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Ringo´s Plattenkiste - Jethro Tull: Too old to Rock n´Roll – too young to die

Ringo´s PlattenkisteJethro Tull: Too old to Rock n´Roll–too young to die

»Music was my first love« sang John Miles anno 1976. Meine auch, sieht man von Uschi L. mal ab, der blonden Nachbarstochter, mit der ich im zarten Alter von 6 Jahren fast täglich zusammen war. Bis sie wegzog. Mit ihren Eltern natürlich.

Aber um die geht es hier nicht, sondern um Musik. -

Einzig und allein.

Ringo´s PlattenkisteJethro Tull waren eine 1968 gegründete und seitdem stetigem Wandel unterworfenen Band, die in ihrer Hochzeit dem so genannten Progressive-Rock  zugeordnet werden konnte. Nach einigen Alben, in denen sie nach Blues-orientiertem und ganz klassischem  Rock schnell zu ihrem ureigenen und unverwechselbaren Stil fanden,  veröffentlichten sie im Jahre 1976 schließlich das vorliegende,  neunte Studioalbum.

Kehren wir aber nochmal kurz zurück zu den  Wurzeln dieser  wegweisenden Band, und damit  auch zu den Wurzeln des britischen Progressive-Rock. Allerdings hatte der zum Entstehungszeitpunkt dieses Albums auch bereits auch seinen Zenit erreichte und eigentlich schon überschritten.

Der 1974 geborene Bandleader  und Multiinstrumentalist Ian Anderson gründete die Band zusammen mit dem Blues-Gitarristen Mick Abrahams im Jahre 1968. Anderson war zuvor in einigen kurzlebigen Projekten aktiv,  wie z. B. die John Evans Blues Band, in der der spätere Weggefährte  John Evan die Tasten  bearbeitete. 1968 veröffentlichten Jethro Tull ihr eher unspektakuläres Erstlingswerk „This Was“. Die Formation bestand damals neben  Anderson und Abrahams aus  Clive Bunker an den Drums, sowie dem  2014 verstorbenen Bassisten Glenn Cornick. Der musikalische Stil des Albums war reiner Blues-Rock. Anderson spielte neben seiner Querflöte hauptsächlich Mundharmonika. Gitarrist Abrahams  verließ  die Band aber schon nach dem Debutalbum und wandte sich eigenen Projekten zu, während Anderson die Band   Jethro Tull ganz schnell nach seinem  persönlichen Stil umformte: Anderson wurde zu Jethro Tull und blieb es auch. Abrahams wurde übrigens kurzzeitig von Tony Iommi ersetzt, bis dann Dauergitarrist Martin Barre zur Band stieß. Was Iommi danach machte, bedarf wohl keiner weiteren Erklärung

Nach den folgenden Alben, in denen sich die Band schnell vom klassischen  - und auch blues-orientierten - Rock mehr und mehr entfernte, wandten sich Jethro Tull dem so genannten Progressive-Rock zu, was auf Aqualung zum Ausdruck kam. Einen kreativen Höhepunkt erreichten sie mit den  beiden aufeinander folgenden Alben „Thick as a Brick“ und „A Passion Play“, die jeweils ein einziges, durchgehendes Stück zum Thema hatten. Letztgenanntes stieß bei Fans und Kritikern auf wenig Gegenliebe, und so folgten wieder gezähmtere und songorientierte Alben.

Too old erschien 1976 und ist kein Prog mehr. Obwohl es durchaus ein Konzeptalbum ist. Das Album ist klar strukturiert und in 10 Songs aufgeteilt. Musikalisch ist es sehr ruhig, dann aber auch wieder rockig. Selbst der Blues klingt wieder durch.

