Leit(d)artikel KolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

... Alisha Bionda über Anthologien und warum die für sie immer einen gewissen Reiz ausstrahlen“ –

1 ... Alisha Bionda ...
...über Anthologien und warum die für sie immer einen gewissen Reiz ausstrahlen 

Anthologien sind unbeliebt und finden keine Leser. Das ist zumindest das Bild, das man bekommt, wenn man sich ein wenig nach Kurzgeschichtensammlungen umsieht und umhört. Aber stimmt das? Oder sollte gar das Gegenteil der Fall sein? Kann man mit Anthologien Leser begeistern? Lohnt sich die Lektüre von Anthologien letzten Endes doch?

In Alisha Bionda haben Kurzgeschichtensammlungen eine Fürsprecherin, die sich stark für diese Werke einsetzt. Passend zum Erscheinen ihrer neusten Anthologie »Unter dunklen Schwingen« haben wir vom Zauberspiegel uns deshalb mit der Herausgeberin über die Sammlung und Anthologien im Allgemeinen unterhalten.

Zauberspiegel: Hallo Alisha! Freut mich, dass du Zeit gefunden hast, dem Zauberspiegel einige Fragen zur Anthologie »Unter dunklen Schwingen« zu beantworten. Stürzen wir uns auch gleich mitten ins Gefecht.
»Unter dunklen Schwingen« enthält elf Geschichten, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten. Dennoch finden sie sich alle in einem einzigen Buch wieder. So manch einer mag sich fragen, wo hier der Zusammenhang besteht. Daher würde ich dich zunächst bitten, den Kern der Anthologie näher zu bringen und ihn ein wenig zu erläutern.
Alisha Bionda: Im Grunde hast du den Kern der Anthologie schon erfasst und sie geht auch aus meinem Vorwort hervor: Ich wollte eben durch diese Unterschiedlichkeit die Bandbreite der Phantastik bieten. Ohne jegliche Vorgabe, ohne einen roten Faden, um den Autoren möglichst viel Entfaltungsmöglichkeiten zu bieten. Darüber hinaus erscheinen zufälligerweise dieses Jahr recht viele von mir herausgegebene Anthologien, die ich auch abgrenzen muss, damit der Leser dennoch immer etwas Neues geboten bekommt. Ich glaube, das ist auch gelungen. Die einen haben eben ein strengeres Konzept, die anderen sind völlig frei und „nur“ genregebunden.

Zauberspiegel: Was, würdest du sagen, ist das Besondere an »Unter dunklen Schwingen«, also der spezielle Aspekt, der die Sammlung von anderen Anthologien unterscheidet (gerade auch in Hinblick auf die von dir bereits zuvor herausgegebenen Kurzgeschichtensammlungen)?
Alisha Bionda: Zuerst die von mir oben angesprochene Vielfalt, dann die sehr schönen Grafiken von Mark Freier, der meine Motivwünsche wieder sensationell umgesetzt hat, aber auch die Autorenriege: da sind mit Arcana Moon und Aino Laos zwei Sängerinnen, da sind mit Marc-Alastor E.-E. und Barbara Büchner zwei sehr unterschiedliche längere Novellen, und auch die weiteren Autoren können sich lesen lassen: Christoph Hardebusch und Uschi Zietsch, dann Andreas Gruber, der zielstrebig seinen Weg geht und weiterhin gehen wird,  Dominik Irtenkauf, dessen surrealistische Texte schon in sich eine Besonderheit bieten, und das Laternchen trägt meine Wenigkeit. Mir war mal wieder danach auch einen Text beizusteuern. Zwei weitere Schmankerl sind die Storys von Tanya Carpenter & Mark Staats und Mark Freier, der neben seinen Grafiken auch mal wieder eine Kurzgeschichte verfasste. Weitere Besonderheit ist das Format (großes Trade Paperback), worin natürlich die ganzseitigen Grafiken virtuos zur Geltung kommen. Bedenkt man das und die Seitenzahl, ist auch das Preis-Leistungsverhältnis ausgewogen.

