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... Andreas Eschbach über »Quest«, wütende Leserzuschriften und überraschende Verkaufszahlen

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... über »Quest«, SF, wütende Leserbriefe und überraschende Verkaufszahlen

Fast ein Jahrzehnt. Solange ist es her, dass Andreas Eschbachs philosophisch angehauchter SF-Roman »Quest« erstmals auf dem deutschen Buchmarkt erschien. In unserer schnelllebigen Zeit kommt dies einer kleinen Ewigkeit gleich, und längst war es relativ schwierig, als Neuleser noch ein Exemplar des Romans zu erstehen.

Für Freunde phantastischer Literatur, die »Quest« noch nicht kennen, erweist es sich daher als Glücksfall, dass Bastei-Lübbe sich dazu entschlossen hat, das Buch in Neuauflage an den Start gehen zu lassen. Wir vom Zauberspiegel haben diese Gelegenheit genutzt,  Autor Andreas Eschbach einige Fragen zu seinem Werk zu stellen.

Quest von Andreas Eschbach Zauberspiegel: »Quest« ist ja kein ganz neuer Roman. Das Buch erschien bereits 2001, damals noch im Heyne-Verlag. Jetzt hat sich Bastei-Lübbe des Romans angenommen und ihn in Neuauflage an den Start geschickt. Manchmal nutzen Autoren dies, um den Roman noch einmal zu überarbeiten und in leicht veränderter Fassung zu veröffentlichen. Wie ist das bei »Quest«? Haben Sie den Roman noch mal bearbeitet?
Andreas Eschbach: Ja, ich habe die Gelegenheit genutzt, den gesamten Text noch einmal gründlich durchzugehen. Es war beruhigend festzustellen, dass mir der Roman so, wie er ist, im Großen und Ganzen immer noch sehr gut gefällt. Ich habe zwar ein paar Stellen geändert, aber es sind minimale Änderungen – kein Grund auf jeden Fall, sich das Buch deswegen noch einmal zu kaufen, wenn man es bereits besitzt.

Zauberspiegel
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»Quest« ist kein typischer SF-Roman. Große Weltraumgefechte findet man nicht, stattdessen konzentriert sich das Buch ganz auf seine Charaktere und auf Fragen um die menschliche Existenz und deren Sinn. Die Ausgangslage der Geschichte – ein Imperium vor dem Untergang, da ein mächtiges Sternenreich eine Invasion plant – deutet aber eigentlich auf ein recht actionreiches Spektakel hin. Was hat Sie dazu bewogen, die Geschichte deutlich ruhiger angehen zu lassen?
Andreas Eschbach: Die Geschichte erzählt von einem Raumschiffskommandanten, der vor dem Hintergrund eines drohenden großen Krieges zu einer Suche aufbricht, die dem Ursprung allen Lebens gilt: Es ist also eine Expedition, keine Kriegsgeschichte. Damit spielt ja auch der Titel – einerseits heißt der Kommandant „Quest“, aber gemeint ist natürlich auch die „Queste“, die Heldenreise also oder die Aventüre.
Und tatsächlich gibt es in dem Buch jede Menge Action. Übrigens auch eine Raumschlacht. Bloß tritt das nicht in den Vordergrund, weil die Geschichte, die die Figuren miteinander haben, weitaus intensiver und damit bewegender ist als es jedes Herumgeballere sein könnte.

Zauberspiegel: Wie waren die Reaktionen der Leser, als das Buch zum ersten Mal auf den Markt kam? Wurden da nicht auch enttäuschte Stimmen laut, die nach mehr Action verlangten?
Andreas Eschbach: Es war in der Tat so, dass dies der einzige Roman aus meiner Feder ist, der jemals wütende Leserzuschriften provoziert hat – was ich erstaunlich finde, wenn ich bedenke, was ich sonst so geschrieben habe. Allerdings waren das nicht Rufe nach „mehr Action“, sondern aufgebrachte Verurteilungen von wegen, ich könne nicht schreiben und so weiter... Das las sich alles sehr infantil, ehrlich gesagt.
Das Traurige daran ist, dass »Quest« eigentlich als eine Art Hommage an die deutschen SF-Leser gedacht war, eine Art Dankeschön für all die Preise für meine Bücher davor und den ganzen Tam-Tam, den die Szene um mich gemacht hatte. Niemand, auch beim Verlag nicht, hat mit sonderlich hohen Verkaufszahlen gerechnet. Eine „Space Opera“? Das galt zu dem Zeitpunkt, als wir über das Projekt gesprochen haben, als Regalblei, und wäre ich damals nicht gerade „der Autor des »Jesus Video«“ gewesen, wäre aus der Sache gar nichts geworden. Ich hatte, was die Verkaufszahlen anbelangt, auch überhaupt keine Ambitionen; ich hatte mir gesagt, sobald sich davon mehr als fünfhundert Stück verkauft haben, bin ich zufrieden. Ich hielt das für ein absolutes Insiderbuch.
Was nur wieder mal zeigt, wie man sich täuschen kann. Bereits wenige Monate nach dem Erscheinen erklärte Sascha Mamczak auf einer Buchhändlertagung, die Verkaufszahlen seien... Wie hat er sich ausgedrückt? Sie seien so, dass man sie sich nicht allein durch Käufe von typischen SF-Lesern erklären könne; das Buch müsse den Bereich der SF längst verlassen haben. Also: Zur allseitigen Überraschung erwies sich »Quest« als erstaunlicher, als ein für ein klar als SF-Roman erkennbares Buch geradezu unglaublicher Verkaufsschlager. »Quest« war locker einer der bestverkauften SF-Romane des letzten Jahrzehnts.
Ich denke, dass bestimmt auch die liebevolle Aufmachung der Originalausgabe dabei eine Rolle spielte – die Innenillustrationen von Thomas Thiemeyer, die Risszeichnung und so weiter. Aber man muss sich das mal vorstellen: Da liegt ein Buch mit Raumschiffen und Sternen auf dem Cover, einem Rückseitentext, in dem von Weltraumabenteuern die Rede ist – und ganz normale Menschen kaufen es zuhauf! Ich verstehe das, ehrlich gesagt, nicht wirklich. Ich habe Hunderte von Zuschriften des Stils „Ich lese ja sonst keine SF, aber »Quest« war großartig“ erhalten!
Offenbar war »Quest« tatsächlich kein typischer SF-Roman...

Zauberspiegel: Ein wichtiges Element von »Quest« ist das mittelalterlich anmutende Gesellschaftssystem, auf dem das Reich Gheera gründet. Dieses System muss im Verlauf der Geschichte ja einiges an Kritik einstecken. Ein ungewöhnlicher Ansatz, wie man in in der SF-Literatur nicht häufig zu Gesicht bekommt. Daher auch gleich zwei Fragen dazu. Zum einen: War »Quest« ursprünglich bewusst als ein derart gesellschaftskritischer Roman gedacht, oder hat sich das im Laufe des Schreibens irgendwann ergeben?
Andreas Eschbach: Na, also mittelalterliche Kastensysteme sind nicht gerade selten in der SF. Es ist ein wichtiges Element des Romans, da stimme ich Ihnen zu, aber so rasend originell ist es nicht.
Dieses Gesellschaftssystem und die Kritik daran war allerdings tatsächlich nicht von Anfang an vorgesehen; das hat sich erst im Lauf der Arbeit ergeben. Anfangs war das für mich einfach ein Verfremdungseffekt – ich wollte mit Gheera eine zwar menschliche, aber doch fremde Kultur schildern, und die Idee eines absolutistischen Kastenwesens hatte erzählerisch ihren Reiz. Und dann tauchte Smeeth auf und erwies sich als ziemlich kritischer Geist...

Zauberspiegel: Zum anderen: Wie sehen Sie selbst die Zukunft der menschlichen Gesellschaft? Hat ein System, wie Sie es beschrieben haben, tatsächlich eine Chance, sich so oder so ähnlich zu etablieren?
Andreas Eschbach: Ja, natürlich. Haben wir doch schon oft genug gehabt, oder? Im eben erwähnten Mittelalter zum Beispiel. Und zu anderen Zeiten, an anderen Orten... Und  die Geschichte lehrt uns, dass uns die Geschichte nichts lehrt: Es kommt alles wieder.

Zauberspiegel
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Ein weiterer wichtiger Aspekt des Romans sind Mythen und Legenden. Die meisten Geschehnisse in »Quest« tragen sich nur deshalb zu, weil es einen Mythos gibt, dem einer der Protagonisten folgt. Wenn man die heutige Raumfahrt betrachtet, so sind es doch vielmehr Technikglaube und die Aussicht, Neuland zu betreten, die den Motor der Weltraumerkundung antreiben. Welche Rolle spielen in Ihren Augen Sagen und Legenden bei der (realen) Erforschung des Kosmos?
Andreas Eschbach: Eine große. Täuschen Sie sich da nicht. Technikglaube? Aussicht, Neuland zu betreten? Das sind allenfalls oberflächliche Verkleidungen von Sagen, Legenden und Mythen. Dem Mythos beispielsweise, es gäbe da draußen überhaupt zu betretendes Neuland. Sie werden keinen Raumfahrttechniker finden, der nicht SF-Geschichten im Kopf hat, in denen mutige Astronauten fremde Welten erobern. Star Trek, Star Wars – das sind doch die Legenden und Sagen, die derartige Aktivitäten befeuern. Wenn eine Raumsonde „Deep Space Nine“ getauft wird: Das ist doch kein Zufall!
Und viele wirklich alte Legenden klingen manchmal erstaunlich modern. Das ist der Grund, warum Dänikens Theorien sich immer noch halten: Weil die Vergangenheit eben tatsächlich viele Rätsel birgt.

Zauberspiegel: In vielen SF-Romanen kommen, wenn es um Außerirdische Wesenheiten geht, insektoide Völker zum Zug. »Quest« bildet da keine Ausnahme. Worin liegt Ihrer Meinung nach der Reiz, gerade insektenartige Aliens in eine SF-Handlung einzubauen?
Andreas Eschbach: In ihrer Fremdartigkeit natürlich. Insekten unterscheiden sich geradezu diametral von Menschen, ohne jedoch völlig unbegreifbar zu sein – wie es Wesen wären, die, sagen wir, nur aus Schatten bestehen –; das ist eine reizvolle Situation.

Zauberspiegel: Wenn Sie »Quest« heute noch einmal schreiben würden, würden Sie das Buch erneut genauso verfassen, oder würden Sie bestimmte Dinge ändern? Wenn ja, welche?
Andreas Eschbach: Nein, ich würde es nochmal genauso schreiben. Abgesehen davon, dass man jedes Buch zu der Zeit schreiben muss, zu der es reif ist. Das sind heute andere Bücher. Aber ansonsten ist es immer noch so, wie ich es wollte. Tatsächlich gefällt es mir immer besser, je mehr Zeit vergeht. Ich bin sicher, dass auch die Neuauflage wieder viele Leser findet.

Zauberspiegel: Was die Erwachsenenromane anbetrifft, so haben Sie sich in letzter Zeit ja eher dem Thriller-Genre zugewandt. Wird man bald wieder einen „waschechten“ SF-Roman von Ihnen zu lesen bekommen?
Andreas Eschbach: Ja, bestimmt. Ich habe da noch einige Pläne auf der Pfanne; sie sind nur noch nicht ganz gar. Und wie gesagt, jedes Buch muss zu seiner Zeit geschrieben werden. Was die nächsten SF-Romane anbelangt, muss die erst noch kommen.

Zauberspiegel: Vielen Dank, Herr Eschbach, für Ihre Zeit!

Wer ist Andreas Eschbach?

Andreas Eschbach, Jahrgang 1959, schreibt seit seinem 12. Lebensjahr. Er studierte Luft- und Raumfahrttechnik und arbeitete zunächst als Softwareentwickler. Bis 1996 Geschäftsführer einer EDV-Beratungsfirma, lebt er inzwischen als freier Schriftsteller in der Bretagne. Er ist verheiratet und hat einen Sohn. Zu seinen bekanntesten Romanen zählen »Das Jesus-Video«, »Die Haarteppichknüpfer«, »Eine Billion Dollar« und »Ausgebrannt«.

 

Kommentare  

#1 Kyr 2009-03-10 13:58
:) Einige der Fragen erinnern mich an meine, die ich Andreas Eschbach vor einigen Jahren für MAGIRA gestellt hatte. Ich persönlich hielt "Quest" schon nach Erscheinen für einen großartigen Roman. Über das Ende kann man streiten, aber ich kann mir keinen besseren Abschluß vorstellen.
#2 Gabriel Adams 2009-03-10 14:37
@ Kyr

Da sieht man mal, dass die Interessen von Lesern auch Jahre später noch in eine ganz ähnliche Richtung gehen.
Und was das Ende angeht: Yepp, das ist ganz gewaltig dikussionswürdig. Aber ich stimme dir voll und ganz zu: Es passt.

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