Anderson erzählt uns auf 10 Songs die wenig anspruchsvolle Story eines alternden Rockers namens  Ray Lomas. Dieser findet sich in der Zeit, in der er lebt, nicht mehr zurecht. Er ist ein Anachronismus, der schon alleine durch sein gänzlich unmodisches Aussehen – lange Haare, Lederjacke, Röhrenjeans – auffällt und aneckt. Eines Tages gewinnt Lomas den  Hauptpreis in einer TV-Show und wird dorthin eingeladen. Er lernt eine sehr attraktive, junge Dame namens Salamander kennen. Primär fällt dem Rocker natürlich ihre Oberweite ins Auge. Salamander ist nach einigem Überlegen aber definitiv nicht an ihm interessiert. Nach einer wilden Fahrt in einem gestohlenen Taxi verabschiedet sie sich von Ray, angeblich um sich ein wenig frisch zu machen. In Wahrheit aber denkt sie darüber nach, was wohl – ohne ihn -an diesem Abend anstellen wird. Um auf sein Date zu warten geht er in ein nahegelegenes Pub und kauft sich dort ein Bier. Dort trifft er aber zufällig einen alten Bekannten, und sie unterhalten sich über vergangene Zeiten. Was Ray allerdings nicht ahnt und weiß, ist dass Salamander ihn versetzt. Er wartet vergeblich auf sie.

Frustriert begibt er sich in sein Hotel und sinniert, lässt abermals die Vergangenheit Revue passieren. Lomas ist ein ewig gestriger, ist ihm nach seinem Treffen mit dem alten Bekannten schmerzhaft bewusst geworden. Auch die Damenwelt hat inzwischen weitaus weniger Interesse an ihm als zu früheren Zeiten. Einst begehrter Hengst, ist er inzwischen zu einem alten Sack geworden.

Wieder zu Hause angekommen, beschließt er einen Ausflug  mit seiner großen Liebe Doris, zu machen. Doris ist eine Triumph Bonneville, und Ray rast auf ihr durch die Nacht, immer noch grübelnd über die Welt, und wie fremd sie ihm doch geworden ist. Unachtsamkeit aber zahlt sich nicht aus, und so ist es kein Wunder, dass er bei regennasser Straße zu schnell in eine Kurve fährt und einen formidablen Unfall baut. Durch Glückes Geschick aber überlebt er die Havarie, fällt aber für unbestimmte Zeit in ein Koma.

Gerade dieser Unfall aber führt eine  positive Wendung für Ray herbei. Nicht nur, dass er nach den notwendig gewordenen Operationen erheblich jünger aussieht (!), es hat ein neuer Musiktrend auch eine Wandlung der Mode ergeben. Der Rock and Roll-Lifestyle ist plötzlich wieder angesagt. Ray wird im Zuge dessen wieder der angesagte Aufreißer, der er einst war. Die Krönung aber ist ein Telegramm, das ihm einen Plattenvertrag anbietet. Ray Lomas wird zum Popstar. Und an dieser Stelle endet die simple und naive Story auch.

Wer nun denkt, Ian Anderson habe mit dem alternden Rocker sich selbst gemeint, der ist auf dem Holzweg. Zwar sieht Ray Lomas auf dem Cover und im Comic aus wie er selbst, aber dies führt in die Irre. Glaubt man nämlich dem Booklet, so inspirierte Anderson eine Flugreise zum Titel des Albums. In ein Luftloch geraten, sackte die Maschine ab, und Anderson durchfuhr es eiskalt: Ich bin doch zu jung um zu sterben!

Gotteseidank fing sich die Maschine wieder, und Anderson begab sich zuhause flugs an die Ausarbeitung des Konzeptalbums. Seinen Angaben zufolge behandelt seine Story seine Konfrontation mit den mehr und mehr auftretenden neuen Strömungen in der Musikwelt. Progressive-Rock hatte seinen Höhepunkt erreicht, und ein neues Licht erstrahlte am Horizont: Der Punk erhob sein proletarisches Haupt und strafte all die Heroen der vergangenen Jahre als Boring Old Farts ab. An dieser Stelle sei kurz angemerkt, dass Anderson sich nie lange auf seinen wohlverdienten Lorbeeren ausruhte, sondern stets versuchte, Jethro Tull in immer neue Musikrichtungen weiter zu entwickeln. Vom klassischen Blues Rock zu den ersten, zaghaften Annäherungen zum Prog, bis zu Ausflügen in den Hard-Rock und schließlich der Rückbesinnung zu den Wurzeln war das musikalische Spektrum breit gefächert. Jedes Album war innovativ und zeigte immer wieder neue Facetten der Stilrichtungen.

Aber: was also sollte und konnte man immer wieder neues produzieren? Fast scheint es, dass sich Anderson in einer Art Zwickmühle befand. Ganz deutlich wird dies aber erst in den folgenden Alben, in denen er sich erst dem Folk-Rock zuwandte, um schließlich einen eher halbherzigen und scheinbar verzweifelten Versuch unternahm, zeitgemäß zu klingen. Alben wie „Broadsword“ oder das unsägliche „Under Wraps“ dokumentieren das allzu deutlich. Aber um die geht es hier nicht.

Too old war ursprünglich als Musical konzipiert, das aber dann doch nicht realisiert wurde. So entschied sich Anderson dazu, sein Werk als reguläres Studio-Album aufzunehmen. Das Line-up hatte sich seit der letzten Platte „The Minstrel in the Gallery“ übrigens auch wieder mal verändert.

Zebra-Bassist Jeffrey Hammond-Hammond hatte die Band verlassen, um fortan seiner ersten Großen Liebe, der Malerei zu frönen. An seine Stelle trat der bislang relativ unbekannte John Glascock, Mitglied bei der inzwischen völlig vergessenen Band  „Carmen“. Er und Anderson lernten sich während einer Tour kennen, bei der Carmen als Support engagiert war. Tragischerweise dauerte das Gastspiel Glascocks aber nicht sehr lange. Er starb bereits 3 Jahre nach Too old im Alter von nur 29 Jahren, also tatsächlich too young to die. Drummer Barriemore Barlow konnte dies lange Zeit nicht verwinden, verband ihn doch eine sehr enge Freundschaft mit dem Bassisten. Bei der Band Carmen war auch die auf „Too old“ vertretene Sängerin Angela Allen mit dabei, die auf 2 Songs von Too old mitsang.

Das Line-up zur Zeit der Aufnahmen sah wie folgt aus:

  • Ian Anderson - Querflöte, Harmonica, Lead Vocals,  Akustische Gitarre
  • Martin Barre - Gitarre
  • John Evan - Keyboards
  • Barriemore Barlow - Drums
  • John Glascock - Bass, Background Vocals

David Palmer war wie auf den vorigen Alben wieder als Verantwortlicher für die orchestralen Arrangements aufgeführt, spielte auf diesem Album aber erstmals auch direkt mit. Auf zwei Songs ist er auch am Saxophon zu hören. Mit dem Nachfolgealbum „Songs from the Wood“ wurde er dann als sechsten Bandmitglied aufgenommen.

Hier die Tracklist des Albums (und des TV-Specials):

  • Quizz Kid (5:07)
  • Crazed Institution (4:45)
  • Salamander (2:49)
  • Taxi Grab (3:51)
  • From a Dead Beat to an Old Greaser
  • Bad-Eyed and Loveless (2:11)
  • Big Dipper (3:32)
  • Too Old to Rock ’n’ Roll: Too Young to Die (5:39)
  • Pied Piper (4:29)
  • The Chequered Flag (Dead Or Alive)

Der erste Song „Quizz Kid“ führt natürlich erst mal die Hauptfigur Ray Lomas ei und beschreibt seinen Auftritt in der TV-Show, in der er der Hauptgewinner war. Musikalisch ist der Song rockig und noch deutlich vom Prog beeinflußt. Auf die Frage, warum denn zwei Z im Songtitel verwendet wurden, antwortete Anderson gewohnt flapsig: „Zwei Z sind besser als nur eines“.

Crazed Institution hat Modetrends zum Thema und erzählt, wie unwohl sich Ray in der modernen Zeit fühlt. Inspiriert zu der im Comic zu sehenden Kleidermode wurde Songschreiber Anderson unter anderem von Elton John.

Salamander ist ein sehr schöner Akustik-Song. Ray lernt Salamander kennen und verliebt sich in sie, bzw. in ihre voluminöse Oberweite. Anderson hält Salamander übrigens für den besten Track des Albums. Im TV-Special ist Cherry Gillespie als verruchte und erotische Tänzerin zu sehen.

Taxi Grab ist wieder ein sehr rockiger Song, vermutlich auch der rockigste des ganzen Albums. Er handelt davon, wie Ray Lomas ein Taxi klaut, um mit seiner neuen Flamme eine Spritztour zu unternehmen. Anderson spielt auf diesem Song nach langer Zeit mal wieder Harmonika, und das mit Inbrunst!

