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... Fritz Gesing (Frederik Berger) über die Renaissance, seine historischen Romane und Ebooks

Fritz Gesing / Fredrik Berger ... Fritz Gesing ...
... über die Renaissance, das Mittelalter, seine historischen Romane und Ebooks

Fritz Gesing über die Renaissance:
Die Renaissance ist eine Epoche, in der sich die Individualität des modernen Menschen entfaltete. In ihr explodiert regelrecht die künstlerische Kreativität, die alten Werte werden über den Haufen geworden, und insbesondere in der sozialen Oberschicht kann eine bis dahin unbekannte Freiheit gelebt werden.


Zugleich ist es eine Epoche, die von Kriegen um die politische Vorherrschaft und von heftigen religiösen Auseinandersetzungen geprägt wurde. Insgesamt also eine lebenspralle, bunte und in sich widersprüchliche Zeit, insbesondere in Italien, dem Zentrum und Kraftfeld der europäischen Renaissance.


Zauberspiegel:
Herr Gesing,  können Sie den Lesern des Zauberspiegels kurz etwas über Ihre Person verraten? Wann und wo wurden Sie geboren, was machen Sie beruflich etc.?
Fritz Gesing / Frederik Berger: Ich wurde 1945 in Bad Hersfeld geboren, einer alten hessischen Kleinstadt, in der ich auch das altsprachliche Gymnasium besuchte. Dort tauchte ich tief in die antike Kultur und Geschichte ein, was mich lange geprägt hat. Ich studierte später Germanistik und Sozialwissenschaften, war dann eine Weile Gymnasiallehrer, lebte zweimal länger im Ausland, kehrte wieder an die Uni zurück, wo ich über Max Frischs Stiller promovierte und wissenschaftlich arbeitete. Seit Ende der achtziger Jahre bin ich Full-time-Schriftsteller.

Zauberspiegel: Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?
Fritz Gesing / Frederik Berger: Ich begann bereits mit fünfzehn Jahren, Prosa zu schreiben. Bald folgte eine intensive Auseinandersetzung mit Lyrik. Meine ersten Gedichte veröffentlichte ich mit zwanzig, also 1965. In den siebziger Jahren folgten Erzählungen, ein Theaterstück, dann auch zwei Romane, die allerdings nicht gedruckt wurden, zu Recht, wie ich heute meine, eine Nullnummer, wenn man so will, und ein zweiter noch nicht ausgereifter Versuch.
Ich schrieb in den folgenden Jahren Romane, arbeitete dann auch publizistisch für große Zeitungen, verfasste mehrere Sachbücher, Ratgeber-Literatur, bis ich in den neunziger Jahren einen alten Plan aufgriff und den ersten historischen Roman "Die Provençalin" schrieb. Da er wie auch der nachfolgende Roman  "Die Geliebte des Papstes" ein Bestseller wurde, war ich auf das Genre historischer Roman festgelegt. Zwischendurch veröffentlichte ich nach über zwölfjähriger Arbeit einen Roman aus jüngst vergangener Zeit, Der provençalische Himmel. Er spielt 1986 in der Provence, an einem Ort, an dem ich selbst ein Jahr gelebt habe, verarbeitet einige Erlebnisse dieser Zeit und ist eigentlich mein Lieblingsroman.

Zauberspiegel: Hatten Sie Vorbilder aus Ihrer Kinder- oder Jugendzeit, an denen Sie sich beim Schreiben Ihrer historischen Romane orientieren?
Fritz Gesing / Frederik Berger: Nein, eigentlich nicht. Ich habe natürlich all die bekannten historischen Longseller aus dem 19. Jahrhundert gelesen, von Ivanhoe bis zum Kampf um Rom, von Ben Hur bis zu Quo Vadis, aber insbesondere der Stil der damaligen Zeit taugt nicht besonders zum Vorbild.
Die pathetisch-altertümelnde Sprache von Felix Dahns Ein Kampf um Rom zum Beispiel ist heutzutage schwer erträglich. Beeinflusst haben mich viel mehr die griechischen Mythen und die germanischen Helden- und Rittersagen, außerdem der Historienfilm, der in den fünfziger Jahren seine große Zeit feierte.
In meiner Studentenzeit regte mich Bertolt Brecht mit seinen Geschäften des Herrn Julius Cäsar an, aus der Nibelungengeschichte einen historischen Wirtschaftsthriller zu machen. Aus mehreren, auch privaten Gründen brach ich das Experiment ab, bevor ich die Endfassung des Roman fertigstellen konnte. Boccaccios Dekamerone brachte mir damals Italien und die beginnende Renaissance näher. Ich plante eine Weile, einen Florenz-Roman zu schreiben, fand aber weder die Muße noch einen packenden Plot.

Die ProvencalinZauberspiegel: Nachdem Sie ab 1989 einige Sachbücher geschrieben haben, wie z. B. über kreatives Schreiben, folgte 1999 unter dem Pseudonym Frederik Berger mit dem historischen Roman „DIE PROVENÇALIN“ Ihr Debüt als Romanautor. Können Sie den Lesern des Zauberspiegels kurz etwas zum Inhalt des Romans verraten?
Fritz Gesing / Frederik Berger: Im Zentrum des Romans, der tief in die Geschichte des französisch-italienischen 16. Jahrhunderts hineinführt, steht die Waldenserverfolgung im Lubéron durch den Baron Jean Maynier d’Oppede.
Die Waldenser waren fromme Sektenmitglieder, die sich in dieser Zeit den Protestanten anschlossen, fleißige und friedliche Leute, über die ein blutiges Massaker hereinbrach, dessen Spuren in Form von Ruinen heute noch zu sehen sind.
Der Roman, eine Familiensaga wie ein Epochenporträt, stellt auf der einen Seite eine Vater-Sohn-Geschichte und auf der anderen Seite die Geschichte einer verschmähten Liebe und ihre Folgen in den Vordergrund.
Er spielt nicht nur in der Provence, sondern führt uns auch in das Rom der damaligen Zeit, in die Schlacht von Pavia von 1525, entfaltet die religiösen Konflikte jener Jahre. Immer wieder geht es dabei auch um die vielfältigen Formen und Schicksale der Liebe.

