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... Helmut Pesch über Fantasy

Helmut W. Pesch, der Fantasy-Doktor... Helmut »Helmbrecht« Pesch ...
... über „Fantasy“

Helmut W. Pesch wurde am 30. August 1952 in Mönchengladbach geboren und wuchs in Kevelaer am Niederrhein auf. Nach dem Abitur und Zivildienst studierte er Anglistik, Kunstgeschichte und klassische Archäologie in Köln und Glasgow. 1981 promovierte er zum Dr. phil. mit der ersten deutschsprachigen Studie über Fantasy-Literatur: Fantasy: Theorie und Geschichte einer literarischen Gattung.


Im Bereich Fantasy wurde Helmut W. Pesch bekannt als Illustrator (u. a. Dragon), Kartenzeichner (Mythor und zu zahlreichen weiteren Romanen und Zyklen wie die Romane von David und Leigh Eddings), Übersetzer (u. a. E.R. Eddison: Der Wurm Ouroboros) und Autor (z.B. Die Ringe der Macht, Die Kinder der Nibelungen – beide mit Horst von Allwörden).

Eine seiner ersten Aufgaben im Bastei Verlag war die redaktionelle Betreuung der Bastei-Heftreihe „Fantasy“. Darum geht es in diesem Gespräch...

Zauberspiegel: Hallo Helmbrecht! (Ich nenne dich jetzt einfach mal so.) Du hast ja deine Finger schon in Dragon und Mythor gehabt, illustrierend und kartographierend, wie bist du dazu gekommen, beim Bastei-Verlag FANTASY redaktionell zu betreuen. War das ein Konzept, mit dem du an den Verlag heran getreten bist, oder umgekehrt?
Helmut Pesch: Ich war über Hubert Strassl ("Hugh Walker") an den Pabel-Verlag gekommen und habe mir so während meines Studiums Geld nebenbei verdient. Es war nie meine Absicht, daraus einen Beruf zu machen. Ich hatte damals eine Stelle an der Uni, als der Verlag über Michael Görden und Michael Kubiak, die ich kannte, an mich herantrat, ob ich nicht als freier Herausgeber die Fantasy-Taschenbücher (damals 1 Titel pro Monat) betreuen wolle. Ich habe mir das vierzehn Tage lang überlegt und dann zurückgefragt, ob sie keine feste Stelle für mich hätten ...

Zauberspiegel: Mit nur 28 Bänden vom März 1985 bis April 1986 war die Reihe recht kurzlebig. Ich vermute, dass der Verlag genug Marktkenntnis gehabt hat, die zu dem Zeitpunkt wohl schon rapide sinkenden Zahlen von Pabels MYTHOR (der ja Ende 1985 eingestellt wurde) zu kennen. War es eine Jetzt-erst-recht-Haltung, die Bastei dazu bewog, das Projekt durchzuziehen? War die Machart Reihe statt Serie auch darin begründet, quasi als Alternativprogramm?
Helmut Pesch: Die Reihe war von Michael Görden konzipiert worden, und ich kann nicht sagen, inwieweit solche Informationen verfügbar waren oder solche Überlegungen eine Rolle spielten. Ich war damals Redaktionsassistent.

Zauberspiegel: Glaubst du, dass sich FANTASY und MYTHOR gegenseitig so viel Konkurrenz gemacht haben, dass beide auf der Strecke blieben? War der Markt für Fantasy im Heftformat so klein, dass kaum ein Titel seine Käufer fand, geschweige denn zwei?
Helmut Pesch: Der "Markt" ist eine relative Größe; vermutlich wäre man heute bei manchen Serien dankbar für die Auflage von "Fantasy". Soweit ich weiß, hat sich die Serie nach damaligen Maßstäben durchaus getragen – wie man so schön sagt: eine "schwarze Null" geschrieben –, aber es zeichnete sich wohl kein richtiger Erfolg ab, sodass man sie relativ früh eingestellt hat, um irgendwas anderes zu probieren.

Zauberspiegel: Ab wann hattest du Einsicht in die Verkaufszahlen und konntest du überhaupt noch groß auf Leser-Feedback eingehen?
Helmut Pesch: Ich hatte keine wirkliche Einsicht in die Zahlen; so etwas war damals Chefsache. Leser-Feedback ist bei Heftserien nur bedingt zielführend, weil diejenigen, die Briefe schreiben, nicht unbedingt repräsentativ für die Leserschaft sind.

Zauberspiegel: Was hältst du rückblickend von der Machart mit mehreren Sub-Serien innerhalb der Reihe? Von den 28 erschienen Heften waren gerade mal vier echte Einzelhefte, davon der letzte vielleicht auch nur wegen der baldigen Einstellung. Warum brachte Bastei eine "Reihe", die im Prinzip ja gar keinen echten Reihen-Charakter hatte, sondern vielmehr sieben Serien in einem war?
Helmut Pesch: Ich vermute, weil dieses Konzept in anderen Fällen funktioniert hat, zum Beispiel beim "Gespenster-Krimi", aus dem "Der Hexer" und andere Serien hervorgegangen sind.

Zauberspiegel: Sind die Figuren der Sub-Serien teilweise von dir erdacht worden, oder haben die Autoren diesbezüglich freie Hand gehabt? Hat es für die wiederkehrenden Figuren Exposés gegeben, in die Zukunft hinein?
Helmut Pesch: Tatsächlich waren in diesem Fall die Titelbilder zuerst da. Wir hatten einen Fundus von ca. 50 Hildebrandt-Covern und haben uns überlegt, was man dazu schreiben könnte. So meine ich mich zu entsinnen, dass wir mit dem Thema "Tausendundeine Nacht" an Werner Appel herangetreten sind, aber die Figuren waren seine Idee. Es gab wohl Autoren-Exposes, zumindest in einigen Fällen, aber keine Exposes des Redakteurs.

Zauberspiegel: Hattest du persönlich eine Lieblings-Sub-Serie, oder kannst du dich erinnern, welche bei den Lesern am besten ankam? Mit Appels Morgana, Wallons Thorin, Michaels Straße der Götter, Hohlbeins Schwarzeichenwald, Sobeks Zauberlehrling und Rehfelds Cain gab es da ja eine breite Palette.
Helmut Pesch: Ich fand es schade, dass Wolfgang Hohlbein nicht mehr geschrieben hat. Rolf Michaels "Straße der Götter" hatte was ganz Besonderes, auch wenn sie total abgedreht war. Und ich mochte auch Alfred Wallons "Thorin" – ich bin bekennender "Conan"-Fan.

Zauberspiegel: Wie sehr wurde damals eigentlich versucht, auch Frauen als Leserinnen zu gewinnen? Mit Heften wie "Die Prinzessin und das Tier" oder den Figuren Morgana und Sina die Diebin, drängt sich der Eindruck auf, dass das durchaus Programm war. Glaubst du rückblickend, dass der Heftroman zu sehr getrennt in "Frauenromane" und "Männerromane" war bzw. ist. War das für dich mit Grund der schnellen Einstellung?
Helmut Pesch: Nicht bewusst. Ich glaube, es war schon bekannt, dass "John Sinclair" auch viele Leserinnen hatte. Aber "Programm" in dem Sinne war das wohl nicht. Man darf nicht vergessen, dass das damals ein angebotsorientierter Markt war. Heute fragt man sich mehr, was wollen die Leser? Damals fragte man sich, was haben wir Interessantes zu bieten und wie können wir es gut verkaufen?

Zauberspiegel: Ab Band 5 schon wurde vom Untertitel "Götter, Krieger und Dämonen" Abstand genommen, hin zu einem (weniger martialisch und "frauenkompatibleren"?) "Wunderbare neue Welten". Auch derart zu erklären, oder nahm irgendjemand am "Götter" Anstoß?
Helmut Pesch: Nein, das Argument war, dass der ursprüngliche Untertitel das Ganze zu sehr auf "Sword-and-Sorcery" festlegte und zudem die Titelbilder einen gewissen Widerspruch dazu darstellten.

Zauberspiegel: Dennoch hat keine Frau an der Reihe mitgewirkt. Wenn man sich überlegt, wer zu der Zeit Thema hätte sein können, kommt einem speziell Eva Eppers aus Terranauten-Zeiten in den Sinn, die ja bei Bastei auch eine Geschichtensammlung im Taschenbuch hatte. Wurde die angesprochen, oder wie erklärst du dir die ausnahmslos männliche Autorenschaft der Reihe?
Helmut Pesch: Ich weiß es nicht mehr, ob wir damals Eva Eppers angesprochen haben. Sieht man aber vergleichbare SF- oder Fantasy-Serien aus der Zeit, so gab es auch dabei so gut wie keine weiblichen Autoren.

Zauberspiegel: Es war ja in manchen Bereichen des Heftromans zeitweise üblich, gekürzte Taschenbuch-Texte zu bringen. Stellt sich die Frage, ob sich dir diese Frage bei FANTASY je gestellt hat. Oder Übersetzungen zu bringen?
Helmut Pesch: Nein, war nie ein Thema.

Zauberspiegel: Rolf Michael konnte ja im Taschenbuch dreimal nachlegen, auch "Dan Kelly" hatte einen einzigen Roman danach noch im Taschenbuch bei Bastei. Hohlbein ging zu Goldmann... Hatte der (Taschenbuch-)Verlag so schlechte Meinung von den anderen Autoren? Und was war mit Thomas Ziegler, der ja Sardor im Taschenbuch bringen konnte, war der je ein Thema für dich?
Helmut Pesch: Rolf Michaels Romane habe ich genossen, nur uferten sie sie leider von Band zu Band immer mehr aus. Dass nur noch ein Roman von Dan Kelly erschien, liegt daran, dass der Autor bereits vor Erscheinen verstorben ist. Man darf nicht vergessen, dass deutsche Autoren in der Fantasy damals die absolute Ausnahme waren. So gesehen, haben eigentlich viele aus ihrem Auftritt in der "Fantasy"-Reihe etwas gemacht: Viktor Sobek erschien später bei Goldmann, Alfred Wallon hat seinen Thorin in Eigenregie weitergeführt und noch andere Hefte geschrieben, Werner Appel schrieb Jerry Cotton, etc.

Zauberspiegel: Man hört bezüglich Hohlbeins Hexer oft, dass das zu "anspruchsvoll" für den Heftroman gewesen sei. Ich hatte damals (ich war etwa zehn, elf Jahre alt) den Eindruck, dass die Machart, speziell die graphische Gestaltung sehr ambitioniert war. Titelbilder ausnahmslos von den Hildebrandts, künstlerisch hochwertige Innenillustrationen von Friedrich Dohrmann ... Alles Perlen vor die Säue?
Helmut Pesch: Im Nachhinein habe ich den Eindruck, dass die Stoffe eher Taschenbuch- als Romanheft-Stoffe waren, was sich auch daran zeigt, dass einiges davon im TB nachgedruckt wurde. Vielleicht ist das auch der Grund für die Zyklen innerhalb der Reihe. Fantasy war von Anfang an eine Erscheinung des Taschenbuchmarkts, und ich denke, dass Fantasy-Romane eher was fürs Buch sind als fürs Heft – auch weil sie eine gewisse "epische" Länge brauchen, um sich zu entfalten.

Zauberspiegel: Wie lange war der Vorlauf der Reihe, und weißt du noch, welche Romane als Nächstes dran gewesen wären? Wäre da noch was von Derek Hart nachgekommen?
Helmut Pesch: Der Vorlauf war relativ kurz. Ich meine mich zu entsinnen, dass ein Doppelband von Rolf Michael vorlag, der dann das erste TB wurde, und möglicherweise auch das spätere TB von Dan Kelly. Aber ich kann es nicht beschwören.

Zauberspiegel: Wie schmerzlich war die Einstellung für dich persönlich, was hast du damals gedacht, als dich die Nachricht ereilte. Wie und von wem wurde dir das mitgeteilt?
Helmut Pesch: Ich war natürlich enttäuscht, dass der Verlag so früh das Handtuch geworfen hat. Ich wusste, dass die Reihe eingestellt wurde, als ich die Leserseite zum vorletzten Heft schrieb (was man merkt, wen man sie genau liest). Aber ich war immer eigentlich eher ein Taschenbuch-Leser als ein Romanheft-Fan, so hielt sich die Trauer in Grenzen. Helmbrecht, das war eine Rolle, die ich – durchaus mit Vergnügen – gespielt habe, aber das war nicht ich. Heute kommt er mir vor wie ein alter Freund aus der Vergangenheit.

Zauberspiegel: Rückblickend, gibt es Dinge, die du heute bereust und anders gemacht hättest?
Helmut Pesch
: Ich wollte in der Reihe immer was mit Elfen und Zwergen herausbringen, aber wir hatten damals in der relativ kurzen Zeit nicht den richtigen Autor dafür gefunden. Ansonsten habe ich mir die ganzen Hefte zu zwei Hardcover-Bänden binden lassen und schaue gern darauf zurück. Nicht mehr und nicht weniger.

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