Zauberspiegel: »Unter dunklen Schwingen« ist der Titel, den du für deine Anthologie gewählt hast. Das klingt ungewöhnlich, das klingt mysteriös, sagt einem Leser nun aber wenig darüber, was ihn im Rahmen der Sammlung erwartet. Wie bist du auf gerade diesen Titel gekommen?
Alisha Bionda: Da will ich mich nicht mit fremden Federn schmücken – und insoweit bin ich sehr dankbar für die Frage. Denn der Titel stammt nicht von mir. Er ist in einer Zeit entstanden, als ich im Rahmen von »Wolfgang Hohlbeins Schattenchronik« noch enger mit Jörg Kleudgen zusammengearbeitet habe. Er wollte ebenfalls einen Beitrag zur der Anthologie leisten – wozu es dann leider nicht kam. Er machte damals den Vorschlag mit dem Titel-Zusatz – und ich habe ihn aufgegriffen und es ist dabei geblieben. Denn für mich stand es dann sinnbildlich so: UNTER DUNKLEN SCHWINGEN tragen unterschiedlichste Autoren ihre phantastischen Wort-Kreationen an die Leser heran. Die Schwingen stehen für mich für zwei Punkte – sie führen die Autoren erst einmal zusammen und dann ihre Texte an die Leser.

Zauberspiegel: Im Buch selbst erwähnst du, dass du den Autoren der einzelnen Beiträge wenig Vorgaben bezüglich ihrer Geschichten gemacht hast. Wie genau sahen denn diese Vorgaben aus, die es zu beachten galt?
Alisha Bionda: Im Grunde gab es keine – nur das Genre.

Zauberspiegel: Die Geschichten decken ja ein breites Feld der Phantastik ab. Sie sind zwar durchweg düster und mysteriös, aber ansonsten doch sehr verschieden. Das lag ja auch in deiner Absicht. Hat diese bei der Wahl der Autoren, die eine Geschichte zur Sammlung beigesteuert haben, eine Rolle gespielt?
Alisha Bionda: Natürlich, aber auch die doch sehr stark stilistischen Unterschiede der Autoren. Ich spreche ja immer gezielt Autoren an und da habe ich besonders bei dieser Antho auf diese gegenseitigen Abgrenzungen geachtet. Sei es von den Plots, den Stilen oder der Länge der Texte.

Zauberspiegel: Kommen wir kurz zu deiner Geschichte. Kannst du mir ein wenig über diese erzählen, sowohl in Sachen Inhalt als auch zum Hintergrund der Story?
Alisha Bionda: Hehe, vom Inhalt möchte ich nicht mehr verraten, als es der Teaser auf meiner Website bereits vermag. Alles andere wäre bei einer Kurzgeschichte tödlich. Generell, bei meinen Texten verquicke ich meist Historisches oder Mystisches mit der Gegenwart, sie handeln meist auf zwei oder mehreren Ebenen – und was, glaube ich, bei meiner Art zu schreiben von Nöten ist: Man muss auch zwischen den Zeilen zu lesen vermögen.

Zauberspiegel: Ich weiß nicht, ob du als Herausgeberin der Anthologie auf diese Frage überhaupt antworten möchtest, aber ich stelle sie trotzdem: Welche der vorliegenden Geschichten hat dich besonders beeindruckt? Warum?
Alisha Bionda: Das könnte ich so pauschal nicht sagen, das würde den Texten nicht gerecht, aber sicher habe ich meine Favoriten. Einen besonders. Das ist auch kein Geheimnis, wenn man mich kennt oder einen Blick auf meine Website wirft. Aber grundsätzlich sprechen mich Texte an, wenn ich sie aufnehme. Es gab eine, die besonders lange „in“ mir war. Der betreffende Autor weiß es auch – ich denke, das reicht auch.

