Ist doch eh alles erfunden! - Mai 2013
Ist doch eh alles erfunden!
: Gewaltig. Der erste große Unterschied besteht schon einmal darin, dass Schattenlord von mir selbst konzipiert und gestaltet wurde. Ich habe hier also klassischen Weltenbau betreiben müssen, um das Reich zu erschaffen, seine Gesetzmäßigkeiten aufzustellen, die wichtigsten Personen festzulegen, und natürlich auch die Orte. Umso mehr, da ja nicht nur ich allein, sondern auch Mit-Autorinnen und Autoren die Serie bestreiten sollten. Bei so etwas ist es unerlässlich, eine "Serien-Bibel" aufzustellen, die für alle die notwendigen Grundlagen bereitstellt, an die sie sich halten müssen, um Widersprüche zu vermeiden. Diese muss dann permanent auf aktuellem Stand gehalten werden.
Aber auch wenn man eine Serie allein bestreitet, sind Datenblätter und gründliche Recherche für die eigene Welt unerlässlich, denn man vergisst sehr schnell, was "vorher" war, und Widersprüche sind schnell geschehen. Passiert ja schon innerhalb eines Romans. Und eine Welt funktioniert ja immer nur mit dem entsprechenden Hintergrund, dadurch gewinnt sie an Tiefe und Glaubwürdigkeit. Sonst habe ich nur ein zweidimensionales Bühnenszenario. Das gilt auch für die Akteure. Figuren entwickeln sich natürlich weiter, aber der Grundcharakter, vor allem das Aussehen, muss vor Schreibbeginn festgelegt werden. Die Namensfindung ist eine Recherche, für die ich sehr viel Aufwand betreibe, und zwar zumeist schon, noch bevor ich das eigentliche Aussehen kenne. Name und Figur müssen zusammenpassen, und daraus ergibt sich dann meist von selbst das dazugehörige Aussehen. Es sei denn, man will einen bestimmten "Typus" beschreiben, wie etwa einen unheilbar Erkrankten, einen Soziopathen, einen Rassisten und dergleichen mehr. Dann wird dieser "Makel" vorangestellt, anhand dessen sich der Charakter nach und nach herauskristallisiert.
Die Recherche bei einem Perry-Roman wird anders angelegt. Hier wird das Exposé vorgegeben und auch zumeist der zu beschreibende Hauptcharakter. Dazu gibt es ein dickes Paket an Datenmaterialien, in die ich mich hineinlesen muss: Welchen Bezug gibt es zu anderen Exposés bzw. bereits existierenden Romanen? Welchen Schauplatz beschreibe ich, ist er neu oder bereits bekannt? Was ist mit den Figuren? Zu all diesen Fleißarbeiten kommt noch die "normale" Recherche hinzu, nämlich welche Nebencharaktere ich beschreiben werde, inwieweit ich Bekanntes ausschmücke, interpretiere oder Neues einführe. Der Aufwand an Vorarbeiten für einen Perry-Heftroman gestaltet sich häufig – nicht immer, je nach Thema – sehr aufwendig. Eine Ausnahme hiervon war aktuell mein Beitrag #2694, wo es hauptsächlich um das Innenleben der Figur ging. Hierzu konnte ich vorwiegend aus meinem Erfahrungsschatz schöpfen. Hintergrundrecherche war dennoch erforderlich, um den Roman in den Serienverlauf einzubetten.
Eine wiederum andere Recherchearbeit erforderte die Serie "Elfenzeit", die ja nicht nur in der Anderswelt spielte und den dortigen Weltenbau erforderlich machte, sondern auch in der "Menschenwelt", und das auch noch abwechslungsweise in der Gegenwart oder in der Vergangenheit, und das an vielen bedeutenden Orten. Hierfür gab es eine Menge zu recherchieren – über den Schauplatz, seine Historie und seine Mythen, auch aktuelles Tagesgeschehen, um all dies mit der Serienstory zu verflechten und sie zu unterfüttern. Ich habe Feedback dazu bekommen, dass so manche aufgrund unserer örtlichen Schilderungen ihren nächsten Urlaub an einem der Schauplätze geplant hatten; andere hatten so gut wie keine Möglichkeit zu reisen und waren begeistert, mit uns auf eine fantastische Reise rund um die Welt zu gehen und eine Menge über fremde Orte zu erfahren. Hierbei müssen natürlich die Fakten sauber recherchiert sein.
: Eine Recherche vor Ort ist natürlich das Tollste, was es gibt. Es ist eine Sache, sich durch unzählige Reiseliteraturen zu wühlen, aber vor Ort zu sein, die Gerüche, die Atmosphäre, das Klima, die Stimmung in sich aufzunehmen, das macht es um einiges authentischer. Vor allem auch, weil man unwillkürlich kleine Begebenheiten und Erlebnisse in den Text mit einfließen lässt, sodass die Leserschaft das Gefühl hat, "mitten dabei" zu sein.
Leider gibt es für mich nur selten Gelegenheit dazu, doch gerade für die Elfenzeit habe ich einiges vor Ort recherchiert. Klar ist das im Prinzip Arbeit, aber für mich einfach das reinste Vergnügen, da ich sowieso auf Reisen am liebsten Sightseeing unternehme und noch den letzten Stein einer Burg umdrehe um nachzuschauen, was drunter ist. Mein Mann und ich sind beispielsweise mit unserem Guide im strömenden Regen auf den schmalen Fenstersimsen des Angkor Wat herumgeturnt, um einen Eindruck zu erhalten, wie "es" von da oben aus ist. "Es" ist hier nicht nur der Blick, sondern viel, viel mehr.
Ich habe immer Reiseführer, Karten und Infos dabei, Schreibzeug und Kamera; außerdem habe ich die Besichtigungstouren im Vorhinein geplant und vor allem die unbedingt anzuschauenden Sehenswürdigkeiten aufgelistet, um nur ja nichts zu verpassen. Ich habe zwei Regalfächer voll nur mit Reiseführern und noch eines mit Karten. Und noch ein ganzes Regal ... äh nein, eigentlich zwei, voller Lexika, Atlanten und Fachbüchern über die Welt. Und das Universum.
Insofern ist es für mich kein Unterschied, ob ich mal "nur" auf Sightseeing-Tour bin oder ganz konkret wegen eines Projektes. Aus der Prä-Digital-Zeit gibt es eine Menge Fotoalben meiner Reisen mit den dazugehörigen ausführlichen Reiseberichten und Andenken wie Eintrittskarten und so weiter, und natürlich auch Reiserouten, auch mit Entfernungen. Das ist insofern toll, weil ich darauf jederzeit zurückgreifen kann, wenn ich für ein Projekt weiterführende Infos brauche (und zwar jetzt sofort und auf der Stelle, weil ich gerade diese Szene im Buch erreicht habe).
Ich verreise eben leidenschaftlich gern, mental wie physisch, und hole mir dabei jede Menge Inspirationen und lerne viel dazu. Schreiben und Reisen. Da gerate ich immer ins Schwärmen.