Ringo´s Plattenkiste - Captain Beefheart: Trout Mask Replica
Captain Beefheart: Trout Mask Replica
Nachdem ich beim letzten Mal – was nun doch schon einige Zeit zurück liegt - ein ziemlich schräges Doppelalbum aus meiner Plattenkiste zog, nehme ich diesen Faden nun wieder auf. Aber das Format alleine ist nicht die einzige Gemeinsamkeit mit dem letzten Artikel. Heute nehme ich mir „Trout Mask Replica“, von Captain Beefheart und seiner Magic Band, vor.
Beefheart war ein alter Schulfreund Zappa's, der das vorliegende Album auch produzierte. Hinter dem seltsamen und eigentlich unappetitlichen Pseudonym verbarg sich ein junger Mann namens Donald Vliet, der seinem Namen später gerne ein „van“ hinzufügte. Das gab ihm wohl einen mehr künstlerischen Touch. Don war ein vielseitig interessierter und begabter Künstler, der schrieb, textete, Musik machte, sang und auch malte. Von letzterem lebte er in seinen späten Jahren sehr gut, nachdem er sich gänzlich aus der Musikbranche zurückgezogen hatte.
Das Malen und Skulpturieren begann Young Donnie bereits im zarten Alter von 3 Jahren. Säugetiere, Dinosaurier, Fische und ähnliches Getier waren seine bevorzugten Motive. Mit Neun gewann er sogar einen Preis bei einem Kinderwettbewerb des Los Angeles Zoo. Der Organisator des Wettbewerbs, ein lokaler Künstler, nahm den jungen Captain unter seine Fittiche und behandelte ihn wie einen Lehrling. Die Eltern hatten aber leider für so etwas kein Verständnis. Künstlerische Ambitionen waren in ihren Augen nichts für einen Jungen, für sie war das weibisch.
Vliet war in seiner Arbeit sehr obsessiv und hasste Unterbrechungen. Oftmals ließ er von seinem Tun nicht eher ab, bevor er damit fertig und mit dem Ergebnis zufrieden war.
Mehr als einmal mussten ihm die Eltern das Essen vor die Türe stellen, weil er gerade zu beschäftigt war. Mag sein, dass derlei Verhalten die Eltern wohl eher der Grund für die Ablehnung seiner Beschäftigung mit Kunst gegenüber seiner Kunst war, als die Beschäftigung mit Kunst per se.
1954 war dann ohnehin erst mal Schluß damit, denn die Vliets zogen in die Mojave Wüste, wo Vater Vliet Arbeit in der im Aufbau stehenden Aerospace-Industrie gefunden hatte. Gegend und Ambiente der Anlage faszinierten und inspirierten den jungen Donald.
Zu seiner Begeisterung für´s Bildhauen und Malen kam bald eine neue Leidenschaft hinzu: Die Musik. Fast ausschließlich Blues und Jazz hatten es ihm angetan, Thelonius Monk, Muddy Waters, Howlin Wolf. Der Umzug sollte auch schicksalhaft für Donald werden, denn er lernte Ende der Fünfziger auf der High School den jungen Frank Zappa kennen. Schon bald stellten die beiden fest, dass sie ähnliche Interessen hatten. So kam es, dass sie schon bald damit begannen, gemeinsam mit anderen Musikern, Stücke aufzunehmen.
Auf Zappa´s Mystery Disc finden sich einige dieser ganz frühen Aufnahmen wieder, unter anderem I Was a Teen-Age Malt Shop und The Birth of Captain Beefheart, Tracks eines geplanten Films mit dem Titel Captain Beefheart vs. The Grunt People. Das war übrigens die erstmalige Erwähnung des seltsamen Namens. Wie Don zu seinem Künstlernamen kam, ist nicht genau bekannt, vermutlich aber adaptierte er ihn von oben genanntem Track. In Bob Letterman`s Late Night Show vom 11. November 1982 gab er eine Version zum Besten, die von einem „Beef in the Heart“ handelte. Es gibt noch einige andere Versionen, aber nicht einmal der Captain selbst wusste angeblich noch, welche davon stimmte. Wie dem auch sei.