Zauberspiegel: Lass uns zum Abschluss noch ganz allgemein über Anthologien sprechen. Im Vorwort von »Unter dunklen Schwingen« erwähnst du, dass derartige Sammlungen sich allenfalls mäßigem Interesse beim Publikum erfreuen. Woran liegt das deiner Meinung nach?
Alisha Bionda: Nein, nicht am mäßigem Interesse des Publikums, sondern der Verlegerschaft. Es hat sich eingebürgert zu sagen: Anthologien lohnen nicht. Was in meinen Augen dummes Zeug ist – und betrachtet man z.B. PIPER und Ueberreuter, wagen sie sich ja auch wieder an dieses Format heran. Besonders PIPER hat um die Weihnachtszeit einige im neuen Programm. Das Manko ist, dass für Anthologien nicht genug geworben wurde und sie, wenn sie bei Kleinverlagen herauskommen, es oft schwer haben, sich bei den Lesern bemerkbar zu machen – weil das Werbebudget nicht ausreichend ist. Die Anthologien, die die Aufmerksamkeit der Leser erreichen, werden auch gekauft und gerne gelesen. Zu Recht. Ein weiterer Fehler war auch, dass zu viele lieblos aufgemachte Kurzgeschichtensammlungen den Lesern des Gefühl vermittelt haben (und auch mussten), dass sie zusammengeklotzt wurden und auch keine rechte Auswahl getroffen wurde. Auch die Mixtur der Autorenriege stimmte oft nicht. Aber betrachtet man mal die letzten beiden Jahre, so sind teilweise sehr schöne und gute Anthologien auf den Markt gekommen und ich sehe den Trend eher, dass sich GUTE und optisch ANSPRECHENDE Anthologien ihren Markt erobern werden, wenn die Leser merken, dass der Anspruch da gestiegen ist.

Zauberspiegel: Du selbst bist ja eine starke Befürworterin von Anthologien. Woran liegt das? Was ist deiner Ansicht nach das Besondere an Anthologien, und was könnte getan werden, damit (wieder) mehr Leser auf den Geschmack dieser Sammlungen kommen?
Alisha Bionda: Früher mochte ich keine Anthologien, ich habe das Kreuz geschlagen. Bis mich Wolfgang Hohlbein ansprach, ob ich zu seiner ersten „Fantasy Selection“ bei Weitbrecht eine Kurzgeschichte beisteuern wolle. So kam ich – recht widerspenstig, gebe ich zu – an die Kurzgeschichte. Ich verlor mehr und mehr meine zurückhaltende Einstellung. Und dann strahlten für mich Anthologien immer mehr einen gewissen Reiz aus, auch einmal zwischendurch und kurzfristig aus dem Alltag „abtauchen“ zu können, neue Autoren anzutesten und vor allem in einem Band Abwechslung geboten zu bekommen. Daher habe ich eher eine Vorliebe für Kurzgeschichtensammlungen mehrerer Autoren – sei es eine Handvoll oder mehr – als eines Autors. Ausnahmen bestätigen natürlich auch hier die Regel. Es gibt Autoren, die ich ohnehin bevorzuge, und da freue ich mich als Leserin natürlich auch über einen Kurzgeschichtenband dieses Autors. Das sind aber zugegebenermaßen recht wenige.

Zauberspiegel: Letzte Frage: Wird es einen zweiten Teil von »Unter dunklen Schwingen« geben?
Alisha Bionda: Das ist nicht geplant und dürfte aus mehreren Gründen auch schwierig sein. Ich bin auch der Meinung, dass diese Antho für sich stehen sollte.

Zauberspiegel: Vielen Dank, Alisha, für das Gespräch!

 

Kommentare  

#1 Laurin 2009-06-24 16:05
Anthologien sehe ich immer als eine sehr schöne Bereicherung, da die einzelnen Geschichten auch immer ein kurzweiliges (dennoch überraschendes und spannendes) Lesevergnügen sein können. Warum diese (ob Verlage oder Leser) so stiefmütterlich behandelt werden, ist mir leider ein Rätsel! Aber vieleich kann da mal jemand zumindest aus einer Verlagssicht heraus, was zu sagen. Wäre interessant, sofern da der eine oder andere Einblicke genießt!
#2 Harantor 2009-06-25 02:05
Kurzgeschichten (und damit auch Anthologien) hatten es in Deutschland immer schon schwer und in den letzten Jahren wohl noch schwerer. Kommerziell rechnen sie sich nicht. Und daher werden sie eben stiefmütterlich behandelt. Ich finde das schade. Aber ich werde es überleben... Dieses land ist ein land der Romane.
#3 Larandil 2009-06-25 10:59
Zitat:
Dieses land ist ein land der Romane.
Mal ganz davon abgesehen, daß viele "Romane" eigentlich doch bloß Kurzgeschichten sind, die mit viiiiel heißer Luft aufgebläht wurden - dieses Land ist eher ein Land der Romantrilogien. Mindestens.
Leider.

Der Gästezugang für Kommentare wird vorerst wieder geschlossen. Bis zu 500 Spam-Kommentare waren zuviel.

Bitte registriert Euch.

Leit(d)artikelKolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles