... Andreas Brandhorst über Hefte, den Tod und SF
: Eigentlich waren zur damaligen Zeit alle Heftromane vor allem auf Action orientiert, auf schnelle Handlung. Die Rede war von Spannungsromanen. Darauf musste man bei Aufbau, Dramaturgie und Plot achten: auf Spannung, Action, Überschaubarkeit. Man musste so schreiben, wenn man einen Roman verkaufen wollte; da blieb keine Wahl.
: Auf die Gesetze des Heftromans bin ich oben ja schon eingegangen: Er ist eine besondere Publikationsform, die sich an ein bestimmtes Publikum wendet. Heftromane waren zu meiner Zeit, vor nunmehr über 30 Jahren, nicht nur eine gute Fingerübung für angehende Autoren, sondern überhaupt *der* Einstieg. Viele der heute etablierten Autoren, mich eingeschlossen, lernten auf diese Weise, was es bedeutet, professionell zu schreiben. Der Übergang zu anspruchsvolleren Darstellungsformen (Taschenbuch, Hardcover etc.) hing damals nicht nur von den Möglichkeiten ab (Heyne brachte schon in den siebziger Jahren deutsche Autoren), sondern auch von den Ambitionen der Betreffenden, von ihrem Bedürfnis, mehr auszudrücken, als in einem Heftroman möglich ist, Ideen weiter zu verfolgen, Personen genauer zu zeichnen. Da ist der Heftroman oft überfordert.
: Bei den Terranauten war ich von Anfang an dabei, auch wenn mein erster Roman die Nr. 37 trägt. Ich habe damals an den ersten Autorenkonferenzen teilgenommen, und wir haben die Serie gemeinsam geplant. Der grüne Background war bewusst gewählt. Wir wollten zeigen, dass eine SF-Serie im Heftromanformat auch anders funktionieren kann, dass man sie mit einem anderen Anspruch schreiben kann. Wir sind damals mit großem Enthusiasmus an die Sache herangegangen, und ich glaube, die Romane waren für die damalige Zeit als Heftromane wirklich sehr fortschrittlich. Für mich war es eine sehr wichtige Phase; ich habe damals viel gelernt.
: Eine Heftserie kann man nicht im Taschenbuchformat bringen, weil es dann Taschenbücher sind und keine Hefte mehr. Taschenbücher haben einen ganz anderen Vertrieb und richten sich an ein anderes Publikum (das war zumindest damals der Fall). Auf die Fortsetzung der Serie nach Band 100 hatte ich damals den gleichen Einfluss wie die übrigen Autoren, wobei meine Zusammenarbeit mit Rainer (Thomas Ziegler) besonders eng war. Als die Serie im Heftformat eingestellt wurde, habe ich dann die meisten Taschenbücher geschrieben, weil ich Zeit und Lust hatte. Übrigens sind, wenn ich mich recht entsinne, zwei dieser Taschenbücher nie erschienen.
: Ach, so groß war das Arbeitspensum eigentlich gar nicht; das sieht nur so aus, weil manche Publikationen zeitlich zusammenfielen. Außerdem habe ich damals nicht oder nur sehr wenig übersetzt. Ich konnte meine Zeit also ganz dem Schreiben widmen.
: Nein, das lag nur an meiner persönlichen Situation. Ich war nach Italien ausgewandert, zwei Kinder wurden geboren, ich musste für eine Familie sorgen und konnte es mir einfach nicht leisten, mehrere Monate ohne Einkommen zu sein. Daher habe ich hauptsächlich übersetzt, denn Übersetzungen werden sofort bezahlt. Und so ging es weiter bis die Kinder Anfang des neuen Jahrtausends groß waren.
: Natürlich habe ich damals, beginnend so etwa ab 12, Perry Rhodan gelesen. Ich weiß noch, wie begeistert ich vom MdI-Zyklus war und dann den 300er-Heften war. Wenn man so viele Hefte liest wie ich damals, hat das natürlich eine prägende Wirkung, und meine ersten Jahre als SF-Autor wurzeln sicher in dieser Zeit, keine Frage. Meine beiden Taschenbuch-Beiträge für PR sind eine Hommage an eben diese Zeit und die Bedeutung, die PR damals für mich hatte.
: Danke für das Lob. Ich habe schon in anderen Interviews darauf hingewiesen: Meine Ideen-Datei ist ziemlich groß, und der Abschnitt Kantaki enthält zahlreiche Ideen. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass ich noch einmal Romane schreibe, die in diesem Universum angesiedelt sind. Ganz konkret habe ich derzeit allerdings keine geplant. Zuerst einmal möchte ich mit anderen Ideen spielen, wie in Kinder der Ewigkeit (erschienen April 2010), Die Stadt (März 2011) und Das Artefakt (Ende 2011). Alle diese Romane, zwei von ihnen SF, sind sehr ambitioniert, sowohl in Hinsicht auf die Darstellung der handelnden Personen als auch in Bezug auf das Thema. Es geht dabei immer um Dinge, die mir sehr am Herzen liegen. Wenn ich damit durch bin
Dann kehre ich vielleicht zu den Kantaki zurück.
: Das Problem besteht darin, eine Trilogie, oder wie im Fall der Kantaki-Romane, gleich zwei Trilogien zu verkaufen. Dann hat der ausländische Verlag drei oder sechs Romane, ohne zu wissen, ob sich der erste verkauft. Niemand geht gern Risiken ein, und deshalb verkaufen sich Lizenzen von Einzelromanen besser. Äon erscheint am 30.11.2010 in Italien (als Aion), und im Lauf des kommenden Jahrs wird eine italienische Ausgabe von Kinder der Ewigkeit folgen. Ich hoffe, dass das nur der Anfang ist.
: Ich verfolge die Ereignisse in Deutschland mit großer Aufmerksamkeit und bin stets auf dem Laufenden. Andererseits lebe ich seit inzwischen 26 Jahren in Italien, und da verschiebt sich natürlich die Perspektive. Einen Teil dieser italienischen Erfahrungen (einen sehr kleinen Teil, um ganz ehrlich zu sein) habe ich in Äon verarbeitet, einem Mystery-Thriller, der zum Teil in Kalabrien spielt. Abgesehen davon ist es wie mit dem Leben selbst: Erlebnisse, Erfahrungen und Reifung von Charakter und Seele fließen immer in die Romane ein. Insofern steckt ein bisschen Italien in allen meinen Texten.
: Auf einen spannenden Roman, hoffe ich. Die Stadt ist ein Mystery-Roman abseits der üblichen Pfade, und es steckt viel Herzblut von mir darin. Ich habe ein Thema verarbeitet, über das ich jeden Tag nachdenke, nicht einmal, sondern zehnmal, fünfzigmal. Es geht um den Tod und was danach kommt
Mehr verrate ich hier nicht. Übrigens könnte man Die Stadt in gewisser Weise auch wie einen SF-Roman lesen
Ende des Jahres kommt dann wieder ein epischer SF-Roman von mir, an dem ich derzeit arbeite. Sein Arbeitstitel lautet: Das Artefakt.
: Bisher noch nicht. Jedenfalls ist mir nichts Konkretes zu Ohren gekommen.
Buchtitel von Andreas Brandhorst: