Ein großer Schwede - Henning Mankell verstorben
Ein großer Schwede
Henning Mankell verstorben
... oder zumindest etwas von ihm im Bücherschrank stehen hat.
Mit seinen 40 Romanen und Theaterstücken hatte er es geschafft, zu einem der großen Autoren der Gegenwart zu werden, nicht nur einer der großen Autoren von 'Skandinavienkrimis', das wäre viel zu kurz gefasst.
In Stockholm 1948 geboren, wuchs er mit einer Schwester beim Vater auf. Die Eltern hatten sich damals scheiden lassen. Er verließ früh die Schule, ging zur See und 'landete' schließlich beim Theater. Er begann Schauspiel zu studieren, arbeitete als Regieassistent in Stockholm - eine lebenslange Liebe zum Theater begann. Er begann 1968 als Theaterregisseur zu arbeiten, schrieb eigene Stücke.
Der große Umbruch in seinem Leben geschah 1973, als er eine Reise nach Afrika unternahm.
Er sagte einmal:
»Ich weiß nicht, warum, aber als ich zum ersten Mal in Afrika aus dem Flugzeug stieg, hatte ich das seltsame Gefühl, nach Hause zu kommen.« (1)
Zu der Zeit hatte er, damals lebte er in Norwegen, bereits mit dem Schreiben von Prosa begonnen.
1973 erschien auch sein erster Roman mit dem Titel 'Bergsprängaren' ('Der Bergsprenger'). Ein alter Mann berichtet aus seiner Sicht und Erleben von der Geschichte der schwedischen Arbeiterbewegung.
1995 erschien in Schweden eines der Bücher, in denen er über das Thema schrieb, das ihm besonders am Herzen lag: Afrika und seine Kinder. In 'Comédia infantil' erzählt erneut die Hauptperson ihre Geschichte. Dieses Mal ist es Nelio, ein Straßenjunge. Er ist Anführer einer Gruppe von Waisen, die sich auf der Straße durchschlagen. José Antonio, der den Jungen von einer Kugel tödlich verletzt auffindet, wird zu seinem Chronisten. Indem Nelio seine Geschichte José auf diesem Dach hinterlässt, entfaltet sich eine Geschichte über mehr oder weniger (all)täglichen Horror in einer chaotischen Welt afrikanischer Staaten: Nelio, der mit Mühe lebend dem Banditenüberfall auf sein Dorf entkommt, seinen Weg in die Stadt und der Kampf ums Überleben als Straßenjunge.
Zweifelsohne ist Henning Mankell den meisten Lesern und Fernsehschauern in Deutschland, Europa und darüber hinaus durch die Person des Kurt Wallanders bekannt. Zuletzt verfilmt mit Kenneth Branagh in der Hauptrolle. Der schwedische Kommissar, der sich nicht nur in urschwedische Abgründe von menschlichem Leid, Kriminalität, Mord, Spionage begibt. Mankell ist immer ein politischer Mensch gewesen, dies erlebt man auch in den Wallander-Romanen.
Nach längerer Zeit in Afrika kehrte Mankell zurück nach Schweden. Dort sei er über die Angst vor dem Fremden so überrascht gewesen, dass er beschloss, sich in Form eines Romans damit auseinander zu setzen. So kam es zu dem ersten Roman um Kurt Wallander, veröffentlicht 1990 in Schweden unter dem Titel 'Mördare utan ansikte' (deutscher Titel 'Mörder ohne Gesicht') .
Zitat aus einem Interview (2):
Frage: Die deutschen Leser lieben ihn besonders, was, glauben Sie, fasziniert die Deutschen so sehr an diesem schwedischen Kommissar?
H. Mankell: Ich glaube, aber das trifft auf die Leser in Europa generell zu, es hat damit zu tun, dass er ganz einfach menschlich ist. Wallander ist kein „hardboiled hero“. Er verändert sich, er wird älter. Außerdem ist er in bestimmter Hinsicht sehr durchschnittlich. Nehmen Sie seine Diabetes. Eine Volkskrankheit. Oder können Sie sich James Bond vorstellen, wie er kurz auf die Toilette geht, um sich eine Insulinspritze zu setzen?
Frage: Ist es außerhalb Europas anders?
H. Mankell: Das war für mich immer die interessantere Frage: Was fasziniert Leser in Vietnam an Wallander? Warum mögen ihn Leute aus Ecuador?
Frage: Und?
H. Mankell: Ich hoffe, es sind die gleichen Gründe. Dass sie an ihm als Charakter interessiert sind. Aber es gibt sicher auch einen exotischen Aspekt. Ich erinnere mich an eine Mail von einer Übersetzerin, in der sie mich bat, ihr Schnee zu beschreiben. Es war verdammt schwierig. Aber letztlich ist das einer der Gründe, warum wir die Literatur so lieben: Weil sie Menschen aus der ganzen Welt in der Fantasie ein wenig näher zusammen bringt.
Auch "Die Weiße Löwin" (1993 unter dem Titel 'Den vita lejoninnan' erschienen) greift ein politisches Thema auf. Dieses Mal gelingt Mankell das Bravourstück, seinen Kommissar Wallander mit den Themen Afrika und Weltpolitik zu verknüpfen.
Mankell hielt sich in verschiedenen afrikanischen Ländern auf, darunter Sambia und Mosambik. Dort engagierte er sich seit 1986 als künstlerischer Leiter des Teatro Avenida in Mosambiks Hauptstadt Maputo. So begannen ein Leben aufgeteilt zwischen Afrika und Schweden.
2001 gründete er gemeinsam mit Dan Israel den Verlag 'Leopard Förlag'. Dort erscheinen seine Bücher seitdem. Auch wenn Mankells Wallander die berühmteren Romane sind, hat er noch viel mehr geschrieben. Sein Werk umfasst neben Theaterstücken auch Kinder- und Jugendbücher und natürlich Romane.
Henning Mankell erfuhr Anfang 2014, dass er an Krebs erkrankt war ... schwer erkrankt. Er entschied sich zu dem mutigen Schritt, damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Sicher keine einfache Entscheidung, denn damit stellte er sich sichtbar auf die Weltbühne mit seiner Erkrankung. Er veröffentlichte einige Texte über die Krankheit und seinen Weg, unter anderem im September 2014.
Zitat (3): "Vor einigen Jahren sagte der Autor Per-Olof Enquist einige sehr weise Sätze: 'Eines Tages werden wir sterben. Aber an allen anderen Tagen sollen wir leben/lebendig sein.' Ich füge ein Zitat dazu, das ich in einer Werkstatt gelesen hatte, als mein Auto für einen Ölwechsel dort war. Dies verdeutlicht es noch einmal mehr: "Nimm das Leben nicht so ernst. Egal wie, du kommst eh nicht lebendig davon.'
Ich stimme dem Ton des letzten Zitates natürlich nicht völlig zu. Leben ist eine ernsthafte Angelegenheit. Man kann nie einen Schritt zurück gehen und nochmal von vorne anfangen. Es gibt keinen Bonus in Form von Extrawürfen mit dem Würfel. Leben ist ein ständiger Prozess, es steht nie still oder bewegt sich rückwärts. Aber das Zitat stellte etwas Wichtiges heraus. (...) Diese beiden Zitate wiederhole ich still für mich, fast jeden Tag. Mein Leben gehört mir, und nur ich kann es leben."
Er berichtet auf der Seite Henningmakell.com von Sofia, einem jungen Mädchen, das er in Mosambik kennenlernte - vor einem Krankenhaus. Von ihr lernte er das, was in den Folgejahren zu seinem Lebensmotto werden sollte:
“It is never too late! Everything is still possible!” - "Es ist nie zu spät! Alles ist immer noch möglich!"
Sein letztes Buch "Treibsand. Was es heißt ein Mensch zu sein" erschien im September 2015 auf Deutsch und wird zweifelsohne auf der Buchmesse ein Haupttitel sein. Das Buch war bereits fertig gestellt, als er die Krebsdiagnose bekam. In dem Buch wollte er darüber schreiben, was unsere Generation(en) den Generationen nach uns hinterlassen würden. Er schrieb das Buch um, nahm seinen Umgang mit der Krankheit, mit Sterben und Menschsein an sich mit auf.
Henning Mankell starb am 05. Oktober 2015.
Kommentare
Er hatte ein paar tolle Lebensweisheiten auf Lager.