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Bibliophile Schätzchen - Auf den Spuren des Codex Gigas

Bibliophile SchätzchenAuf den Spuren des Codex Gigas
... oder was ist die Teufelsbibel?

„Als die Archäologen auf die Skelette stießen, waren sie zuerst überrascht. Ihre Überraschung wandelte sich in Entsetzen, als sie weiter gruben. Was sie für die sterblichen Überreste von Mönchen gehalten hatten, waren tatsächlich die Gebeine von Frauen und Kindern. Irgendwann vor Hunderten von Jahren musste in dem Benediktinerkloster in Südböhmen, an dessen ehemaligen Standort sie gruben, eine Katastrophe geschehen sein.
 
Etwas, das die Mönche veranlasst hatte, gegen alle benediktinischen Regeln diese Leichen am Rand ihres Friedhofs in einem unbezeichneten Massengrab zu verscharren und das Geheimnis zu bewahren, bis das Schicksal das Kloster selbst von der Erdoberfläche tilgte. … Diese Geschichte erzählt, was möglicherweise passiert ist.“
(Aus: Die Teufelsbibel von Richard Dübell)
Spannend liest sich die Einleitung zu Richard Dübells 2007 erschienenen historischen Roman Die Teufelsbibel, der nur den ersten Teil einer bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollendeten Trilogie darstellt. Des Weiteren ziehen auch die folgenden Seiten des Buchs den Leser in Bann, die zum Teil mit erschreckender Nähe zur Realität das brutale Mittelalter beschreiben. Spannend genug, um die Neugier des Lesers zu wecken, und sich einmal etwas genauer mit dem Mythos um die geheimnisvolle Teufelsbibel, wegen seiner enormen Größe auch Codex Gigas genannt, zu beschäftigen.

Der Codex GigasDoch, um was geht es eigentlich in Dübells Roman?
Der kleine Andrej von Langenfels befindet sich mit seiner Familie in einem Kloster, das ein Geheimnis birgt. Hier wird die legendäre Teufelsbibel aufbewahrt, und Andrejs Vater ist gekommen um sie zu stehlen. Er erzählt Andrej von der Geschichte eines Mönchs, der sich mit großer Sünde beladen hatte, und der zur Buße sein ganzes Wissen niederschreiben wollte – eingesperrt in den Mauern seines Stifts. Sein Abt erklärte sich einverstanden damit, und so wurde der Sünder eingemauert, wo er sich sogleich an die Niederschrift machte. Schnell musste der Mönch jedoch merken, daß er alleine diese Aufgabe nicht bewältigen könnte, und so betete er in seiner Verzweiflung zum Teufel, der ihn letztlich erhörte um ihm beim schreiben des Manuskripts half. Nun wusste der Mönch aber, daß Satan auch seine eigenen verderbten Worte aufzeichnen würde, und so versteckte er klug auf einigen Seiten den Schlüssel zur Aufklärung und zum Verständnis der üblen Schriften. Als letztes zeichnete er in die Mitte der Bibel eine Warnung für seine Mitbrüder - ein Abbild des Teufels. Als diese Tage später das Verließ freilegten, war der Mönch tot -verbrannt - und die vollendete Teufelsbibel lag unschuldig auf einem Pult neben seinem Leichnam.

Soweit zum Roman.

Die Wirklichkeit könnte ganz ähnlich gewesen sein, denn die Teufelsbibel existiert tatsächlich auch heute noch. Und auch der Mythos um ihre Entstehung existiert noch in diesen Tagen, allerdings unterscheidet sich ihr Ausgang ein wenig von Dübells Romanversion. Von einem „Schlüssel“ ist nicht die Rede, und der Buße tuende Mönch überlebt besagte Zeit mit dem Teufel, wird aber seines Lebens nie wieder glücklich.


Im Roman wird der Codex Gigas alle paar Jahre wieder in ein neues Versteck gebracht, denn natürlich sind böse Gestalten hinter den wertvollen Pergamenten her, kann man sie doch schließlich zum Guten aber auch zum Bösen einsetzen. Der echte Weg der realen Teufelsbibel lässt sich aber fast genauso spannend nachvollziehen.

