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Desirée Hoese über Sherlock Holmes, Horror und Fingerspitzengefühl

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... über Sherlock Holmes, Horror und Fingerspitzengefühl

Desirée Hoese gehört seit Jahren zu den festen Größen, wenn es um die fantastische Kurzgeschichte geht. Die 1973 geborene und im Ruhrgebiet lebende Autorin schreibt oft zusammen mit ihrem Ehemann Frank Hoese. Ihre Geschichten erschienen im C't Magazin, in der Space View, bei Shayol, Wurdack, Voodoo Press und Fabylon. Zuletzt erschien ihr Roman "Sherlock Holmes und die Loge der Wiederkehr".  


Zauberspiegel: Vielen Dank Desirée, dass Du Dir die Zeit nimmst, dem Zauberspiegel ein paar Fragen zu beantworten. Es gibt im Netz ein paar Fotos von Dir, die Dich mal intellektuell, mal romantisch und mal taff zeigen. Wie würdest Du Dich beschreiben?
Desirée Hoese: Trifft alles zu! Bis auf die Romantik - da stehe ich der Addams Family und Hannibal näher als Barbara Cartland. Und ich würde eher Halloween feiern als den Valentinstag.
 
Zauberspiegel: Du schreibst schon seit 2003 fantastische Geschichten, die viel Anerkennung gefunden haben. Aber "Sherlock Holmes und die Loge der Wiederkehr" ist der erste längere Roman, den Du allein verfasst hast. Schreibst Du lieber Kurzgeschichten und Novellen?
Desirée Hoese: Verfasst habe ich mehrere - es ist der erste, der veröffentlicht wird. Was das Format angeht, bin ich flexibel. Ich denke, dass manche Ideen eher zu einer Kurzgeschichte passen und andere ein längeres Format brauchen.
 
Zauberspiegel: Viele Deiner ersten Geschichten, die bei Wurdack und Shayol erschienen sind, behandeln SF Themen. Mittlerweile hat sich Dein schriftstellerischer Schwerpunkt in andere Bereiche der Phantastik verlagert. Oder täuscht der Eindruck?
Desirée Hoese: Jepp. Ich liebe Phantastik im Allgemeinen, und auch hier muss mich einfach die Geschichte reizen, die Story.
 
Zauberspiegel: Mir persönlich hat z.B. "Deine Nacht soll niemals enden" in Dark Ladies 2 sehr gut gefallen, die moderne Elemente mit klassischem Horror verbindet. Faszinierend finde ich auch "Dunkel sind die Kammern Deiner Träume" in Odem des Todes, wo es um eine Hommage an Edgar Allan Poe geht. Auch der aktuelle Roman hat ja mit dem Friedhofspassagen einige sehr gruselige Abschnitte. Gibt es zur Zeit eine größere Nachfrage nach Horror als nach SF oder hat sich einfach Deine persönliche Vorliebe verändert?
Desirée Hoese: Ich bin schon ein riesiger Horror-Fan, seit ich klein war. Zuerst waren es Gruselcomics und Hammer-FIlme. Horror ist einfach ein toller Spielplatz für die Phantasie. "Dunkel sind die Kammern deiner Träume" hat mir sehr viel Spaß gemacht, weil ich ein großer Fan von Poe und Lovecraft bin. Was "Deine Nacht soll niemals enden" angeht, gebe ich das Lob gleich an Frank weiter, von dem die Idee zu der Geschichte kam. Genau wie ich steht er einfach auf unheimliche Phantastik.
 
Zauberspiegel: Ist es Dir leicht gefallen, Dich im Holmes-Kosmos zurecht zu finden? Wieviel Vorarbeit ist dazu nötig? Hast Du dazu alle Originalgeschichten von Conan Doyle gelesen?
Desirée Hoese: Auch Conan Doyle begleitet mich schon seit meiner Kindheit. Im Laufe der Jahre habe ich die Geschichten unzählige Male gelesen. Was die Recherche zum Roman so knifflig machte, waren eher die historischen Details. Was die Vorarbeit angeht, habe ich zuerst für das grundlegende Setting recherchiert, musste aber für einzelne Fragen immer wieder mit der Recherche nachlegen. Allein die Recherche um den Highgate-Friedhof hat viele Stunden in Anspruch genommen.
 
