Von Euree nach Meeraka
Von Euree nach Meeraka
Zu ihrem Leidwesen müssen sie diese allerdings als Besitz des Sklavenhändlers Emroc betreten, und zu allem Überdruss werden die beiden auch noch auf verschiedene Sklavenmärkte verfrachtet. Schon bald wirft Tuman ein Auge auf Matthew und erwirbt selbigen für seinen Herrn Kapitaan Colomb. Angespornt von alten Schriften will es Colomb Christoph Kolumbus gleichtun und auch im 26. Jahrhundert das sagenumwobene Meeraka entdecken. Matts Flucht- und Sabotierversuche bleiben unglücklicherweise erfolglos, und so sticht die Santanna inklusive dem Mann aus der Vergangenheit gen amerikanischen Kontinent in See.
Auffallend ist bei diesem Roman vor allem zweierlei. Erstens wird der MX-Namensgeber im Gegensatz zu den früheren Geschichten nicht als tollkühner und abgebrühter Held dargestellt, sondern findet sich auf einmal in einer wehrlosen Sklavenrolle wieder. Aus dieser vermag er sich trotz Anstrengungen auch nicht zu befreien und wird zum Schluss anstatt einer gewohnten Wiedervereinigung mit Aruula ganz ohne seine Geliebte Richtung Amerika verschleppt. Dies bedeutet für Matthew zwar einen enormen Machtverlust und zeigt dessen Schwächen auf, ist aber für die Identifikation des Lesers mit unserem Helden durchaus zuträglich, da er hiermit auch an Menschlichkeit gewinnt.
Zweitens muss sich der MX-Fan der ersten Stunde nach 20 Romanen mit einem unschlagbaren Duo nun erstmals damit abfinden, dass Aruula und Matt längerfristig voneinander getrennt werden. Dies hat zur Folge, dass Aruula in dieser Geschichte höchstens zur Nebenfigur am Sklavenmarkt verkommt, was Fans der ansonsten so wilden und stolzen Barbarin wohl bitter aufstößt. Trennungen der beiden sind ja auch heute noch das Thema von unzähligen Diskussionen in der MX-Fangemeinde. Entgegen der Meinung vieler anderer muss ich allerdings gestehen, dass diese besonderen Umstände für mich durchaus ihren Reiz haben: das bunte MX-Universum verkraftet es gut, wenn phasenweise nur eine (oder gar keine) der beiden Hauptfiguren einen größeren Auftritt in einer Geschichte hat.
Umso spannender ist es daher, dass im nächsten Heft ( von Bernd Frenz) das weitere Schicksal von Matthew ausgeblendet und dafür ein Augenmerk auf die Erlebnisse von Aruula geworfen wird. Diese wird ebenfalls auf dem Sklavenmarkt präsentiert, aber schon bald von dem Nosfera Navok, der einen unglaublichen Hass auf Emroc und die Sklaverei entwickelt hat, gerettet. Dieses Glück ist aber nur von kurzer Dauer, da Aruula zu einem von Bunkermenschen entwickelten Helm gelangt, mit dem sie vom Techno Solan gegen ihren Willen gesteuert werden kann. Selbige Fernsteuerung wird ihr allerdings von den Technos abgenommen, als diese von Aruulas Zusammenarbeit mit einer anderen Bunkerkolonie erfahren. Ein Wesen, halb Taratze und halb Techno, mit dem namen Susarrn hat es indes auf die hiesigen Bunkermenschen abgesehen und kann selbige mit Viren vollständig ausrotten.
Trotz ihrer Hauptrolle ist diese Geschichte keine erbauliche für die stolze und freiheitsliebende Barbarin. Zuerst wird sie wie ein Stück Ware und ohne ihre Kleidung den gaffenden und lüsternen Blicken der Besucher des Plymether Sklavenmarktes präsentiert, und anschließend muss sie sich wie ein ferngesteuerter Wagen den Willen eines technisch überlegenen Bunkerbewohners aufzwingen lassen. Da Selbstständigkeit und Freiheit für Aruula wohl die wichtigsten Werte in ihrem Leben sind, ist somit der Titel Die wandelnde Tote für diese Roman nur allzu treffend gewählt. Zudem wird, ähnlich wie im vorigen Heft, anscheinend ganz bewusst darauf abgezielt, dem Leser auch die Schwäche und Hilflosigkeit der Hauptfiguren zu kommunizieren.
Im Falle von Aruula stellt sich außerdem mindestens indirekt die Frage, ob ein technischer Fortschritt auch gleichzeitig ein moralisches Voranschreiten bedeutet. Ist der hochtechnisierte Helm, der die Barbarin zu einer Spielfigur und einem Avatar von Solan macht, etwa besser zu beurteilen als die herkömmliche Sklaverei von Emroc? In beiden Fällen wird Aruula ihrer Handlungsfreiheit durch immense Machtausübung beraubt, und nur die Mittel darin unterscheiden sich. Umso interessanter finde ich es, dass ich trotz dieses Wissens wesentlich mehr Sympathien für die Plymether Bunkermenschen entwickeln konnte, und deren Ableben am Ende ziemlich bedauerte. Aruula dürfte dies übrigens ähnlich sehen, da sie gegen Ende des Romans (erfolglos) versuchte, das drohende Unheil von den Technos abzuwenden.
Der Gerechtigkeit halber erfahren wir im nächsten Roman ( von Ronald M. Hahn) wieder etwas von Matts Schicksal. Langsam nähert sich die MX-Saga damit immer mehr dem nächsten Zyklus, da sich in Heft 23 die Santanna auf direktem Weg nach Meeraka befindet. Bei einem Zwischenstopp auf einer Insel entdeckt die Besatzung eine riesige Bibliothek aus der Zeit vor Christopher-Floyd. Allzu viel kann davon allerdings nicht gerettet werden, da Colombs Gegner Delleray ebenfalls auf diese Insel zusteuert und die Besatzung der Santanna angreift. Durch die Mithilfe Matts können Delleray und seine Mannen allerdings besiegt werden, was Matthew den Rang des Ersten Lytnants beschert.
Dieser soziale Aufstieg in der Hierarchie der Schiffscrew sei Matt nach seiner Zeit als unterster Sklave und nach seiner Seekrankheit durchaus gegönnt. Übrigens soll diese Geschichte in weiterer Folge nicht der einzige MX-Roman von Ronald M. Hahn bleiben, der auf hoher See spielt. Da der letzte Roman mit Matt im ersten Zyklus durchaus zu gefallen wusste, ist das auch nicht von Nachteil.
Während Matts Reise zu einem anderen Kontinent hat Aruula in Band 24 ( von Jo Zybell) im Schlaf eine Vision einer Göttersprecherin, welche meint, der Weg zu ihrem Geliebten führe über ihre ehemalige Heimat. Bevor sie tatsächlich zu den 13 Inseln aufbricht, begegnet sie einem sonderbaren Heiler, der sich als der verrückte Prof. Jacob Smythe herausstellt. Dieser implantiert der Barbarin einen Sensor, mit dem er ihr jederzeit Stromstöße verabreichen kann. Aruula hat jedoch das Glück, von Rulfan gerettet zu werden und mit diesem zu den 13 Inseln zu fliegen. Dort wird auch Smythe von einem Izeekepir angegriffen und ist seitdem unauffindbar.
Romane mit dem sympathischen Bösewicht Smythe sind für mich immer ein kleines MX-Highlight. Dass die Reise ins 26. Jahrhundert dem Professor nicht gut getan hat erkennt man daran, dass er sich als Herrscher der Welt sieht und als eben solcher einen Haufen ihm ergebener Nosfera um sich schart. Auf Matt hat er es besonders abgesehen und versucht deshalb von Aruula herauszufinden, wo sich selbiger aufhält. Ein intelligenter, verrückter und doch ein wenig liebenswerter Gegner von Matthew und Aruula verleiht MX meiner Meinung nach einen gewissen Schliff. Schade ist nur, dass Smythe für meinen Geschmack von Beginn der Serie an viel zu wenig häufig auftritt, und meist mit einem halb-offenen Ende angedeutet wird, dass er nun endgültig tot ist. Nichtsdestotrotz hoffe ich (und ich denke, da bin ich nicht allein ), dass Smythe auch in aktuellen Romanen in irgendeiner Form wieder auftaucht.
Heft 24 ist gleichzeitig auch das Ende des Euree-Zyklus. Wer an einer umfassenderen Reflexion über diese erste Reise durch Raum und Zeit interessiert ist, der sei auf Cathrins Kolumne verwiesen. Im Folgenden seien nur ein paar Anmerkungen aus meiner Sicht zu diesem ersten MX-Jahr gemacht.
