... Aleta-Amirée von Holzen über Piraten in der Karibik, auf Zelluloid und anderswo
... Aleta-Amirée von Holzen ...
... über Piraten in der Karibik, auf Zelluloid und anderswo
Aleta-Amirée von Holzen: Meine Referendarin an der Universität Zürich hatte schon länger eine eigene Reihe an herausgeben wollen, und meine Arbeit war so zur rechten Zeit am rechten Ort, um Band 1 der Reihe Populäre Literaturen und Medien zu werden0
Aleta-Amirée von Holzen: Nein, die Reihe erscheint beim Zürcher Verlag SSI. Die Herausgeberin, Prof. Dr. Ingrid Tomkowiak, leitet die gleichnamige Abteilung am Institut für Populäre Kulturen der Universität Zürich, und die Reihe publiziert schwerpunktmässig studentische Abschlussarbeiten und Dissertationen, die dort entstanden sind. Der zweite Band von Petra Schrackmann widmet sich unter dem Titel An Awfully Big Adventure! J. M. Barries Peter Pan im medialen Transfer einem phantastischen Thema und wird noch dieses Jahr erscheinen. Ich selbst habe im Moment keine grösseren Publikationen geplant.
Aleta-Amirée von Holzen: Zuerst hatte ich im Rahmen eines Seminars über das Thema Abenteuer eine Arbeit zum ersten Teil von Pirates of the Caribbean verfasst. Für die Abschlussarbeit bot sich daraufhin die Ausweitung des Themas auf das gesamte Genre an, da es im englischsprachigen Bereich überschaubar ist. Eigentlich kannte ich vorher nur wenige Piratenfilme, aber Piraten findet man doch einfach toll, nicht wahr? Eine meiner Lieblingsschallplatten als Kind war Stevensons Schatzinsel, und als Jugendliche war ich fasziniert von der Comicreihe Barbe-Rouge (dt. Der Rote Korsar) von Charlier/Hubinon. Allerdings waren die Piratenfilme, die neuen wie die älteren, wirklich eine Entdeckung. Ich kann sie immer und immer wieder ansehen, ohne ihrer müde zu werden. Die Arbeit hat sich für mich auch aus diesem Grund gelohnt ohne sie hätte ich so viele Filme nicht gesehen, die mir inzwischen richtig ans Herz gewachsen sind.
Aleta-Amirée von Holzen: Das weiss ich nicht, da dies für mich keine desillusionierende Erkenntnis war ich hatte schon einige historische Kenntnisse, ich wusste, dass die Piraten vor allem als Idealbild in der populären Vorstellung vorhanden sind. Zudem gibt es in vielen Piratengeschichten etwa auch solchen aus Entenhausen übel wollende Piratenfiguren, und ich denke, dass die Faszination, die vom Piraten als Figur ausgeht, auf diesem Changieren zwischen dem Extrem des bösen Piraten, das der historischen Wirklichkeit näherkommt, und dem romantisierten guten Piraten beruht. Und so böse die realen Piraten auch sind: Faszinieren können die historischen Piraten einem mit ihren waghalsigen Taten und ihrem kompromisslosen Lebenswandel nichtsdestotrotz. Bereits die zeitgenössischen Schriften über die historischen Piraten der Karibik, Exquemelin oder später die Great History, schwanken zwischen Ablehnung und oft fast widerwilliger Faszination. Ich möchte die literarischen Piraten und das sind die historischen Piraten der Karibik heute aber nicht mit tatsächlichen heutigen Piraten gleichsetzen, die man in keinster Weise idealisieren darf.
Aleta-Amirée von Holzen: Alles in allem bin ich gut ein Jahr an der Arbeit gewesen, allerdings gab es mehr und weniger intensive Arbeitsphasen. Die Recherche und Materialbeschaffung brauchte schon mehr Zeit, als ich anfänglich gerechnet hatte, im Nachhinein kann ich aber nicht mehr nachvollziehen, wie lange ich für welchen Arbeitsschritt gebraucht habe. Die Arbeit war auch nicht in dieser Länge geplant, der Umfang hat sich während des Schreibens so ergeben, da ich so tolles Material hatte, das für meine Analyse enorm viel hergab
Aleta-Amirée von Holzen: Die Piratenbücher, die ich in meinem Buch erwähne, habe ich tatsächlich alle gelesen. Schliesslich wollte ich mir einen umfassenden Überblick über das Genre beschaffen. Empfehlen kann ich für Einsteiger vor allem die Piratenromane von Rafaele Sabatini, also drei Bücher um Captain Blood, The Black Swan (das fand ich am ungewöhnlichsten, da sich das Abenteuer zu einem grossen Teil an einem einzigen Strand abspielt) und The Sea-Hawk, der allerdings im Mittelmeer spielt. Von der Literatur aus dem 19. Jahrhunderts hat mich besonders das Jugendbuch Under Drakes Flag von G. A. Henty angesprochen, denn der Text flutscht auch heute noch beim Lesen. Lesenswert sind immer auch die Klassiker Stevenson, Scott, Cooper, Marryat. Leider sind viele der Bücher nicht auf Deutsch erhältlich oder auch in Englisch vergriffen, z. B. Alone in the Pirates Lair von 1866, das recht spannend ist, sofern man über eine gewisse Immunität gegenüber englischem Patriotismus verfügt, wie man sie bei einigen Texten aus dem 19. Jahrhundert benötigt.