From a dead beat ist ein getragener, sehr melancholischer Song mit einem stimmungsvollen und von David Palmer gespielten Saxophon-Solo. Lomas wartet auf Salamander in einer verrauchten Bar und trifft dabei einen alten Bekannten. Ray spendiert ihm etwas zu trinken, wird aber mit einigen unangenehmen Wahrheiten konfrontiert. Mit diesem Song endet dann auch Ray Lomas´ Warterei und die LP-Seite 1.

Ray wartet aber umsonst. Salamander ließ ihn eiskalt sitzen. Der alternde Rocker ist verständlicherweise angefressen und bezeichnet Sally im ersten Song der LP-Seite 2 als Bad eyed and loveless. Das Stück ist akustisch gehalten und sehr stark blueslastig. Ray ist frustriert und beschließt nach Hause zu fahren.

Der nächste Song – Big Dipper – handelt von Ray´s verklärter Erinnerung an bessere Zeiten, als er noch ein gefragter Hengst war. Das Stück ist wieder rockig. Rhythmus und Querflöte erinnern an die Geräusche eines fahrenden Zugs. Ray sitzt drin und schwelgt in Erinnerungen.

Es folgt schließlich der der Titeltrack des Albums und beschreibt Ray´s schicksalhafte, wilde Motorradfahrt durch die Nacht, und wie er schließlich auf regennasser Fahrbahn ins Schleudern gerät und einen verheerenden Unfall baut. Er überlebt diesen zwar schwerverletzt, fällt aber für längere Zeit ins Koma.

Pied Piper ist ein sehr melodiöser Song in bester Tull-Manier. Untermalt wird er von einem dezenten Streicher-Arrangement David Palmers. Ray ist inzwischen aus dem Koma erwacht und sieht sich verwundert mit einer veränderten Mode konfrontiert, die ihn aber angenehm überrascht. Rock n´Roll ist wieder angesagt, und damit auch enge Röhrenhosen und Lederjacken, und damit auch Typen wie er selbst! Musikalisch  sind dezente Anklänge an The Minstrel in the Gallery vom Vorgängeralbum zu hören.

Das Album klingt schließlich mit     The Chequered Flag (Dead Or Alive) aus, einer sehr relaxten Komposition mit schönem Streicher-Arrangement. Ein toller Song, der das Album perfekt abschließt. Inspiriert dazu wurde Anderson, als er im Fernsehen einen Unfall Clay Regazzonis sah. Im Special sieht man die Bandmitglieder, wie sie bequem und entspannt in Freizeitkluft rumlümmeln und ihre Instrumente spielen. Der Song klingt aus, und damit endet das Opus.

Das fertige Album erschien im April 1976 in optisch ansprechender Gestaltung, wie man es von der Band schon gewohnt war. Das Cover zierte diesmal eine Comiczeichnung, die Ray Lomas in aggressiver Pose zeigt und somit einen eigentlich falschen Eindruck des musikalischen Inhaltes vermittelt.

Ringo´s PlattenkisteWie bereits erwähnt, sieht die Kunstfigur Lomas Bandleader Ian Anderson mehr als ähnlich. Klappt man das Cover auf, setzt sich der graphische Stil fort. Auf den beiden Innenseiten findet sich ein Strip in s/w, der die Story des Albums erzählt. Entsprechend in Rot gehaltene Textpassagen verweisen dabei auf die entsprechenden Songs des Albums. Mit einer Ausnahme: Living in the Past ist nicht mit von der Partie, sondern stammt eigentlich aus dem Jahre 1969 und ist auf dem gleichnamigen Doppelalbum enthalten.  

Gestaltet wurde der Strip von Dave Gibbons, einem sehr gefragten und bekannten Zeichner, der mit Alan Moore zusammen die Serie Watchmen erschuf. Auf der Rückseite des Covers sind die Lyrics und Credits in einer überdimensionalen Sprechblase abgedruckt

Nachdem die Songs im Januar 1976 im Maison Rouge Mobile aufgenommen waren veröffentlicht wurden, entstand die Idee zu einem TV-Special. Aufgrund diverser Schwierigkeiten aber konnte und wollte man für  dieses Special nicht auf die Aufnahmen des Albums zurückgreifen, sondern die Band nahm alle Songs erneut auf.