Zuerst stellt sich bei jeder Romanheftserie natürlich die Frage, inwiefern die Einteilung mehrerer Hefte zu übergeordneten Zyklen überhaupt Sinn ergibt. Schließlich, so könnte man argumentieren, fördere dies nur den Umstand, dass kurz vor Ende des Zyklus mit ein paar unvorhersehbaren Wendungen alles wieder zurechtgebogen wird. Und falls keine abrupte Auflösung gegen Ende vonnöten ist, da der spätere Zyklus sowieso unmittelbar an den früheren anschließt, so stelle sich die Sinnfrage nach Zyklen erst Recht. Wie man es auch drehe und wende, Zyklen seien willkürlich eingeteilt und durch die immer gleiche Länge könnten sich größere Handlungsstränge entweder nicht gebührend entfalten oder würden mit Lückenfüllern ausgestopft.
Befürworter von übergeordneten Handlungen könnten darauf nun erwidern, dass es sich ohne Zyklen bei Romanserien nur um ein ewiges Dahinstolpern mit fehlenden Höhepunkten und ohne ordentlichen Spannungsaufbau handle. Zyklen bei Romanheften hätten ähnlich wie Staffeln bei vielen Fernsehserien nämlich die wichtige Funktion, einen komplexen Gedanken, der sich eben nicht in einer einzigen kurzen Geschichte erzählen lässt, zu bündeln und über längere Zeit zur Entfaltung zu bringen. Außerdem sei es der Übersicht halber für Fans und auch Neueinsteiger wesentlich angenehmer, auf einen Blick die verschiedenen Themen einer Serie in Form von Zyklen betrachten zu können. Ansonsten verliere man bei langlebigen Fortsetzungsgeschichten mit mehreren hunderten oder tausenden Heften ja vollkommen den Überblick.
MADDRAX ist nun definitiv eine Serie, die nicht nur aus einem Haufen zusammengesetzter Einzelromane besteht. Zwar konnte man im ersten Zyklus noch wesentlich häufiger gewisse Monster der Woche beobachten, die in weitere Folge keine Rolle mehr spielen sollten. Allerdings tauchten vor allem gegen Mitte und Ende des Euree-Abenteuers einige Umstände und Figuren auf, welche die Serie auch noch Jahre danach bereichern sollen. Etwa ist der verrückte Smythe zumindest in den ersten paar MX-Jahren kaum wegzudenken, und auch der kleinwüchsige Sepp Nüssli soll immer wieder einmal die Fans zum Lachen bringen. Mit den Hydriten und den Technos wurden zwei Völker eingeführt, die ihr Potential erst viel später voll ausschöpfen werden, und auch Matts kurze Liaison mit Jennifer Jensen soll durch ihre Konsequenzen noch für gehörig Aufmerksamkeit sorgen. Und schließlich wird auch die Schifffahrt nach Meeraka den Fortgang der Saga bestimmen.
Aus diesem Grund halte ich es schon für sinnvoll, einzelne große Handlungsabschnitte irgendwie zu ordnen. Mit den ersten beiden Zyklen (Euree und Meeraka; später sollen auch noch Afra folgen) hat man dieses Problem insofern geschickt gelöst, als dass die Handlung eines Zyklus eben auf einem bestimmten Kontinent des 26. Jahrhunderts spielt. Dies erlaubt eine sinnvolle Sortierung größerer Handlungsstränge, ohne aber zwanghaft auf ein relevantes inhaltliches Ende eines Zyklus hinarbeiten zu müssen. So viel sei nämlich zu Meeraka gesagt: die Ankunft dort knüpft unmittelbar an die vorangegangenen Erlebnisse an.
Der kritische Leser mag dennoch vielleicht geneigt sein zu argumentieren, dass eine Kennzeichnung von Zyklen durch Kontinente nicht eindeutig sei, da selbige später ja wieder bereist werden könnten. Dies kann tatsächlich zu einem Problem in der Zukunft werden, tut aber der geschickten Kontinent-Idee des MX-Beginns keinen Abbruch. Beispielsweise in Euree tut sich eine unglaubliche Fülle von Orten und Kulturen auf, die dem Leser nur zu gut an das 21. Jahrhundert erinnern, aber trotzdem in eine postapokalyptische Welt eingebettet sind. Und genau das verleiht MX auch seinen Charme, gekonnt mit Klischees zu spielen und so zumindest mir immer wieder ein breites Grinsen ins Gesicht zu zaubern.
