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... Gabriele Praschl-Bichler über Geschichte, Küche, Habsburger

Gabriele Praschl-Bichler... Gabriele Praschl-Bichler ...
... über Geschichte, Küche, Habsburger

Gabriele Praschl-Bichler über sich: Ich wurde 1958 in Wien geboren, habe Literatur- und Kunstgeschichte studiert (die Kulturgeschichte ist ein Unterbereich der Kunstgeschichte) und bislang 26 Bücher veröffentlicht - vieles über die Habsburger und ihre Alltagsbewältigung, aber auch etliche Bände über Kunst und Architektur. Ich arbeite besonders gerne die Bausubstanz verschiedener Städte auf und untersuche, was aus Mittelalter, Renaissance und Barock verblieben ist. Nebenbei mache ich Ausstellungen zu denselben Themen.

Grund genug, sich einmal mit ihr und ihrem Habsburger Kochbuch »Kaiserliche Küche« zu befassen...


Kaiserliche KücheZauberspiegel: Frau Praschl-Bichler, dieses historische Kochbuch ist nicht das einzige Buch von Ihnen, in denen es um die Habsburger-Monarchie geht. Welches war Ihr erstes Buch in dieser Richtung und wie kam es dazu?
Fr. Praschl-Bichler: Eigentlich habe ich mit anderen Themen begonnen. Als Kunsthistorikerin hatte ich schon einiges über Kunst- und Kulturgeschichte des Barock veröffentlicht. Eines Tages fragte mich ein Verleger, ob ich nicht über die Habsburger schreiben möchte. Da sich damals zufällig auch die Möglichkeit bot, ein kaiserliches Privatarchiv aufzuarbeiten, hat sich das dann harmonisch ergeben.
 
Zauberspiegel: Nun ist es unschwer zu verstehen, dass man sich in Österreich besonders für habsburgische Bezüge interessiert. Gibt es eine Möglichkeit, die Bedeutung der Habsburger für Österreich zu vergleichen mit einem deutschen Herrscherhaus und deren Bedeutung? Oder macht dies allenfalls Sinn, wenn man sich für Deutschland auf "regionale" Bezüge beschränkt?
Fr. Praschl-Bichler: Um diese Frage zu beantworten, muss man in der Geschichte ein wenig zurückgehen. Die Habsburger waren erst seit dem 19. Jahrhundert die Herrscher von Österreich. Also nur von Österreich. Vom Ende des 13. bis Anfang des 19. Jahrhunderts waren sie Deutsche Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. Also nicht nur Regenten in den von der Familie ererbten Ländern (Österreich, Ungarn, Böhmen, Mähren, Slowenien, Kroatien usw.), sondern die Chefs aller deutschen Fürsten. Sie wurden jeweils von den sieben Kurfürsten*) gewählt, in Frankfurt zu Kaisern gekrönt und waren über die Jahrhunderte die mächtigste Dynastie Europas.

Zauberspiegel: Sie verbinden in diesem Buch Geschichten und Anekdoten aus dem Alltag der Habsburger mit deren kulinarischen Vorlieben und Interessen. Woher stammen Ihre Geschichten und Ihr Wissen um diese Randnotizen der Habsburger Geschichte?
Fr. Praschl-Bichler: Das ist der spannendste Teil der Arbeit - das in Briefen und Tagebüchern Erlesene mit einem bestimmten Thema zu verknüpfen. In diesem Band also mit den Essensgewohnheiten und -vorlieben der Habsburger. Nachdem ich nun schon eine Weile schreibe, habe ich natürlich auch viele Notizen zu den verschiedensten Themen.  
 
Zauberspiegel: Kochbücher verkaufen sich gut, Kochsendungen werden mit Begeisterung angesehen. Bedienen Sie mit einem solchen Buch nicht einfach nur einen Trend? Was soll es dem geschichtlich interessierten Leser "bringen", wenn er ein Kochrezept liest?
Fr. Praschl-Bichler: Wenn ich Kochbücher schreibe, dann interessieren mich als Kulturhistorikerin immer mehrere Aspekte. In diesem Band habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, nicht nur über die Essensgewohnheiten der Kaiserfamilie und über die Künste ihrer Köche zu schreiben, sondern auch die ihrer Untertanen aufzuarbeiten. Man findet in den jeweiligen Kapiteln auch zahlreiche Geschichten darüber, was Aristokraten, Bürger und Bauern im Alltag, was bei festlichen Anlässen aßen und wie sich alle gegenseitig beeinflußten.
 