Ringo´s PlattenkisteWas aber nicht geschadet hat, sind diese neu aufgenommenen Tracks doch insgesamt ein klein wenig druckvoller und aussagekräftiger. Ein Unterschied lässt sich aber erst nach mehrmaligem Querhören erkennen.

Das Special wurde im März 1976 aufgezeichnet und im Juli des gleichen Jahres ausgestrahlt. Die Darbietung fand in einem für die Story passende Kulisse mit einigen wenigen Requisiten statt, und vermittelte den Eindruck, als ob die Band live spielen würde.

Zwischen den einzelnen Songs wurden jeweils als Überleitung Passagen aus dem Comic-Strip eingeblendet. Insgesamt vermittelt das Special eine Menge Spielfreude, lediglich Gitarrist Martin Barre scheint sich ein wenig unwohl zu fühlen. Scheinbar gingen ihm die ständigen Avancen und Neckereien Andersons ein wenig auf die Nerven. Neuzugang John Glascock hingegen fügt sich sehr harmonisch ein und zeigt sich gutgelaunt. Ein besonderer Hingucker ist John Evan, der einmal nicht seinen obligaten, schmuddeligen weißen Anzug trägt, sondern mehrmals als übertrieben geschminkte Rocker-Tunte erscheint. Ergänzt wird diese Besetzung durch kurze Auftritte von David Palmer am Saxophon und der Tänzerin Cherry Gillespie.

Wer Jethro Tull noch nicht live bewundern konnte, bekommt hier einen sehr guten Einblick, welch ein begnadeter Selbstdarsteller und Bühnenmensch Anderson doch war und auch immer noch ist. Er wirbelt und saust durch die Kulissen, fuchtelt und wedelt mit den Armen, bedrängt seine Bandkollegen (vornehmlich Martin Barre), schwingt sich tarzangleich an Ketten durch die Luft und singt und spielt ganz nebenbei auch noch Querflöte. Zumindest tut er so als ob, schließlich ist das Special ja keine Live-Aufzeichnung. Die Sendung wurde auch im Deutschen Fernsehen ausgestrahlt, ich weiß nicht mehr genau wann – es muss 1976 oder 1977gewesen sein – aber es hat mich nachhaltig beeindruckt, wie man in der Einleitung zu dieser Reihe lesen kann.

Too old erschien in den Achtzigern natürlich auch auf dem neuen Medium CD. Wie damals üblich, packte man als Kaufanreiz zwei Bonustracks drauf: A small Cigar und Strip Cartoon. Beides keine Kracher, aber ganz nett anzuhören. Strip Cartoon entstand erst nach Too old, und befand sich zusammen mit einer frühen Version von One brown Mouse auf demselben Mastertape. Anderson vermutet, er habe sie wohl für eine geplante Single-veröffentlichung im Herbst 1967 angedacht, die aber verworfen wurde.

Ringo´s Plattenkiste2015 schließlich wurde der Klassiker in einer ihm gebührenden Aufmachung wiederveröffentlicht: diesmal als Mediabook mit zwei CD´s und zwei DVD´s.

CD 1 lässt nun nicht die Aufnahmen des Original-Albums hören, sondern die Tracks des TV-Specials in neuer Stereo-Abmischung. Als Boni gibt es zusätzlich 5 Songs des Albums, sowie ein Outtake von Quizz Kid.

CD 2 nennt sich im ersten Teil Associated Recordings und hält diverse Songs bereit, die im Umfeld zu den damaligen Aufnahmen entstanden, und bisher teils unveröffentlicht blieben. Herausragend ist hier eigentlich nur der Song Salamader´s Rag-Time, bei dem es wundert, warum Anderson ihn nicht bereits vorher einmal verwendet hat.

Der Rest ist bereits bekanntes wie Commercial Traveller, Strip Cartoon und Small Cigar, eigentlich nur für Komplettisten interessant. Aber auch eine sehr frühe Version von One brown Mouse gibt es zu hören. Der Song erschien dann 2 Jahre später auf dem Heavy Horses Album.

DVD 1 ist ein wahres Schmankerl, es findet sich hier das komplette TV-Special in ausgezeichneter Bild- und Klangqualität. Selbstverständlich in erlesenem 5.1 Sound, gemixt von Andersons Haus-und-Hof-Remixer Steven Wilson. Zusätzlich gibt es als Audio in 5.1 5 Tracks des Original Albums zu hören.