Vliet hatte eine bemerkenswerte Stimme, die über mehrere Oktaven reichte und konnte sehr gekonnt Howlin Wolf´s tiefe Stimme nachahmen. Nebenbei spielte er noch Mundharmonika und Saxophon. Obwohl er auf musikalischem Gebiet sehr eifrig tätig war, strebte er auch weiterhin einen Beruf als Bildender Künstler an. Er schrieb sich hierfür auch am Antelope College ein, brach das Studium aber schon nach einem Jahr wieder ab.
1965, nach einigen Gelegenheitsjobs (unter anderem als Staubsaugervertreter), traf er einen alten Bekannten, Alex Snouffer wieder, und Beefheart wandte sich nun verstärkt wieder der Musik zu.
Kurz darauf war die erste Magic Band geboren, und es stellte sich tatsächlich ein bescheidener Erfolg ein: sie ergatterten einen Vertrag mit A&M und veröffentlichten 2 Singles, denen aber leider kein Erfolg beschieden war. A&M trennte sich wieder von der Magic Band, die aber nicht aufgab.
1967 unterschrieb die Combo dann einen neuen Vertrag bei Buddah Records, und bald darauf erschien das Debütalbum Safe as Milk, das noch relativ eingängig und harmlos war, aber stellenweise schon deutliche Züge der späteren Platten aufwies. Die Texte stammten nicht von Beefheart selbst, sondern waren ausnahmslos von Herb Berman. Auf Safe gab übrigens auch Ry Cooder ein kurzes Gastspiel in der Magic Band. Safe as Milk wurde von der Plattenfirma gut promoted, und die Magic Band sollte sogar beim Monterey Pop Festival auftreten, was aber aufgrund Beefhearts schlechtem Zustand nicht zustande kam. Der Captain litt unter periodisch auftretenden Panikattacken, was möglicherweise an seinem massiven LSD-Konsum lag. Beefheart zerstritt sich auch mit einem Teil seiner Magic Band, vornehmlich mit Doug Moon, der ihn – lt. Ry Cooder – mit einer geladenen Armbrust bedrohte.
Das Album war – gelinde ausgedrückt - nicht besonders erfolgreich, und so nahm Beefheart 1967 zusammen mit Producer Bob Krasnow ein neues Album auf. Da sich Buddah weigerte, die Platte zu veröffentlichen, brachte Krasnow sie selbst heraus, allerdings nicht ohne noch Hand an die Aufnahmen zu legen. Glaubt man Beefheart, so mixte Krasnow Soundeffekte hinzu, die das Album psychedelischer machen sollten.
Krasnow brachte die restlichen Aufnahmen dieser Zeit 1971 auf einem zweiten Album mit dem Titel Mirror Man heraus.
Enttäuscht und frustriert wollte sich der Captain schon ganz aus dem Musikgeschäft zurückziehen, als er abermals Frank Zappa begegnete. Dieser hatte sich mit seinen Mothers of Invention als Musiker bereits etabliert, und bot ihm an, er könne auf seinem eigenen Label eine Platte ganz nach seinem Wunsch veröffentlichen.
Beefheart nahm das Angebot an, und so war der Grundstein für Trout Mask Replica gelegt.
Van Vliet schrieb den Großteil der Musik angeblich in einer einzigen achteinhalb Stunden-Session am Piano, einem Instrument, das er gar nicht spielen konnte. Dies dürfte aber höchstwahrscheinlich eine der vielen selbstgemachten Legenden sein, mit denen sich der Captain gerne umwob. Drummer John French saß dabei neben ihm und transkribierte die spontan entstandenen Songfragmente in Notenschrift. Danach wurden die einzelnen Parts zu Songs zusammengebastelt und danach nicht mehr verändert. Frenchs Anteil am Entstehungsprozess war also nicht unerheblich, allerdings wurde er in den Credits der Platte überhaupt nicht erwähnt.