Geschrieben wurde der echte Codex Gigas von einem Benediktinermönch des Klosters Podlazice in Böhmen. Die Aufzeichnungen enden 1229.

Der Codex Gigas - Ein sehr großes Buch1245 wird die Teufelsbibel nach der Zerstörung des Klosters Podlazice ins Zisterzienserkloster Sedletz verbracht, einige Jahre später, 1477, ins Benediktinerkloster Brevnov wo sie bis 1593 in der Bibliothek aufbewahrt wurde. 1594 landete das Manuskript in der Kuriositätensammlung Kaiser Rudolf II, wurde aber nach Ende des 30jährigen Krieges von der Schwedischen Armee beschlagnahmt, nach Stockholm verbracht und seitdem in der Schwedischen Nationalbibliothek aufbewahrt. Die Königliche Bibliothek in Stockholm hat 2007 das Buch als Leihgabe dem Prager Klementinum zur Verfügung gestellt, wo es von September 2007 bis März 2008 zu sehen war.

Die TeufelsbibelDie Teufelsbibel ist mit 92 cm Höhe, 50 cm Breite, 22 cm Dicke und 75 kg Gewicht, das größte mittelalterliche Manuskript der Welt, auch Codex Gigas genannt. Die Bezeichnung „Gigas“ stammt aus dem griechischen und heißt soviel wie groß oder riesig. Eingebunden in einem hölzernen mit Leder bezogenem und Metallornamenten verzierten Umschlag enthält dieser Codex neben dem Alten und Neuen Testament, die jüdische Geschichte des Flavius Josephus, die Böhmische Chronik des Cosmas von Prag, Totenlisten, sowieso kalendarische Betrachtungen und magische Formeln. Sie wurde in lateinischer Sprache zu Anfang des 13. Jahrhunderts verfasst, und ist noch heute in der schwedischen Nationalbibliothek in Stockholm zu bewundern. Das aber wohl markanteste Werk in der Teufelsbibel das ihr zugleich ihren Namen bescherte, ist die ganzseitige Illustration des Teufels auf Blatt 291.

Moderne Wissenschaftler hegen übrigens starke Zweifel an einem nicht menschlichen Verfasser des Buchs, die Herkunft und den Sinn des im Codex enthaltenen Abbildes oder der zum Teil geschwärzten Seiten kann allerdings niemand erklären. Ist da vielleicht doch etwas an dieser Legende? Was ist mit den verschwundenen Seiten des Manuskripts?

Der Aufenthaltsort dieser geheimnisvollen Seiten ist bis heute unbekannt, ebenso der darauf festgehaltene Wortlaut. Wurden die Seiten bei einem missglückten Versuch die Bibel zu stehlen eilig entfernt, vielleicht mit dem Plan das Buch später zu holen und so dessen Macht habhaft zu werden? Handelt es sich bei den Pergamenten vielleicht doch um Dübells gemutmaßten Schlüssel? Hat womöglich sogar die Kirche ihre Finger im Spiel, und der Schlüssel wurde zu aller Sicherheit bewusst entfernt? Wo könnten sich diese Zeilen dann heute befinden? Versteckt in den Katakomben des Vatikans eventuell, dort sollen ja noch andere unzählige Geheimdokumente ihre letzte Ruhestätte gefunden haben... oder entsprechen die Vermutungen es handele sich bei den losen Seiten um Disziplinarregeln der Benediktiner eher der Wahrheit? Warum aber sollten diese dann aus dem Codex entnommen worden sein?

Ein Problem was die Lösung des Rätsels schwer macht ist der häufig vollzogene Ortswechsel. Es ist nicht nachvollziehbar, wann oder von wem die insgesamt drei fehlenden Seiten aus dem Buch entfernt wurden.

Natürlich kann man jeglichen Mythos und jede von Generation zu Generation weitergetragene Geschichte mit Unwissen oder Aberglauben erklären. Selbstredend war auch das durch die Kirche geprägte Mittelalter sicher ein guter Raum für solche Hirngespinste, und doch.. steckt nicht in jeder Legende auch ein Körnchen Wahrheit? Es gibt weder Beweise gegen einen diabolischen Autoren noch gibt es welche dafür, wenn man sich aber näher mit dem Geschehen um das Manuskript herum beschäftigt, so werden weitere mysteriöse Zusammenhänge deutlich, für die man nur teilweise eine logische Erklärung finden kann.

Ausgrabungen im Kloster PodlaziceBeispielweise wurde  bei archäologischen Ausgrabungen im Jahre 2003 tatsächlich ein mysteriöses Massengrab entdeckt, das Skelette von Frauen und Kindern enthielt. Es ist bislang ungeklärt wer die Menschen waren, und warum sie gerade dort auf dem Mönchsfriedhof begraben wurden. Handelt es sich bei den Toten um die Opfer einer heimtückischen Krankheit, oder könnte es sich tatsächlich um eine Tragödie mit übernatürlichem Einfluss handeln?

Ist es Zufall, daß das Kloster Podlazice kurz nach Fertigstellung der Bibel völlig zerstört wurde? Ähnlich ging es dem Kloster in Brevnov (dt. Breunau), das zwar nicht komplett aber dennoch fast gänzlich in Schutt und Asche gelegt wurde nachdem das Manuskript dorthin verbracht worden war.

Historische Darstellung von BroumovAuch das Dorf Broumov (dt. Braunau), in dessen Kloster die Bibel später verbracht wurde, blieb vom Unheil nicht verschont. Über Jahre hinweg suchten immer wieder Seuchen, Überschwemmungen und Hungersnöte die Bewohner heim. Eine alte Sage erzählt von den Fußabdrücken die der Teufel hinterlassen hat, einem Hauch von Zwietracht, der letztendlich zu den Auseinandersetzungen zwischen Protestanten und Katholiken führte und am Ende den Weg frei machte für den Dreißigjährigen Krieg.

In Richard Dübells Teufelsbibel jedenfalls ist klar, daß das Buch niemals in die falschen Hände gelangen darf, und der Leser wird hineingezogen in einen echten Thriller um die Jagd nach der Macht die vom Codex Gigas ausgeht. Wie in der Rezension nachzulesen schafft es der Autor ganz vorzüglich reale Orte und Personen mit seinen fiktiven Helden und Schurken zu kombinieren, und auch wenn die eine oder andere Darstellung etwas von den realen Fakten abweicht, so kann man sich doch dem Reiz der Sache nicht entziehen. Der teuflische Einfluss der diesem Manuskript innewohnen soll (real und fiktiv) bleibt ein Mysterium, und jeder mag selbst entscheiden, ob etwas Wahrheit darin liegt. Ich für meinen Teil möchte gerne an solche Mythen und Legenden glauben, das macht das Leben doch um Einiges interessanter.

Das wirkliche Rätsel jedoch wird wohl niemals gelöst werden können.

Reale Schauplätze des Romans:
Kloster Podlazice
Erste Nennung des Kloster um 1159, es wird vermutet daß die Gründung aber einige Jahre zuvor stattgefunden hat. Als Gründer bezeugen die Klosterurkunden den Adligen Vrbata. Ab 1344 gehört Podlazice zum Bistum Leitomischl, einem ehemaligen Bistum auf dem heutigen Gebiet der tschech. Republik. Es wird 1421 während der hussitischen Kriege vollständig zerstört. Auf Veranlassung des Königgrätzer Bischofs Johann Franz von Talmberg wird von 1696-1721 an der urspr. Stelle des Klosters die St. Margareten Kirche errichtet.

Aufgrund arch. Ausgrabungen in den Jahren 1908-1909 konnte die genaue Lage des früheren Klosters Podlazice bestimmt und erforscht werden. Bei neuerlichen Ausgrabungen im Jahre 2003 wurde zudem ein Massengrab ausgehoben, dessen Sinn und Herkunft bisher nicht geklärt werden konnten.

Kloster Sedletz
Ehemaliges Zisterzienserkloster in Sedlec, heute Stadtteil von Kutna Hora in Tschechien. Erste Niederlassung der Zisterzienser in Böhmen. Die dort zugehörige Klosterkirche Mariä Himmelfahrt gehört seit 1995 zum UNESCO-Welterbe.