DVD 2 ist eine reine Audio-Scheibe. Hier findet man – ebenfalls in 5.1. – die Associated Recordings, sowie  das Original-Album in 4.0., also Quadrophonie.

Das Mediabook selbst ist randvoll mit farbigen Hochglanzseiten, auf denen sich die Entstehungsgeschichte des Albums und vieles andere nachlesen lässt. Ergänzt wird dies durch brandneue Kommentare und Bemerkungen Ian Andersons und Barriemore Barlows.

Zu kaufen gibt es diese edle Edition für schlappe 30€, die sich aber lohnen. Zusammen mit den anderen Editions Jethro Tull´s (alle ähnlich aufgemacht) ergibt sich mit Too old eine sehr schöne Sammlung.

Nach diesem Album wandte sich Anderson verstärkt dem Folk-Rock zu und erreichte einen ersten kreativen Tiefpunkt mit Stormwatch, bevor er sich auf A von seinen Mitstreitern trennte und schließlich mit Under Wraps endgültig absackte.

P.S.: Bassist John Glascock verstarb im Jahre 1979. David Palmer unterzog sich 2003 einer geschlechtsangleichenden Operation und nennt sich jetzt Dee Palmer.

 

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Kommentare  

#1 Cartwing 2019-02-11 06:25
wieder mal ein sehr guter Artikel! Da hat jemand wirklich Ahnung von der Materie...
Ich habe das hier besprochene Album bislang immer irgendwie übersehen bzw. übersprungen, vielleicht hat mich die Wertung bei progarchieves.com da auch etwas beeinflusst (wobei, wenn man sich danach richtet, sind alles ELO Alben nach "Eldorado" schlecht...)
Werde es mir heute abend mal bei spotify anhören...
#2 Toni 2019-02-11 19:43
Mit Stormwatch, A und besonders Under Wraps gebe ich die recht: Man merkte, dass sie die besten Jahre hinter sich hatten. BROADSWORD dagegen fand ich noch recht gelungen, wenn auch etwas kautzig :-) Pussy Willow wird ab und an noch bei uns im Radio gespielt.
Die neueren Sachen sollen wieder mehr wie früher klingen. Muss ich unbedingt mal reinhören.
#3 Cartwing 2019-02-12 06:32
Zitat:
Die neueren Sachen sollen wieder mehr wie früher klingen.
Es gab ja sogar ein "Thick as a brick 2", aber nicht von JT sondern von Anderson solo.
Fand ich nicht annähernd so gut, wie das Original...
#4 Ringo Hienstorfer 2019-02-12 09:34
TAAB 2 war jetzt gar nicht mal so schlecht, eber eher überflüssig. Besser gefallen hat mir dann der Nachfolger "Homo Erraticus", der schon sehr nach Jethro Tull klang. Anderson hätte die Band aber meiner Meinung nach tatsächlich spätestens nach "Heavy Horses" auflösen und solo weitermachen sollen. Die Stiländerung und Modernisierung des Soundgefüges mit "A" war ja auch eher halbherzig und ohne rechtes Konzep. Den Vorwärtsschritt dieses Albums machte er mit "Broadsword wieder halb rückgängig, um mit "Under Wraps" die Hörer völlig vor den Kopf zu stoßen. Und danach versuchte er immer wieder sich selbst zu kopieren.
#5 Cartwing 2019-02-12 14:18
In den 80ern haben ja viele Bands und Solisten ihren Stil geändert bzw. angepasst. Alles klang irgendwie glatt und künstlich, vor allem wurde gerne und oft zu viel Hall auf die Drums gelegt, der satte, echte, organische Sound der 70er war dahin. Und es wurde poppiger. Vor allem den classic rock und Progbands hat der Sprung in die 80er nicht gut getan. Ich denke da z.B. an Kansas, Uriah Heep usw. Ganz schlimm war es auch bei Renaissance. Es gab ja sogar Progbands, von denen man hierzulande dachte, sie hätten schon immer Popmusik gemacht, weil man nix anderes kannte (wie Earth and Fire mit ihrem "Weekend" - Hit).
#6 Ringo Hienstorfer 2019-02-12 15:38
Stimmt. Manche haben es gottlob richtig gemacht und aufgehört, bevor es peinlich wurde. Ich denke da an Van der Graaf, King Crimson und Gentle Giant.
Mit Earth and Fire verbinde ich übrigens auch nur "Weekend". Obwohl die Band ja einiges ausgezeichnete Material zuvor veröffentlichte.
#7 Cartwing 2022-11-16 06:07
Inzwischen bin ich bekennender Fan, besitze alle wichtigen Alben auf Vinyl und habe Jethro Tull im Oktober live erleben dürfen.