Die Bandmitglieder erzählten später aber, dass mindestens zwei der Songs ("Moonlight on Vermont" and "Sugar 'n Spikes") viel früher, und zwar im Dezember 1967 entstanden. Ein weiterer Song – „Veteran's Day Poppy" - wurde Mitte 1968 geschrieben. Einen Teil der Melodien pfiff er den Musikern angeblich vor, damit diese sie nachspielen konnten. Das meiste Material entstand tatsächlich in einem Zeitraum von mehreren Monaten im Jahre 1968 auf wohl äußerst experimentelle Art und Weise, bei der auch auf Tonband aufgenommene Songideen wie Soundschnipsel zusammengefügt wurden, bis ihm das Ergebnis gefiel.
Inwieweit man den verschiedenen Versionen nun Glauben schenkt, muss jeder selbst entscheiden. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen. Beefheart betrieb wohl ganz bewusst eine Mystifizierung seiner selbst, was auch die Glaubwürdigkeit der Album-Credits in Frage stellt.
Nach dem Songwriting ging es dann zum Proben. Die Magic Band dieser Zeit bestand aus:
Die schrägen Pseudonyme bekamen die Musiker natürlich vom Captain verpasst. John French wurde übrigens auf dem fertigen Album nicht erwähnt, da er vom Captain nach einem handfesten Streit aus der Band geworfen wurde. Wie es scheint, war Beefheart wohl ein sehr launischer und teilweise auch unangenehmer Zeitgenosse, wie sich im Laufe der Proben noch zeigen und French am eigenen Leibe erfahren sollte.
Vliets Vision war, dass die Band nicht nur die Songs einstudieren, sonder Trout Mask Replica leben sollte, und so zog er mit den Musikern für 8 Monate in ein kleines Haus in der Nähe von Los Angeles. Der Captain wollte seine Musiker völlig unter Kontrolle haben, musikalisch genauso wie auch emotional, und so benahm er sich wie eine Art Diktator.
Die Arbeitstage der Band waren oft bis zu 14 Stunden lang. Lief es nicht genau so, wie der Captain es wollte, bekamen die Musiker entweder Hausarrest, oder wurden von ihm so lange beschimpft, bis sie zusammenbrachen. Schenkt man Drummer John French Glauben, dann wurde der Captain auch schon mal handgreiflich, was zu seinem Bruch mit der Magic Band führte.
Da die Musiker kein festes Einkommen hatten, lebten sie quasi von der Hand in den Mund, bzw. von Ladendiebstahl oder den Lebensmitteln, die ihnen Frank Zappa gelegentlich vorbeibrachte.
Aus dieser selbst gemachten Hölle ging es dann schnurstracks ins Studio, wo die 28 Tracks quasi live im Studio aufgenommen wurden. Da die Magic Band das Material bis zum Erbrechen einstudiert hatte, dauerte der Großteil der Aufnahmen gerade mal viereinhalb Stunden. Beefhearts Gesang wurde später separat aufgenommen und dazugemischt.
Zappa fungierte zwar offiziell als Producer, hielt sich aber weitgehend zurück. Er war der Meinung, dass Beefhearts Genius nur dann voll zur Geltung kam, wenn er ihn einfach machen ließ, was er wollte, egal ob er es richtig oder falsch fand. Frank ging hier wohl auch den Weg des geringsten Widerstands, da er um den Eigensinn des Captain bestens Bescheid wusste und dieser Argumenten gegenüber sowieso ablehnend gegenüber stand. Ursprünglich hatte Zappa vor, das gesamte Album nach den Proben gleich im Haus der Magic Band aufzunehmen. Es fanden sogar Aufnahmen zusammen mit Zappas Tontechniker Dick Kunc statt, wobei die Instrumente in jeweils verschiedenen Räumen plaziert, gespielt und gleichzeitig aufgenommen wurden. Der stets mißtrauische Beefheart unterstellte Frank aber, er wolle sich nur Kosten sparen, und drängte auf ein professionelles Studio. Zappa gab nach.