Zauberspiegel: In welchem Maß sind solche historische Rezepte überhaupt für heute umsetzbar? Gibt es große Unterschiede zwischen der Art, wie man sich früher ernährte und wie wir heute essen?
Fr. Praschl-Bichler: Das ist eine sehr interessante Frage. Klassiker wie Ragouts, Braten, alle Arten von Eintöpfen und Breien, Gebackenes und Mehlspeisen wurden über die Jahrhunderte ähnlich gefertigt. Also alles, was auf dem und im Ofen/Herd bereitet wurde. Bei manchen Zubereitungsarten haben sich die Techniken geändert. Im Mittelalter gab es z.B. viel Püriertes, weil die Menschen schlechte oder keine Zähne hatten. Das Essen wurde damals im Mörser zerstampft, auch gekochtes Fleisch. Heute kommt es in den Cutter oder unter die Klingen des Pürierstabs.
 
Zauberspiegel: Jetzt ist Essen etwas absolut Alltägliches und im Grund Unvermeidliches. Warum beschäftigt sich eine Historikerin mit so etwas "Profanem"?
Fr. Praschl-Bichler: Die meisten Leute denken, dass ich Historikerin bin. Ich habe mich aber auf ein besonderes Gebiet spezialisiert: auf Kunst- und Kulturgeschichte. Diese Wissenschaften beschäftigen sich mit dem Alltag der Oberen wie der Unteren. Essen nimmt dabei einen großen Platz ein. Es hat über die Jahrhunderte die Leute verbunden. Jeder aß - die einen um zu überleben, andere haben eine Kunst daraus gemacht. Einige, wie z.B. die Habsburger, haben beim Essen strikte Regeln eingehalten. Als strenge Katholiken haben sie sich daran gehalten, immer mäßig gegessen und getrunken und die vorgeschriebenen Fastentage (jeden Freitag und die Zeit zwischen Karneval und Ostern) eingehalten.
 
Zauberspiegel: War es für Sie schwierig die Informationen über die Lieblingsspeisen der kaiserlichen Familie zusammen zu tragen? Was war für Sie das Erstaunlichste bei den Recherchen für dieses Buch?
Fr. Praschl-Bichler: Die Arbeit an diesem Buch war in Bezug auf die früheren Epochen besonders spannend. Denn aus dem Mittelalter, als kaum jemand schreiben konnte und es auch keine Bücher gab, ist nur wenig Detailliertes erhalten. Ich habe wochenlang Chroniken aus dem 14. und 15. Jahrhundert (auf Mittelhochdeutsch!) gelesen, um herauszufinden, was die Menschen bei Festen aßen - das Alltägliche, das man als Allgemeingut voraussetzte, war darin gar nicht berücksichtigt. Glücklicherweise hatten sich auch schon einige Wissenschaftler dieses Themas angenommen, so dass man - alles verbindend - ein ganz gutes Bild erstellen konnte.
Am erstaunlichsten ist es wahrscheinlich, dass die Habsburger im Mittelalter dasselbe gegessen haben wie ihre Untertanen. In der Renaissance wurde der kaiserliche Speiseplan raffinierter, um im Barock in der Küche und an der Tafel einen Höhepunkt zu erreichen. Danach gab es eine Rückentwicklung. Im 19. Jahrhundert standen bis zum Ende der Monarchie wieder dieselben Gerichte auf dem kaiserlichen wie auf dem bürgerlichen Speisetisch.
 
Zauberspiegel: Was ist das nächste Projekt, an dem Sie arbeiten?
Fr. Praschl-Bichler: Im Moment arbeite ich an der Fertigstellung eines besonders interessanten Bandes. Die Idee dazu ist während der Arbeit an der Kaiserlichen Küche entstanden. Während der langen Beschäftigung mit dem Mittelalter wollte ich nun ein anderes Gebiet dieser Epoche aufarbeiten - nämlich die Kleidung. Es ist sehr spannend herauszufinden, was die Menschen damals trugen und auf welche Art und was sie nicht trugen. Man schrieb die Stunde Null der Kostümgeschichte. Alles was wir als normal und klassisch empfinden, gab es nicht, statt dessen andere unglaublich stoffreiche, oft sehr unpraktische, meist sehr aufwendig gearbeitete Kleider. Das komischste Kapitel wird das über die Kopfbedeckungen. Sie waren so eigenwillig, weit ausladend und kreativ, dass niemand heute wagen würde, sie woanders als auf einem Kostümball zu tragen.

*) Die sieben Kurfürsten teilten sich in drei geistliche - die Erzbischöfe von Mainz, Köln und Trier - und vier weltliche - den Pfalzgrafen bei Rhein, den Herzog von Sachsen, den Markgrafen von Brandenburg und den König von Böhmen, Anmerk. Frau Praschl-Bichler.

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