Too old zählt zu meinen Lieblingsalben, wobei ich dir im Nachhinein recht geben muss, dass das Cover einen falschen Eindruck vom Inhalt vermittelt.

Ansonsten kann ich mich nur nochmal wiederholen und sagen, ein klasse Artikel!
Nur was "Stormwatch" betrifft, bin ich anderer Meinung. Da gab es noch sehr gutes Material, wie etwa "Orion" oder das geniale "Dark ages".
Auch "A" gefällt mir noch sehr gut.

Aber letztlich ist das ja auch Geschmackssache...
#8 Ringo Hienstorfer 2022-11-19 10:33
Inzwischen stehe ich "A" und "Broadsword" nicht mehr so ablehnend gegenüber. Gerade erstgenanntes Album überzeugt mich weitgehend. "Broadsword" kommt lt. Anderson next Year dann endlich als Mediabook, vorher aber wird es im Frühjahr 2023 (schon wieder) ein brandneues Tull-Album geben.
#9 Cartwing 2022-11-19 12:19
Ja, sehr produktiv der alte Herr...
Ich habe mir auf deine Empfehlung hin gerade "Homo Erraticus" bestellt.

Das Konzert war übrigens sehr gut, aber recht kurz.
Wenig altes Material, dafür einige Songs vom aktuellen Album. Manche Nummern fand ich für die Bühne ungeeignet. Z. B. "The clasp".
Dabei durfte man auf der Videowand Putin bewundern, wie er lächelnd irgendwelche Hände schüttelt...
#10 Ringo Hienstorfer 2022-11-22 17:25
"Homo Erraticus" ist IMHO das beste der Anderson-Soloalben. Leider habe ich momentan wenig Zeit für neue Artikel, denn meine Arbeit nimmt mich derzeit voll in Anspruch. Dennoch habe ich 3 neue Artikel in Arbeit und hoffe, sie demnächst fertig zu bekommen.
Kleiner Tip am Rande: Die Band/Interpreten haben folgende Initialen:
BS; IB; D.
Übrigens sind alle 3 kein Prog ;)
#11 Ringo Hienstorfer 2023-01-22 13:26
Am 21. April 2023 erscheint abermals ein neues Album Andersons mit dem seltsamen Titel "RökFlöte". Seltsam? Aber so steht es geschrieben!
#12 Cartwing 2023-01-23 05:23
Ich habe schon einen Song von dem neuen Album gehört. Ähnlich seltsamer Titel (Ginnungagap), aber hat mir sehr gut gefallen, auch das Video...
#13 Ringo Hienstorfer 2023-01-23 21:58
Ja, gar nicht mal schlecht, dieser Song. Sieht man von Andersons geriatrischem Gesangsversuch mal ab. Da hätte er lieber beim ursprünglichen Konzept bleiben sollen, nämlich einem Album mit überwiegend instrumentaler Musik. Der obskure Titel des Albums leitet sich vom Konzept des Albums ab, nämlich die nordische Mythologie zu thematisieren. "Rök" stammt von "Ragnarök". Die restlichen Titel des Albums spiegeln dann auch das zugrunde liegende Thema wieder. Ein Song handelt vom "Allfather", ein anderer vom "Trickster". Gemeint sind natürlich Odin und Loki. Anderson überrascht mal wieder und betritt - zumindest thematisch und textlich - neue Wege. Man kann also durchaus auf das Album gespannt sein, muss dies aber nicht zwangsläufig.
#14 Cartwing 2023-01-24 05:35
Ja, ich freu mich auch drauf, obwohl ich zustimmen muss, was den Gesang betrifft. Gerade dieser Song hätte durchaus auch als reines Instrumentalstück funktioniert

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