Im Juni 1969 erschien Trout Mask dann endlich auf Vinyl, aufgrund der Materialfülle als Doppelalbum im opulenten FOC. Das legendäre und oft parodierte Cover stammte von Cal Schenkel und zeigt einen quäkerhuttragenden Beefheart, der scheinbar eine Fischmaske trägt. In Wahrheit hält sich der Captain aber den abgetrennten Kopf eines Karpfens vor das Gesicht. Der Fisch wurde von Cal Schenkel auf einem Fischmarkt gekauft, und so bearbeitet, dass man ihn als Ersatz für eine Maske verwenden konnte. Der Albumtitel spielt vermutlich darauf an, dass es ja schließlich keine wirkliche Forellenmaske war. Schenkel wurde übrigens in den Credits der Platte nicht erwähnt. Das scheint sich wie ein roter Faden durchzuziehen. Die Rückseite ziert ein Gruppenphoto der Magic Band.
Die Tracklist sah wie folgt aus:
Die einzelnen Songs des Doppelalbums hier genauer zu betrachten, würde zuviel Platz einnehmen. Beschränken wir uns also auf einzelne Schlaglichter. OK? Gut, oder „Well“, wie es der Captain ausdrücken würde.
The Dust Blows Forward 'n the Dust Blows Back ist ein Song, den der Captain ganz ohne musikalische Begleitung im Magic Band Haus mit einem Kassettenrekorder aufnahm. Vermutlich handelt es sich hierbei um eine spontan entstandene Improvisation.
Dachau Blues ist eine textlich eher naive Bearbeitung der katastrophalen Zustände im ehemaligen KZ Dachau.
Hair Pie: Bake 1 ist einer der Tracks, den Zappa mit dem Toningenieur Dick Kunc im Hause der Magic Band aufnahm, bevor der Captain auf einem professionellen Studio bestand.
Moonlight on Vermont stammt aus der Zeit vor den eigentlichen Sessions zu Trout Mask. Hier ist noch Bassist Gary Marker zu hören, der später durch Mark Boston ersetzt wurde. Gary war es auch, der Vliet einen Tape-Recorder überließ, mit dem dieser dann Songmaterial für das Album „komponierte“.
Interessant ist, dass Teile der Melodie dieses Songs viele Jahre später auf Shiny Beast recycled wurden: Der Song You Know You're A Man, weist deutliche Parallelen auf, besonders im Refrain.
Pachuco Cadaver zeigt gewisse Ähnlichkeit zu "Shortnin' Bread" auf, ohne in den Credits darauf hinzuweisen. Der Song beginnt mit der gesprochenen Phrase „Fast n`bulbous“, der wir im Verlauf des Albums noch mehrmals begegnen werden.
Bill´s Corpse ist eine Anspielung auf Zoot Horn Rollo´s (Bill Harkleroad)sehr schlechte gesundheitliche Verfassung aufgrund massivem LSD- Abusus. Auch der Captain selbst war einem guten Trip nicht abgeneigt, wies dies aber stets von sich. Laut seiner Aussage habe die Magic Band nie Drogen genommen. Haha.
China Pig ist eine spontane Improvisation mit Beefherats Vocals und einer Bluesgitarre. Der Song ist – trotz der sehr schlechten Soundqualität – einer der eingängigsten Songs des Albums. Beachtenswert ist die Begleitung auf der Gitarre, gespielt von Doug Moon, einem früheren Mitglied der Magic Band.
Dali´s Car, ein Instrumental, ist inspiriert von Salvador Dali´s Installation „Das Regentaxi“.
Pena ist ein reiner Spoken-Word-Track, der aus dem Thema Fast n´Bulbous besteht, bevor er in einen schrägen Vocal-Track mit Antennae Jimmy Semens an den Lead Vocals übergeht.
Well ist abermals eine spontane Vocal-Improvisation ohne musikalische Begleitung. Blues, ohne Zweifel, aber was für eine Art von Blues!
Orange Claw Hammer ist wieder eine reine Vocal-Improvisation ohne jegliche musikalische Begleitung. Wie bereits The Dust Blows Forward 'n the Dust Blows Back wurde der Song mit Kassettenrekorder im Magic Band Haus aufgenommen. Beefheart spielte den Track später erneut ein, begleitet von Zappa auf Akustik-Gitarre.
The Blimp ist eine Art Kuriosum. Der musikalische Background stammt nicht von der Magic Band, sondern wurde von den Mothers of Invention eingespielt. Die Vocals stammen nicht vom Captain, sondern von Antennae Jimmy Semens, der durchs Telephon einen Text von Beefheart sprach, der zur Musik aufgenommen wurde. Die Beteiligung der Mothers wurde in den Credits zum Album allerdings nicht erwähnt. Musikalische Fragmente fanden später Verwendung auf Zappa´s Weasles ripped my Flesh, sowie in Chalres Ives, einem unveröffentlichen Track, der den Hörern erst 1992 auf You Can't Do That On Stage Anymore Vol. 5 zugänglich wurde.
Veteran's Day Poppy, der letzte Song des Albums, wurde bereits 1968 aufgenommen, wieder mit Gary Marker am Bass. Der Song ist insbesondere interessant, da er mit einem Riff endet, das Frank Zappa Jahre später in dem Song Zoot Allures vom gleichnamigen Album verwendete. Dies untermauert auch die These, dass Frank Zappa sich tatsächlich gerne der Ideen anderer bediente, was ihm später noch einige Klagen seiner Ex-Mothers einbringen sollte.
Trout Mask war kein besonderer Erfolg beschieden, was aber nicht verwundert. Schreckte das, für damalige Verhältnisse,abstoßende Cover potentielle Käufer schon mal gehörig ab, tat die Musik ein Übriges. Den erwartungsvollen Käufer überwältigte eine bisher ungehörte Kakophonie an Dilettantismus und scheinbar unmotiviertem Chaos, begleitet von dissonanten und polyrhythmischen Klängen, nervenden, misstönenden Blasinstrumenten und der dominanten Stimme des Captains mit seinen verstörenden Texten über allem. Die Frage stellte sich gar nicht: Was war unverständlicher? Die Texte, oder die Musik? Allein das Aussehen der Musiker muss schon verstörend gewesen sein, kamen sie dem Amerikanischen Durchschnittsbürger damals wohl durchaus eher wie die entflohenen Insassen einer psychiatrischen Anstalt vor.
So etwas hatte die Musikwelt bislang noch nicht gehört, und würde sie auch lange nicht mehr zu hören bekommen. Das Album war seiner Zeit weit, weit voraus und überforderte die Hörer gnadenlos. War Zappa´s „Freak out!“ schon schräg, Trout Mask“ übertraf es um Längen. 1969 war der seit zwei Jahren dauernde Summer of Love für Hippies aus aller Welt. Acts wie Jefferson Airplane, Grateful Dead, Bob Dylan, Jimi Hendrix und viele andere prägten den Musikgeschmack der Massen. Themen wie der Vietnam-Krieg, Freie Liebe und die Abneigung gegenüber althergebrachten Konventionen waren angesagt. Hier war kein Platz für derartig sperriges und schwer zugängliches Material wie Beefheart und seine Magic Band es produzierten.
Das Album floppte gnadenlos, fand nicht einmal Eingang in die American Charts. Einzig in Großbritannien wurde dem Album ein bescheidener Erfolg zuteil.
Trout Mask stellt aber dennoch – zumindest in künstlerischer Hinsicht - das Magnum Opus des Captains dar, obwohl ich persönlich es überbewertet finde. So richtig anhören und genießen kann man es nicht, dazu ist es einfach zu anstrengend. Ich schätze die gemäßigteren Alben der Magic Band mehr, finden sich zwischen all den schrägen Tönen des Captains auch durchaus ruhige und entspannte Momente. Trout Mask lässt dies vermissen, es ist geballtes und konzentriertes Chaos.
Es scheint, als ob Van Vliet diese einmalige Chance, die Zappa ihm bot, einfach tun zu können, was er wollt, gnadenlos ausnutzte. Womit er auch recht hatte, schließlich wurde Trout Mask legendär, ebenso wie er selbst. Beefheart fand seinen ganz eigenen und unverwechselbaren Stil und beeinflusste viele Musiker.
Ich selbst hatte erste Hörerlebnisse ca. 1978, als Carl Ludwig Reichert in einer Radiosendung (Zündfunk?) Auszüge aus dem Album spielte. Dachau Blues blieb bei mir hängen, und damit assoziierte Ich jahrelang auch Beefheart. Um diese Zeit machte ich auch meine ersten Erfahrungen mit den Mothers. So recht entschließen konnte ich mich damals nicht: wenn ich groß war, wollte ich sein wie Captain Beefheart, oder eher wie Frank Zappa? Ich tendierte eher zu Beefheart, denn leider wollte es mir nie so recht gelingen, Gitarre zu spielen, Dachau Blues aber auf offener Straße zu plärren, das war dann schon eher mein Ding. Zudem sah ich mich – wie Beefheart - seinerzeit auch mehr als multiprofessioneller Künstler (haha), denn als Musiker. Große Ansprüche für einen Vierzenhjährigen, was? Immerhin schaffte ich es, 1979 eine Ausstellung meiner Gemälde im Berchtesgadener Gymnasium zu ergattern, und nebenbei von einem musikalischen Opus namens „***suite“ zu träumen. Aus dem dann aber leider nichts wurde, da ich damals kein einziges Instrument beherrschte.
Ich erinnere mich, wie ich ca. 1981 mit meinem Spezi Mike die Platte rauf und runter hörte – er selbst terrorisierte seine Mutter pausenlos mit Trout Mask Replica – und wir Passagen daraus – vornehmlich Fast n´bulbous – auf unserem allabendlichen Weg in unsere Stammkneipe rezitierten. Aus Fast n´bulbous wurde Fasten Bulviss. Ich selbst war immer The Mascara Snake. That´s right.
Zurück aber zum Album.
Kommerziell kein Erfolg, war das Album aber künstlerisch ein Meilenstein. Es faszinierte und beeinflusste bekannte Künstler wie Matt Groening, David Lynch, Edgar Broughton, Ian Anderson (er finanzierte auch die ersten beiden Alben von Mallard), Tom Waits, John Frusciante und - Helene Fischer (nein natürlich nicht!). Das Cover des Albums wurde viele Male parodiert, beziehungsweise wurden ihm diverse Hommagen gemischter Qualität dargebracht.
Beefheart blieb der Musik weiterhin treu und veröffentlichte danach noch einige Alben, die aber stets (noch) weniger Erfolg hatten. Seine Karriere mündete schließlich in einer Art trauriger Selbstparodie, die eine nicht immer gelungene Gratwanderung zwischen dem typischen Beefheart und der Zuwendung zu kommerzieller Musik darstellte. Zyniker nannten ihn fortan Captain Beefheart and his tragic Band, was aber nicht ganz gerecht war. Alben wie Unconditionally Guarranted und Bluejeans for Moonbeasm waren sicher keine Offenbarungen, gemessen an Trout Mask Replica. Aber sie wiesen durchaus sehr gutes Songmaterial auf.
1975 hatte Zappa mal wieder Mitleid mit seinem alten Freund, und so ging er mit Beefheart auf Tournee. Material daraus wurde auf Zappa`s Album Bongo Fury veröffentlicht, später auch teilweise in der You can´t do that on Stage anymore-Serie.
Danach wurde es wieder mal still um den Captain.
Erst 1978 gelang ihm überraschend ein vielbeachtetes Comeback mit dem bereits zwei Jahre zuvor aufgenommenem Album Shiny Beast.
Eigentlich schon 1976 aufgenommen und als Release unter dem Titel Bat Chain Puller geplant, wurde das Projekt aufgrund von Streitigkeiten mit Zappas damaliger Plattenfirma und seinem Manager Herb Cohen auf Eis gelegt. Die Aufnahmen blieben unter Verschluß, und Beefheart war vor die Wahl gestellt: Aufgeben oder neu aufnehmen? Er entschied sich für letzteres.
Shiny Beast wurde zumindest ein Achtungserfolg und wurde von den Kritikern sehr wohlwollend aufgenommen. Auch ein bescheidener Finanzieller Erfolg stellte sich ein. Das Original-Material zu Bat Chain Puller wurde übrigens 2012 vom Zappa Family Trust veröffentlicht.
Beefheart nahm danach noch zwei weiter Alben auf, bevor er sich endgültig seiner eigentlichen und wahren Leidenschaft widmete: der Malerei. Erfreulicherweise wurde ihm hier ein größerer kommerzieller Erfolg bescheiden, als mit seiner Musik. Zusammen mit seiner Frau Jan lebte er sehr zurückgezogen.
Was aber wurde aus der Magic Band?
Captain Beefheart verstarb kurz vor seinem siebzigsten Geburtstag im Jahre 2010, nachdem er jahrelang an Multipler Sklerose litt.
Rockette Morton (Mark Boston): lebt noch und ist sporadisch Mitglied der reformierten Magic Band. Er blieb bei der Magic Band bis 1974 und spielte zusammen mit Bill Harkleroad bei Mallard. 1980 kehrte er für das Album Doc at the Radar Station überraschend zurück.
The Mascara Snake (Victor Hayden): Er verließ Beefheart nach Trout Mask und arbeitete als freier Künstler. Hayden verstarb 2018.
Zoot Horn Rollo (Bill Harkleroad): lebt noch und gibt Gitarrenunterricht. Er blieb ebenso wie Mark Boston bis 1974 beim Captain und veröffentlichte später zwei unbeachtete Alben mit der Gruppe Mallard (produziert von Ian Anderson), sowie zwei Soloalben. Mallard bestand neben Harkleroad aus dem Bassisten Mark Boston und dem ehemaligen Drummer der Mothers, Art Tripp. Als Sänger wurde der unbekannte Sam Galpin – der dem Darsteller des „Negan“ aus der TV-Serie The Walking Dead verblüffend ähnelt - verpflichtet. Die nicht erfolgreiche Band veröffentlichte zwei Alben, bevor sie sich auflöste.
Antennae Jimmy Semens (Jeff Cotton): Verließ die band gleich nach Trout Mask und wandte sich einem Studium der Religion zu.
Drumbo/John French: lebt noch und spielte später mit Beefheart auf zwei Alben zusammen. Ist Mitglied der reformierten Magic Band und singt dort. Seine Stimme ähnelt sehr der des Captains.
Kommentare
(Die ersten drei wurden übrigens alle von Hendrix belegt...)
Die Entstehung des Albums erinnert mich an einen Film den ich kürzlich sah. Da ging es um einen Musiker, der permanent mit einer Maske herumlief (auch privat) und sich wie Beefheart mit seinen Musikern in eine abgelegene Hütte zurückzog, um unter Extrembedingungen sein Album aufzunehmen. Titel leider vergessen...
Ansonsten mal wieder ein sehr interessanter Artikel!
Der Film ist FRANK mit Michael Fassbender, der sehr gut zu Captain Beefheart passt. Ist allerdings nicht ganz so abgedreht. Hätte das Publikum sonst noch weniger verstanden.
Wahnsinns Artikel, super!