Ringo´s Plattenkiste - The Residents: The third Reich n' Roll
The Residents: The third Reich n' Roll
The Residents ist der Name einer ca. 1969 gegründeten Formation, die bis heute aktiv ist. Charakteristisch sind eine konsequente Anonymität der Mitglieder sowie ein unverkennbarer Stil, der sich – was die Anfänge betrifft - nur bedingt als Musik bezeichnen lässt. So sollte man die Gruppe wohl auch besser als Kunst-Kollektiv bezeichnen, denn als Band im eigentlichen Sinn. Seit Januar 2018 ist das Label Cherry Red nun dabei, den gesamten Backkatalog in chronologischer Reihenfolge zu veröffentlichen. Die Alben erscheinen als Doppel-CD´s in aufklappbaren Digipaks mit beigelegtem Booklet. Die Reihe nennt sich Preserved-Edition.
Nach dem kaum beachteten Erstling von 1974 konzentrierten sich die Residents vorrangig um ihr ehrgeiziges Filmprojekt „Vileness Fats“, nahmen aber gleichzeitig ein weiteres, komplettes Album auf, das sie aber nicht veröffentlichten und es als „Nicht erhältlich“ – „Not available“ bezeichneten. Es sollte erst 1978 erscheinen. Ob dies tatsächlich auch so stimmt, oder in das Reich der üblichen (meist selbst in Umlauf gebrachten) Residents-Legenden gehört, ist unklar. Aber darum geht es hier auch nicht.
Das reguläre zweite Album wurde von Oktober 1974 bis Oktober 1975 aufgenommen und 1976 veröffentlicht. Das Residents-Studio war seit „Meet“ ein wenig professioneller geworden, man besaß nun ein 8-Spur-Bandgerät, sowie einen eigenen Synthesizer namens „ARP Odyssey“. Zusätzlich mietete das Quartett einen weiteren Synthesizer an, einen „ARP String Ensemble“.
Das Werk ist in 2 Suiten aufgeteilt: „Swastikas on Parade“ und „Hitler was a Vegetarian“ und stellt eines der kontroversesten Alben der Band dar, spielt es doch unverhohlen und amerikanisch-naiv ganz bewusst mit Symbolen des Dritten Reiches. Auf dem Original Cover ist der US-Moderator Dick Clarke in Nazi-Uniform zu sehen, der von tanzenden Hitlerfiguren umgeben ist. Eingerahmt ist diese Graphik von Swastikas. In Deutschland war die Veröffentlichung des Albums mit diesen Motiven natürlich unmöglich. So erschien die Platte mit einem Cover, auf dem alle NS-Reminiszenzen durch einen weißen Balken mit der Aufschrift „Censored“ unkenntlich gemacht waren.
Die Musik selbst besteht aus dekonstruierten und gecoverten Hits der Sixties, wahllos aneinandergereiht und zusammengestückelt. Sie bilden die beiden eingangs erwähnten Suiten. Die einzelnen Songs-, Songestandteile dieser Tracks sind im Booklet nicht angegeben, werden aber auf der Residents-Website gelistet. Vertreten sind unter anderem „Let´s twist again“, „A horse with no name“ „Yummy Yummy Yummy“, und andere Gassenhauer der Sechziger. Allerdings sind die Songs teilweise kaum noch zu identifizieren. Teilweise verschmelzen auch mehrere Lieder zu einem akustischen Konglomerat.
So entwickelt sich der Beatles-Song „Hey Jude“ aus „In a Gadda da Vida“ und „Sunshine of your love“, die zeitweiseweise simultan laufen und mit Whoo Whoo´s aus „Sympathy for the Devil“ unterlegt sind. Die Residents wären eben nicht die Residents, wenn ihre Versionen nicht bizarr und absurd, und die Originale nicht bis zur Unkenntlichkeit verfremdet und verstümmelt wären. Dies sollte in den folgenden Jahren zu einem ihrer Markenzeichen werden.
