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... Rebecca Gablé über Ratlose, Löwenherzen, Alfred und 1066

Rebecca Gablé ... Rebecca Gablé über Ratlose, Löwenherzen, Alfred, William und 1066

Dieser erste Teil dieses Interview mit Bestsellerautorin Rebecca Gablé stammt aus dem Jahr 2008 und entstand auf der Frankfurter Buchmesse. Die ganzen Irrungen und Wirrungen zu schildern, bis wir es endlich nun online stellen können, würde zu weit führen. Aber nun hat es doch geklappt.

Das Thema sind zum Glück keine flüchtigen Gedanken, sondern Rebecca Gablés empfehlenaswertes Sachbuch "Von Ratlosen und Löwenherzen", das sich dem englischen Mittelalter widmet. Und über das englische Mittelalter haben wir gesprochen.Ein geradezu zeitloses Thema...

Von Ratlosen und LöwenherzenZauberspiegel: Von Ratlosen und Löwenherzen – Das Sach(lese)buch zum englischen Mittelalter setzt ja mit der Ankunft der Angelsachsen ein. Was ist denn aus den Ur-Briten geworden?
Rebecca Gablé: Die Ur-Briten spielen insofern keine große Rolle, weil sie ja von den Angelsachsen ins heutige Wales und Cornwall vertrieben worden. Und es ist ja eine Geschichte des englischen Mittelalters da spielen die Ur-Briten keine große Rolle mehr...

Zauberspiegel: Darf man in dieser Hinsicht auch mit einer Fortsetzung rechen, einer Geschichte des walisischen Mittelalters?
Rebecca Gablé: Ich gestehe, vom walisischen Mittelalter nicht soviel Ahnung zu haben und es ist meinem Herzen nicht so nah, so dass es von mir keine Geschichte des walisischen Mittelalters geben wird.

Zauberspiegel: Dieses Sachbuch heißt ja nun „Von Ratlosen und Löwenherzen“. Ist das so eine Art Rahmenexposé für Ihre historischen Romane?
Rebecca Gablé: Es war eigentlich eher umgekehrt. Dieses Sachbuch hat sich aus meinen Romanen entwickelt. Aber in gewisser Weise haben Sie schon Recht. Ich hatte bereits länger die Idee, ein historisches Sachbuch zu schreiben. Aber das sollte eigentlich etwas ganz anderes werden. Dann kam aus dem Verlag die Anregung: Mach doch ein Sachbuch über das englische Mittelalter. Das meiste davon hast Du schon behandelt, quasi als Zweitverwertung Deiner Recherche.
Ich beginne in meinen Romanen zwar erst 1064 mit der Vorgeschichte und der Geschichte der normannischen Eroberung 1066 und danach. Insofern habe ich den Ratlosen knapp verpasst. Auch Löwenherz habe ich im Roman noch nicht behandelt. Aber insgesamt habe ich große Teile des englischen Mittelalters mit meinen Geschichten abgedeckt, so dass dieses Sachbuch entstand.

Zauberspiegel: Alfred der Große wird als der erste englische König bezeichnet. Er ist doch eher ein Regionalfürst. Was macht ihn also zum ersten englischen König?
Rebecca Gablé: Alfred ist insofern der erste englische König, weil er der Erste ist, der die nicht von Dänen besetzten Teile unter seiner Herrschaft vereint hat. Und es gibt auch eine Quelle, die ihn als König bezeichnet und das ist erste Mal, das man diese Bezeichnung gefunden hat.