Basil RathboneZauberspiegel: Gibt es einen Sherlock Holmes Film, der Dein Bild des Meisterdetektivs geprägt hat?
Desirée Hoese: Eher Darsteller als Filme - Basil Rathbone, Jeremy Brett, ganz besonders Ian Richardson - aber ich mag auch die actionlastigere Darstellung von Robert Downey Jr. und die moderne Interpretation von Benedict Cumberbatch.
 
Zauberspiegel: Du hast vor dem Roman ja bereits zweimal Sherlock Holmes Pastiches geschrieben. In der gemeinsam mit deinem Mann verfassten Novelle "Das Rätsel des Rad fahrenden Affen" geht es um eine geradezu klassische Detektivgeschichte. Mit ein paar Extravaganzen wie Ermittlungen im Zirkusmilieu und dem Ausflug nach Paris. Als Gegner hast Du dort mit Miss Montague eine neue Figur kreiert. Worauf achtest Du, wenn Du den klassischen Holmeskosmos erweiterst?
Desirée Hoese: Ich persönlich ärgere mich immer, wenn die Figuren out of character dargestellt werden und die Autoren den Figuren charakterfremde Züge andichten, die von den ursprünglichen Figuren kaum noch etwas übrig lassen, anstatt das Vorhandene auszuloten. Ich denke, wenn man sich in einem bereits vorhandenen Kanon bewegt, sollte man das mit Respekt und Fingerspitzengefühl tun.
 
Zauberspiegel: Etliche Deiner Geschichten hast Du gemeinsam mit Deinem Mann Frank verfasst. Ist es leichter, gemeinsam zu schreiben?
Desirée Hoese: Nö. Frank und ich haben beide sehr eigene Vorstellungen, wie eine Geschichte auszusehen hat. Aber da wir inzwischen auch beim Geschichtenerzählen ein sehr eingespieltes Team sind und beide vor den Ideen des anderen viel Respekt haben, macht die Zusammenarbeit auch ziemlich viel Spaß. Allerdings würde ich nicht sagen, dass es leichter ist als sich alleine Geschichten auszudenken, und ich glaube, Frank sieht das genauso. Gerade im Moment sind wir dabei, bei einem größeren Projekt, einem Roman zusammenzuarbeiten, aber mehr möchte ich darüber jetzt noch nicht verraten.
 
Zauberspiegel: In Deiner Kurzgeschichte "Eine Studie in Blut" fährst Du dagegen ganz großes Kino auf. Irene Adler, Vampire, Moriarty und Van Helsing. Gefällt Dir der "phantastische" Holmes besser als der "klassische"?
Desirée Hoese: Beide haben ihre Vorzüge! Ich muss zugeben, die Geschichte hat mir selbst beim Schreiben viel Spaß gemacht. Es hat eben seinen ganz besonderen Reiz, den rationalen Holmes mit Übernatürlichem zu reizen...
 
Sherlock Holmes und die Loge der WiederkehrZauberspiegel: "Sherlock Holmes und die Loge der Wiederkehr" ist eine ziemlich verzwickte Geschichte. Wie lange hast Du gebraucht, um den Plot zu entwickeln?
Desirée Hoese: Einige Zeit ... ich würde sagen, einige Wochen. Genau ist das schwer zu sagen.
 
Zauberspiegel: Mir hat sehr gefallen, dass Du auch die Nebenfiguren sehr genau skizziert hast. Wie bist Du z.B. auf den Arzt Long Norton gekommen?
Desirée Hoese: Viele der Nebenfiguren ergaben sich tatsächlich von selbst, da der Roman im Prinzip ein Crossover zwischen dem Holmes-Kanon und der Geschichte "Die Mumie" (Lot Nr. 249) ist, die ebenfalls aus der Feder von Conan Doyle stammt. So ist zum Beispiel Long Norton eine Figur aus der Kurzgeschichte, ebenso wie Hastie, Bellingham und einige andere. Auch hier habe ich mich bei der Charakterisierung möglichst eng an die Vorgabe von Doyle gehalten. Nur gibt seine Kurzgeschichte in Sachen Charakterisierung nicht immer viel her, so dass ich genug Raum für meine eigene Kreativität hatte. Andere Figuren wie etwa Stella haben historische Vorbilder, bei denen ich mir allerdings einige Freiheiten genommen habe.
 
Zauberspiegel: Bei den meisten der Charaktere bleibt lange unklar, ob sie zu den Guten oder doch zu den Schurken gehören. Da gibt es z.B. den Auftraggeber selbst Jethro Hastie oder Howard, das abtrünnige Logenmitglied. Das wirkt sehr routiniert. Hast Du schon Erfahrung mit anderen Kriminalgeschichten gesammelt?
Desirée Hoese: Wie man's nimmt - tatsächlich mag ich neben der Phantastik auch Krimis ziemlich gern und bringe deshalb in meinen Geschichten immer wieder Krimi-Elemente unter. Abgesehen davon haben Franks und meine Storys um das Ermittlerpaar Wren und Instant (Zyanid-Connection) auch viele Krimi-Elemente.
 
Zauberspiegel: Woran liegt es Deiner Meinung nach, dass eine Figur wie Sherlock Holmes, die aus dem späten 19. Jahrhundert kommt, auch für die Menschen des beginnenden 21. Jahrhunderts immer noch so eine große Faszination ausstrahlt?
Desirée Hoese: Gute Frage. Ich denke, es gibt einfach diese Figuren, die besonders stark die Sehnsüchte, Wünsche und Phantasien der Menschen bündeln können. Wie etwa das Duo Holmes/Watson oder Winnetou und Old Shatterhand, die vier Musketiere, Doctor Who oder Dracula. Dabei sind nicht nur die "Helden" Identifikationsfiguren, sondern auch die "Schurken" - wie zum Beispiel Hannibal Lecter oder Arsene Lupin.
 
Zauberspiegel: Wird es weitere Sherlock Holmes Romane von Desirée Hoese geben?
Desirée Hoese: Mal sehen! Mir hat es jedenfalls viel Spaß gemacht, "Die Loge der Wiederkehr" zu schreiben, und ich wäre nicht abgeneigt.

Uwe Weiher



Die Fragen für den Zauberspiegel stellte: Uwe Weiher



 

Bibliographie von Desirée Hoese (Auswahl)

Kurzgeschichten u. Novellen:

  • Schätze der Zukunft
    in: Die Legende von Eden, Wurdack 2005 (mit Frank Hoese)

  • Brüder
    in: Pandaimonion VI, Wurdack 2006

  • ... wenn wir eines Tages zu Cyborgs mutiert wären ...
    in: Plasmasymphonie, Shayol 2006 (mit Frank Hoese)

  • Wie Phönix aus der Asche
    in: Der Moloch, Shayol 2006

  • Eine Studie in Null und Eins
    in: C't Magazin 2008

  • Deine Nacht soll niemals enden
    in: Dark Ladies 2, Fabylon 2009 (mit Frank Hoese)

  • Amelie
    in: Sad Roses, Sieben Verlag 2009, Neuauflage Fabylon (mit Frank Hoese)

  • Dunkel sind die Kammern deiner Träume
    in: Odem des Todes, Voodoo Press 2011

  • Das Gesetz des Chaos
    in: Heimweh eines Cyborgs, p.machinery 2012 (mit Frank Hoese)

  • Schattenmanns Blick
    in: Schattenmanns Blick, Textlust 2013

  • Knochenspiel
    in: Die Knochenkirche, Fabylon 2014

  • Eine Studie in Blut
    in: Sherlock Holmes und das Druidengrab, Fabylon 2012

  • Das Rätsel des Rad fahrenden Affen
    in: Sherlock Holmes und die Tochter des Henkers, Fablon 2012 (mit Frank Hoese)

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