Das Album ist trotz aller Schrägheit aber dennoch weit zugänglicher als der Erstling. Auch die Aufnahmen wirken inzwischen professioneller und sauberer als beim Vorgänger. Soundtechnisch dominieren die beiden eingangs erwähnten Synthesizer, die besonders auf „Hey Jude“ (absichtlich?) falsch gespielt werden. Des Weiteren sind Saxophone, Orgeln, diverse Percussion-Instrumente und eine (fast) normale Gitarre zu hören. Als Weibliche Gastsängerinnen sind die vom Erstling bereits bekannte Pamela Zeibak sowie eine Peggy Honeydew erwähnt. Obwohl das Album zugänglicher als der Vorgänger ist, ist es dennoch nicht gelichzeitig auch leichter zu konsumieren.
Um das fertige Produkt zu promoten drehte man einen kurzen Film zur Musik von „The Land of a thousand dances“. Zu sehen sind darin sowohl die Residents in ihren berühmten Kostümen aus Zeitungspapier, wie sie unbeholfen und automatenhaft in einem mit Zeitungspapier verkleideten Raum herumhampeln, als auch eine Szene aus ihrem Filmprojekt „Vileness Fats“: Ein Mann wird von einem atomgetriebenen Einkaufswagen verfolgt und angegriffen.
Mit diesem Film waren die Residents ihrer Zeit voraus, handelte es sich dabei doch eigentlich um eine sehr frühe Art des Musikvideos.
Das Album erschien einige Jahre erneut, diesmal in einer edlen und auf 30 Exemplare limitierten Box, von der 25 Stück in Umlauf gebracht wurden. Die Platte selbst war handgepresst aus rot-marmoriertem Vinyl, versehen mit einem siebgedruckten Label. Die Box selbst war aus Holz und mit Samt ausgeschlagen. Zusätzlich waren dieser Edition 2 signierte Lithographien beigelegt.
1977 erschien eine weitere Single mit dem Titel „The Beatles play the Residents, and the Residents play the Beatles“, die ebenfalls auf CD 1 vertreten ist. Der Track „Beyond the valley of a Day in the Life“ ist eine Collage aus Soundschnipseln diverser Beatles-Songs, verfremdet in Klang und Geschwindigkeit. Von dieser Single erschienen seinerzeit nur 500 Stück, alle in handbedruckten Hüllen.
Die Preserved-Edition erschien Anfang 2018 als Doppel-CD mit einem dem Original ähnelndem Cover. Das ursprüngliche Motiv der Platte ist nur im Inneren des Booklets abgebildet.
Auf CD 1 ist nicht nur das Album enthalten, zusätzlich gibt es auch diesmal wieder die üblichen Ephemera sowie die beiden Tracks der Single „Sympathy for the Devil“. Beim Titelsong dieser Single handelt es sich aber um eine völlig andere Version als auf dem Album. An der Gitarre ist diesmal Snakefinger Lithman zu hören.
CD 2 führt uns tiefer hinein in die absurde und verstörende Klangwelt der Residents und wartet mit einer weiteren Menge an Zusatzmaterial auf. Darunter viele Live-Mitschnitte von 1976, 1983, 2001 und 2013. In guter bis sehr guter Klangqualität sogar. Abschließend und ergänzend finden sich noch die üblichen Outtakes sowie ein Remix von „The Land of a thousand Dances“ aus dem Jahre 1992. Die restlichen Tracks sind eine krude Mischung aus Soundcollagen und rhythmischen Experimenten, ähnlich wie schon das Zusatzmaterial des Vorgängers. Also kaum genießbar und somit ganz interessant, aber mehr auch nicht.
P.S.: In diesem Jahr verstarb Hardy Fox – das einzige Mitglied, das aus der Anonymität trat – im Alter von 73 Jahren an einem Gehirntumor. God-in-three-Persons hab ihn selig.
Kommentare
Die hatten schon einen echt eigenwilligen Sound. Art-Rock trifft es glaube ich noch am ehesten, obwohl sie recht bekannt sind. Man weiß, so glaube ich, immer noch nicht so recht wer hinter den Masken steckt. Vielleicht sind es gar die Dr. Morton Autoren...
Neben Hardy Fox ist zumindest bei einem weiteren Resident die Identität gelüftet: Unter der Maske verbirgt sich Homer Flynn, der offiziell als Manager und Sprecher der Band fungiert.
Die zwei anderen der ursprünglichen Formation sind schon lange nicht mehr dabvei und wurden im Lauf der Jahre schon mehrfach ausgewechselt.