Kloster Brevnov (Stift Breunau)
993 vom Hl. Adalbert (zweiter Bischof von Prag) gegründetes Benediktinerkloster. Wurde 1420 von den Hussiten zerstört.

Kloster Broumov (Stift Braunau)

Kloster des Benediktinerordens der Stadt Braunau im Bezirk Nachod. Ab 1420 bildet es gemeinsam mit dem Stift Breunau ein Doppelkloster, nachdem dieser im hussitischen Krieg zerstört wurde.

Andere interessante Fakten zur Erklärung:
Hussitische Kriege
Namensgeber der Hussiten (daraus resultierend: hussitische Kriege) war der Theologe und Reformator Jan Hus, der den Reichtum der Kirche kritisierte, einzig die Bibel gültig für Glaubensfragen gelten ließ und die Unfehlbarkeit des Papstes nicht anerkannte. Hus wurde 1415 als Ketzer verurteilt und verbrannt, was heftige Proteste sowohl in der Bevölkerung als auch in Adelskreisen aufkommen ließ. Als König Wenzel (Wenzel von Luxemburg, 1363-1419 König von Böhmen) versuchte die aufständischen hussitischen Anhänger aus Kirchen und Staatsämtern aus zuschließen führte dies zum Aufstand und 1420 letztlich zum Krieg. Dieser endete 1434.

Kaiser Rudolf II.
Geboren 18. Juli 1552 in Wien, gestorben 20. Januar 1612 in Prag. War von 1576 bis 1612 Kaiser des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation. Seine Kunstsammlung bildete den Grundstock der Brueghelsammlung des Kunsthistorischen Museums in Wien und war die größte ihrer Zeit. Die Sammlung, darunter auch die Teufelsbibel, wurden nach Prags Eroberung 1648 von den schwedischen Armeen geplündert und in alle Welt zerstreut.

Dreißigjähriger Krieg
Von 1618-1648 geführter Religionskrieg um Vorherrschaft oder Gleichgewicht zwischen den Mächten Europas. Hauptgrund der Querelen zwischen der Katholischen Liga (Personen mit Sitz und Stimme im Reichstag des Hl. Röm. Reiches D.N.) und der Protestantischen Union (Zusammenschluß von acht prot. Fürsten und 17 prot. Städten im Hl. Röm. Reich) waren gegensätzliche Ansichten was Kirche und Religion betraf. Nach einer ersten Reformation die Deutschland konfessionell gespalten hatte wurde eine Verfassungsordnung und ein Mächtegleichgewicht zwischen den Konfessionen im Reich geschaffen. Mit weiterer Ausbreitung der Reformation allerdings schwand auf katholischer Seite die Bereitschaft zum Kompromiss was später zum ersten Prager Fenstersturz und weiterhin zum Krieg führte.

Parallel dazu bekämpften sich die habsburgischen Mächte Österreich und Spanien mit Frankreich, den Niederlanden, Dänemark und Schweden, nachdem Frankreich jahrelang versuch hatte sich aus der Umklammerung der habsburgischen Territorien zu befreien.


Quellen:
Wikipedia-Artikel: http://de.wikipedia.org/wiki/Codex_Gigas
Hintergrundrecherche von R. Dübell: http://www.teufelsbibel.de
Nationalbibliothek Schweden: http://www.kb.se/codex_gigas/eng/
Kloster Podlazice: http://geo-cz.com/podlazice/historie.htm
Abtei Braunau:http://klasterbroumov.broumovsko.cz/intro.php?lang=de

Kommentare  

#1 Dolmial 2009-02-11 21:16
Sehr interessant, diese Abhandlung um eine vermeintliche Teufels-Bibel. Doch lassen die unsicheren Ereignisse und die verschwundenen Seiten, sowie die Unsicherheit der Echtheit dieses Werkes unter vielen sogenannten Bibeln der anderen Seite nur den Schluss zu, dass es das Wort des Teufels einfach nicht gibt. Um die Bibel sind kaum so viele Mythen bekannt: sie existiert einfach, sie hat es nicht noetig um Anerkennung zu ringen. Es ist eine Schande fuer alle Kraefte des Boesen! :zzz

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