Zauberspiegel: Was macht ihn zu einem, der den Beinamen „der Große“ verdient hat?
Rebecca Gablé: Viele würden sagen, was ihn groß gemacht hat, ist die Tatsache, dass er die Dänen zurückgeschlagen hat. Die Dänen kamen von Nordosten und haben systematisch große Teile Englands wie Northumbria und East Anglia erobert. Und ausgerechnet Alfred, der Intellektuelle vom Lande, hat eben die Dänen aufgehalten. In anderen Fall würde heute in Großbritannien eher Dänisch gesprochen werden Wink.
Zauberspiegel: Im Gable’schen Roman „Das zweite Königreich“ lehrt der Held Caedmon seinen Schülern, den Söhnen Williams, dass ihn etwas anderes zum Großen gemacht hat.
Rebecca Gablé: Genau. Und das ist der Punkt auf den ich hinaus wollte. Viele Könige haben Schlachten gewonnen. Aber Alfred hat Weitsicht besessen zu sagen, die Dänen sind schon mal hier und wir haben nicht die Kraft, sie wieder aus dem Land zu werfen. Wir müssen sehen wie wir miteinander klar kommen. So hat er Verträge mit den Dänen geschlossen. Außerdem hat er seinem Land einen großen kulturellen Boom beschert. Somit ist er erst nach den Siegen auf dem Schlachtfeld zum „Großen“ geworden.

Zauberspiegel: 1066 wurde England von den ‚moderneren’ Normannen erobert. Aber jetzt mal zur Spekulation. Hätte Harold Godwinson nicht nur bei Stamford Bridge, sondern auch bei Hastings gesiegt: Was wäre dann aus dem Angelsächsischen England geworden?
Rebecca Gablé: Das ist immer so eine Sache mit den Spekulationen. Ich denke, dass England früher oder später auch zum Feudalsystem gefunden hätte, denn das war das vorherrschende politische System der Zeit. Das ist so wie in der heutige Zeit, wo es eine – nicht immer erfolgreiche – Demokratisierungsbewegung gibt, so hat es zu Beginn des Hochmittelalters eine Feudalisierungswelle gegeben. Splendid Isolation – hin oder her, aber ich glaube nicht, dass sich England auf Dauer hätte verschließen können. Denn der Feudalismus war ein funktionierendes – damals modernes – Wertesystem.

Zauberspiegel: Und wir bleiben im Reich der Spekulation. Was wäre, wenn 1066 der norwegische Harald gewonnen hätte?
Rebecca Gablé: Da wären schwere Zeiten auf England zugekommen. Harald war nicht der allernetteste Zeitgenosse. Es wäre zum einen norwegischer Siedlungsraum geworden und eine noch härtere Unterdrückung als die der Normannen.

Zauberspiegel: 1066 war also der Wendepunkt der englischen Geschichte?
Rebecca Gablé: Doch, ich finde, das kann man auf jeden Fall sagen. In den Jahren nach 1066 wurde eine unglaubliche Welle von Veränderungen ausgelöst. Das betraf nicht nur das sich radikal wandelnde Gesellschaftssystem. Es folgte eine Kirchenreform. Die Sprache änderte sich. Vor der Eroberung haben die Engländer Angelsächsisch gesprochen...
Zauberspiegel: Plattdeutsch...
Rebecca Gablé (hört den Akzent ihres Gegenüber, sieht den Interviewer an, lacht): Ja, genau. Angelsächsische Texte zu lesen ist für einen Norddeutschen heutzutage leichter als für einen Engländer.
Zauberspiegel: Ich kann auch holländische Texte prima lesen.
Rebecca Gablé: Genau.
1066 war für England in jedem Fall eine tief greifende Erschütterung und Veränderung.

Zauberspiegel: Welche Bedeutung hat da das ‚Doomsday Book’?
Rebecca Gablé: Das ‚Doomsday Book’ ist vor allem ein Gottesgeschenk an Historiker. Es war ja im Grunde eine Steuerliste. Also gegen Ende seiner Regentschaft, hat William aufschreiben lassen, wer was besitzt und wer was zwanzig Jahre vorher – vor der Eroberung – besessen hat. Er wollte eben Vergleiche anstellen und letzten Endes herausfinden, ob auch alle genug Steuern zahlen. Dieses Statistikwerk ist also erhalten geblieben und für Historiker eine unglaubliche Fundgrube. Daraus lässt sich eben ablesen, welche Veränderungen es gesellschaftlich und wirtschaftlich in den ersten zwanzig Jahren nach der Eroberung in England gegeben hat.
 
Fortsetzung am 06. Januar ab 0:00 Uhr

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