Aleta-Amirée von Holzen: Das denke ich gerade nicht, für mich liegt die Faszination von Genres gerade in ihrer Variation. Ich finde es viel spannender, historische und zeitgenössische Werke anzuschauen und zu verknüpfen, als mich nur mit klassischen Werken zu beschäftigen, zumal dies andere vor mir schon getan haben. Zu den Filmen der letzten 25 Jahre gibt es bisher wenig wissenschaftliche Literatur. Der Zeitraum bot sich an, weil hier in Hollywood nur wenige Piratenfilme gedreht wurden, sodass ich diesen jeweils eine ausführliche Einzelanalyse widmen konnte. Den Schnitt 1983 zu machen, war zunächst eher willkürlich, hat sich aber im Nachhinein für die Untersuchung als Glückstreffer erwiesen.
Aleta-Amirée von Holzen: Wie sich gezeigt hat, sind es genau die Filme ab diesem Zeitpunkt, die das Schema des klassischen Piratenfilms ändern und statt einem zwei männliche Protagonisten bieten. Das hätte auch anders sein können, ich hatte die Abgrenzung gezogen, bevor ich alle Filme gesehen hatte. Bei Bedarf hätte ich das freilich anpassen können, aber so konnte ich den ursprünglichen Plan für meine Arbeit, welche Filme einzeln besprochen werden, beibehalten.
Aleta-Amirée von Holzen: Ich habe den Film zwar (noch) nicht gesehen, aber da haben Sie natürlich auch Recht. Auch schlechte Filme können für eine bestimmte Fragestellung sehr aufschlussreich sein. Ich fände es auch spannend, SciFi-Filme wie Ice Pirates anzuschauen. Aber eben, ich musste das Korpus einfach einschränken, sonst wäre ich nie fertig geworden.
Aleta-Amirée von Holzen: Die über PotC 2 und PotC 3, da der dritte Teil ja erst nach der Abgabe der Arbeit in die Schweizer Kinos kam.
Aleta-Amirée von Holzen: Da ich die beiden Kapitel über PotC 2 und PotC 3 erst für die Publikation geschrieben habe, ist dies sicher nicht von der Hand zu weisen. Hätte ich die Arbeit aber nicht vor dem Erscheinen des dritten Teils abgegeben, hätte ich diese aber nur schon der Vollständigkeit halber sicher auch einbezogen. Allerdings hatte ich diese Kapitel nur halb so umfangreich geplant aber während des Schreibens sind mir so viele Dinge aufgefallen, die ich auch noch erwähnen wollte. Aufgrund ihrer Komplexität bieten diese Filme einfach sehr viel Stoff für die Analyse (zumindest unter meinen speziellen Abenteuer-Blickwinkel), und das habe ich natürlich ausgenutzt.
Aleta-Amirée von Holzen: Beim ersten Schauen war ich von dem Film auch nicht speziell ergriffen. Es war aber genau das Ziel meiner Arbeit zu untersuchen, wie diese neueren Filme mit diesen Konzepten umgehen daher die Erkenntnisse , und tatsächlich hat der Film bei jedem Schauen vor dem Hintergrund des Abenteuer- und des Piratenkonzeptes für mich an Qualität gewonnen. Das Abenteuer neigt in einem gewissen Sinne zur Universalität es kann immer und überall stattfinden , und ich finde es schön, dass sich dies noch auf die Art der Erzählung ausweiten lässt: Selbst in einer Klamotte wie Yellowbeard funktioniert das Abenteuerkonzept und in Bezug auf das Konzept des extremen, bösen Piraten hat Yellowbeard ebenfalls einiges zu bieten.
Aleta-Amiirée von Holzen: In einer wissenschaftlichen Arbeit sollte man sich persönlicher Urteile ja weitgehend enthalten. Aber die wissenschaftlich orientierte Literatur und viele Kritiken, die ich zu diesem Film gefunden habe, gehen wirklich mehr als ungnädig mit dem Film um und das hat er meines Erachtens schlichtweg nicht verdient. Ich konnte es nicht lassen, hier klar Stellung zu beziehen. Es ist möglich, dass Cutthroat Island der erste Piratenfilm war, den ich gesehen habe. Ich fand ihn immer gut, gerade weil (endlich mal!) eine Frau die Hauptrolle hat und Geena Davis diese, wie ich finde, sehr gut ausfüllt. Ich habe immer den leisen Verdacht gehegt, dass viele dieser Kritiker dem Film von Anfang an keine Chance gegeben haben. Allein die Anfangssequenz jedoch, wo Morgan ihr Pferd über das grüne Wasser hetzt, ist für mich eine kleine filmische Sehenswürdigkeit.
