hatten kurz zuvor noch einmal versucht, auf den Zug des neu entstandenen Blockbuster-Kinos aufzuspringen und dem Fernsehen mit großem Aufwand Paroli zu bieten. In der Retrospektive ist es gleichwohl erstaunlich, wen Umberto Lenzi für seinen Film alles vor der Kamera versammeln konnte: neben Stacy Keach, Helmut Berger und Samantha Eggar zählen dazu auch die Altstars John Huston, Henry Fonda – und als Erzähler für die US-Fassung kein Geringerer als Orson Welles.
Während 1936 in Berlin unter der Nazi-Führung die Olympischen Spiele ausgerichtet werden und sich bereits abzeichnet, dass die Tage des Friedens gezählt sind, treffen sich der US-General Foster (Henry Fonda), der deutsche Oberleutnant Manfred Roland (Stacy Keach), der Kriegsberichterstatter Sean O’Hara (John Huston) und die bezaubernde Schauspielerin Annette Ackermann (Samantha Eggar) zu einem gemeinsamen Abendessen. Das Treffen legt den Grundstein für die Liebe zwischen Roland und Ackermann, die sechs Jahre später verheiratet sind, als der Zweite Weltkrieg auch die USA bereits in die Kampfhandlungen involviert hat. An den unterschiedlichsten Fronten versuchen die Alliierten, die Vorherrschaft Nazi-Deutschlands in Europa zu brechen und die Demokratie zu verteidigen. Der englische Captain Martin Scott (Giuliano Gemma) lässt Frau (Evelyn Stewart) und Kinder in London zurück, um in Nordafrika ein Kommando zu übernehmen. Dorthin hat es auch den deutschen Leutnant Kurt Zimmer (Helmut Berger) verschlagen, der sich während der Besetzung Frankreichs einer Kriegerwitwe (Edwige Fenech) gegenüber als vollendeter Kavalier erwiesen hatte. Auch General Fosters Sohn John (Ray Lovelock) will sich an der Front bewähren, zumal sein Vater in ihm eher den Versager der Familie sieht.
Auch 45 Jahre nach seiner Entstehung sieht man dem Film noch sehr deutlich an, dass er mit einem enormen Aufwand in Szene gesetzt wurde. Unzählige Panzer, Flugzeuge, Explosionen und Statistenheere lassen „Die große Offensive“ hinsichtlich der Schauwerte keinesfalls hinter den teureren US-Filmen zurückstecken. Auch die internationale Starbesetzung trägt ihren Teil dazu bei, dass man hier auch heute noch gut unterhalten wird. Das Drehbuch hingegen wirkt etwas zusammengeschustert und springt allzu oft zwischen den zahlreichen Schauplätzen und Protagonisten hin und her. Wer auf diese Art des Abenteuerfilms steht, wird aber fraglos gut bedient werden. Die BluRay-Erstveröffentlichung besticht mit einem exzellenten Bild (im Widescreen-Format 2,35:1). Da der Film für seine deutsche Kinoauswertung um fast zwanzig Minuten gekürzt wurde, liegt der hier nun ungeschnittene Film (107 Minuten) nicht in einer durchgängigen deutschen Fassung vor. Man hat die Wahl, sich die geschnittene deutsche Kinofassung (88 Minuten) oder die Langversion entweder mit untertitelten oder nachsynchronisierten Passagen anzuschauen. Der Ton (Deutsch, Italienisch und Englisch jeweils im DTS HD Master Audio 2.0, optional mit deutschen oder englischen Untertiteln) ist ebenfalls nicht zu beanstanden, wenngleich er in der deutschen Kinofassung mitunter etwas dumpf oder blechern klingt. Als Extras gibt es ein sechzehnseitiges Booklet mit zahlreichen Fotos und einem filmhistorischen Text von Leonhard Elias Lemke (mit einem Schwerpunkt zu Regisseur Umberto Lenzi), einen Audiokommentar von Lemke, den US- und den italienischen Trailer zum Film sowie eine größere animierte Bildergalerie.