Kommentare
Zitat: Na ja... Ihre Kleidung bestand ja ohnehin nur aus einem Lendenschurz, der eher einem Micro-Tanga gleicht, und Stiefeln, die ihr bis zu den Schenkeln reichen. Insofern wird Aruula das ganz gut verkraftet haben. - Ich meine den Verlust ihrer "Kleidung" und die "lüsternen" Blicke.
Zitat: Das macht mir als Stammleser auch nichts aus. Allerdings habe ich in den letzten Wochen einen ehemaligen Altleser und potenziellen Neuleser dahingehend bearbeitet, daß dieser sich doch mal wieder MX kaufen und lesen solle. Er legte sich Bd. 278 zu. In diesem Band kam jedoch wohl werder Maddrax, noch Aruula vor...
Und somit war das Interesse an einem Neueinstieg des Lesers erloschen. :-(
Ich finde das natürlich selber schade, daß dieser Jemand der Serie zumindest nicht mal zwei Bände lang eine Chance gibt.
Zitat: Jaja... Ich glaube, da kam mal wieder die kleine sadistische Ader eines Autor durch...
Olle Jo Zybell weiß, was uns gefällt.
Die Kennzeichnung der Zyklen durch Kontinente kann in sofern bebehalten werden, daß beispielsweise der nächste Zyklus, der wieder in Euree (Europa) spielt, einfach Euree II (und so fort) bezeichnet wird. In welcher genauen Reihenfolge die verschiedenen mit Namen der Kontinente bezeichneten Zyklen spielen kann der Gelegenheitsleser über die MX-Zeitleiste, dem Bastei-Forum oder dem Maddraxikon herausfinden. Jedoch liegt der Reiz an einer Heft-Romanserie ja darin, kontinuierlich die Hefte zu lesen und das Geschehen zu verfolgen.
Natürlich muß die Zyklenbezeichnung durch Kontinentenamen nicht beibehalten werden. Es gibt Länder, Inseln und Landstriche, die zwar entsprechenden Kontinenten zugeordnet sind, die aber genug Potenzial bieten einen ganzen Zyklus (beispielsweise 25 oder 50 Hefte) dort spielen zu lassen. So könnte beispielsweise ein Zyklus, der 25 Hefte lang auf Madagaskar spielt eben diese Bezeichnung erhalten. Dazu kommen noch die Zyklen, die gar nicht auf Land spielen, sondern im/unter Wasser oder in der Luft, auf dem Mond und Weltall angesiedelt sind. Diese Zyklen können durchaus mit eigenständigen Bezeichnungen wie beispielsweise Atlantis-, Unter Wasser- oder Mond-Zyklus betitelt werden.
Zyklen, bzw. deren Abschlüsse und Anfänge sind in Folge dessen hilfreich, daß die Autoren einen evtl. roten Faden zum Abschluß bringen und Neueinsteiger einen besseren Einstieg in die Serie finden können.
Der zweite Ausflug jetzt nach Euree wurde Schatten-Zyklus genannt, was ich besser finde als eine Durchnummerierung.
Nummerierungen finde ich erstens total langweilig und zweitens: wer kann sich nach ein paar hundert Heften noch an den Inhalt der Geschichte erinnern, wenn nur irgendeine Nummer drüber steht.
Wandler-Zyklus, Schatten-Zyklus, Daa'muren-Zyklus - da weiß ich sofort, was dran war - auch noch nach Ewigkeiten. In dieser Hinsicht fällt auf, dass die Zyklen in MX auch häufig nach dem Bösewicht des jeweiligen Zyklus genannt werden. Ich schätze, der jetzige Zyklus geht auch als KROOW-Zyklus oder als "Meteorit-Zyklus" o.ä. in die Geschichte ein...
Vielleicht könnte man beispielsweise auch einen Zyklus nach einen bestimmten Gegenstand benennen?! Vielleicht dauert es einen ganzen Zyklus, bis MX die Bundeslade findet. Dann is' dat der Bundesladen-Zyklus.;-)
Dem Betiteln von Zyklen sollte keine Grenzen gesetzt werden.