Aleta-Amirée von Holzen: Nein, der Auslöser für meine Arbeit war Pirates of the Caribbean The Curse of the Black Pearl. Ich hätte mich sicher schon vorher für Piratenfilme interessiert, aber ich habe die im Fernsehen jahrelang immer verpasst (bzw. wir hatten einige Jahre keinen Fernseher), und es kamen ja vor Pirates of the Caribbean seit Cutthroat Island keine mehr ins Kino. Ich wusste aber zu Beginn meiner Recherchen, dass ich mit Cutthroat Island mindestens noch einen Film im Korpus der Einzelanalysen habe, der mir gut gefällt, und das war mir schon wichtig.
Aleta-Amirée von Holzen: Ja, warum nicht? Ich habe mein Korpus eher aus praktischen Gründen als aus mangelndem Interesse an anderem Material eingeschränkt. Allerdings sehe ich weniger einen ganzen Folgeband, sondern vielleicht eher einen kürzeren Beitrag irgendwann einmal
wenn ich zum Beispiel Italienisch gelernt habe, damit ich nicht mehr auf die deutschen Übersetzungen angewiesen bin, die leider immer wieder zu wünschen übrig lassen. Für wissenschaftliche Analysen finde ich es schon besser, wenn man die Filme oder Texte auch in der Originalsprache rezipieren kann. Es gäbe bestimmt noch viele interessante Aspekte zu entdecken, sei es in französischen, lateinamerikanischen oder fernöstlichen Piratenfilmen. Ich fände es auch schön, wenn meine Arbeit jemanden anregen würde, sich ebenfalls mit dem Thema zu befassen und vielleicht meine Erkenntnisse mit anderem Material zu vergleichen.
Aleta-Amirée von Holzen: Ich kenne mich mit der fernöstlichen Filmwelt leider nur sehr wenig aus, dafür hat mir bisher die Zeit gefehlt. Aber gerade wenn diese grundsätzlich klassische Motive verwenden, wäre es sicher interessant, sich diese ebenfalls anzuschauen. Bei PotC war doch das eigentlich Überraschende, dass Hollywood ein solches Projekt überhaupt realisiert hat und es einen solchen riesigen Erfolg hatte den es zweifellos verdient, v. a. den ersten Teil halte ich für ein Meisterwerk. Aber viele der Piratenelemente sind ohne Frage bereits anderswo zu entdecken, u. a. in französischen Fantasy-Mantel-und-Degen-Comics (De Cape et de Crocs). Auf verschiedenen Ebenen gibt es eben auch Parallelen zum Zeichentrickfilm Sinbad oder zu Savage Islands, die ich im Buch dargelegt habe. PotC arbeitet ja sehr stark mit Zitaten und Übernahmen (es lebe der Zeitgeist!), nur sind sie halt so gut gemischt, dass man die Vorbilder nicht kennen muss, um wiederum vor allem den ersten Film als einen vollen Genuss zu empfinden. Ich denke, das ich auch eine der Hauptqualitäten des Films.
Aleta-Amirée von Holzen: Es würde mich schon interessieren, ob der östliche Kulturraum ein ähnliches Abenteuerkonzept hat wie das von mir verwendete, oder ob und wo es hier Unterschiede gäbe.
Aleta-Amirée von Holzen: Ja, das wäre wirklich ein interessanter Film, der sich auch klar aus der Menge von italienischen Piratenfilmen der 60er- und 70er-Jahren abhebt, soweit ich diese kenne.
Aleta-Amirée von Holzen: Es gibt noch vieles, worüber zu schreiben ich mir vorstellen kann. Ich habe in meinem Studium Arbeiten zu vielen verschiedenen Themen verfasst, die natürlich nicht für eine Publikation gedacht waren. Generell interessieren mich immer Handlungskonstruktionen, Figurenkonstellationen, -charakterisationen und typische Darstellungsweisen besonders, eben gerade im Blick auf Modelle wie Held oder Abenteurer bzw. auf Schema und Variation. Was die populäre Literatur angeht, habe ich ziemlich breit gefächerte Interessen, wohl mehr noch auf wissenschaftlicher als auf Fan-Ebene. Persönlich liebe ich phantastische Literatur, schwärme für Comics, habe eine Schwäche für Mantel-und-Degen-Geschichten bzw. historische Romane und ein Faible für Märchen und Sagas. Ich konsumiere Literatur in allen Formen gern (ich habe ja auch Literatur studiert): Bücher, Filme, Fernsehserien, auch Kinder- und Jugendliteratur. Wissenschaftlich gesehen, werde ich mich in der näheren Zukunft vor allem mit Superhelden beschäftigen.
Aleta-Amirée von Holzen: Ich danke Ihnen für die interessanten Fragen.