Zauberspiegel: Mit „DIE GELIEBTE DES PAPSTES“, Ihrem zweiten historischen Roman, veröffentlichten Sie den ersten Teil einer Trilogie über Alessandro Farnese, den späteren Papst Paul III., die mit „DIE TOCHTER DES PAPSTES“ fortgesetzt wurde. Was fasziniert sie persönlich an der Gestalt von Alessandro Farnese bzw. an der Zeit der Renaissance im Besonderen?
Die Tochter des PapstesFritz Gesing / Frederik Berger: Die Renaissance ist eine Epoche, in der sich die Individualität des modernen Menschen entfaltete. In ihr explodiert regelrecht die künstlerische Kreativität, die alten Werte werden über den Haufen geworden, und insbesondere in der sozialen Oberschicht kann eine bis dahin unbekannte Freiheit gelebt werden.
Zugleich ist es eine Epoche, die von Kriegen um die politische Vorherrschaft und von heftigen religiösen Auseinandersetzungen geprägt wurde. Insgesamt also eine lebenspralle, bunte und in sich widersprüchliche Zeit, insbesondere in Italien, dem Zentrum und Kraftfeld der europäischen Renaissance.
Alessandro Farnese, der Sohn eines Condottiere aus dem römischen Umland, verkörpert all die Ambivalenzen seiner Zeit. Er war ein gebildeter junger Mann, der an Jagd und Frauen interessiert war und sich für religiöse Fragen kaum interessierte. Als Zweitgeborener musste er jedoch die kirchliche Laufbahn einschlagen und geriet noch als Jüngling in ein vatikanisches Intrigengeflecht, das ihn in den Kerker der Engelsburg brachte, aus dem er unter Lebensgefahr fliehen konnte, um in Florenz, bei den Medicis, drei prägende Jahre seines Lebens zu verbringen.
Bereits früh hatte er Silvia Ruffini kennengelernt und sich in sie verliebt, obwohl sie einen anderen Mann heiraten sollte. Später drohte seine Familie auszusterben, und um dies zu verhindern und weil er noch immer Silvia liebte, strebte er ein ungewöhnliches Ziel an: Obwohl er mittlerweile Kardinal und sie verheiratet war, sollte sie die Mutter seiner Kinder werden und auf diese Weise seine Familie vor dem Aussterben bewahren.
Ich will jetzt nicht zu viel aus seinem Leben erzählen, um möglichen Lesern nicht die Spannung zu nehmen, aber so viel kann ich doch verraten: Alessandro Farneses Ehrgeiz, seine Intelligenz und sein einnehmendes Wesen führten ihn nach zahlreichen Anläufen als Paul III. bis auf den Stuhl Petri, und, obwohl noch immer nicht sehr fromm, rettete er die katholische Kirche vor dem Untergang.
Er beauftragte Michelangelo und zahlreiche andere Künstler, einen neuen Entwurf für den Petersdom zu entwerfen, die sixtinische Kapelle auszumalen, den Palazzo Farnese und das Kapitol zu verschönern. Ohne Alessandro Farnese bzw. Papst Paul III. sähe Rom heute anders aus. Ihm gelang, was den Borgias nicht gelungen war: Er gründete für seine Nachkommen eine Herzogsdynastie, die sich Jahrhunderte hielt. Im hohen Alter stand er, der Papst, als Patriarch einer großen Familie vor und stürzte dann noch in unerwartete Konflikte, die ihm schließlich das Leben kosteten.
Dramatischer, widersprüchlicher, konfliktreicher geht es nicht. In meinen Augen war Alessandro Farnese ein Mann, dem man auch seine Fehler verzeiht, einer der ganz großen Persönlichkeiten seiner Zeit.
Ein Anstoß, über ihn zu schreiben, war im Übrigen die Begegnung mit den großen Tizianporträts des alten Papstes in einer Münchner Ausstellung: Diese Porträts sind genial und führen direkt in die Tiefe dieser Persönlichkeit.

Die heimliche PäpstinZauberspiegel: Ist der Abschlussband der Trilogie bereits in Planung? Können Sie den Lesern des Zauberspiegels eventuell etwas zum Inhalt des Abschlussromanes verraten?
Fritz Gesing / Frederik Berger: Ja, der Abschlussband ist entworfen. Ich wollte ihn sogar jetzt schreiben, aber aus verschiedenen Gründen umkreise ich erst einmal die Zeit seiner Papstjahre mit anderen Protagonisten. Der dritte Band der Farnese-Trilogie wird auf jeden Fall ein Politthriller und zugleich ein Familiendrama, eine Verbindung, die mich immer schon gereizt hat.  Mehr möchte ich nicht verraten.

Zauberspiegel: Mit Ihren beiden Romanen „CANOSSA“ und die „HEIMLICHE PÄPSTIN“ wechselten Sie von der Renaissance ins Mittelalter. Worin geht es in diesen beiden historischen Romanen?
Fritz Gesing / Frederik Berger: „Canossa“ stellt den Salierherrscher Heinrich IV. und seine Cousine und Gegenspielerin Mathilde von Tuszien in den Vordergrund. Sie wuchsen gemeinsam auf, und beide verband eine lebenslange Liebes- und Hassdynamik. Das ist immer ein Stoff, aus dem Romane wachsen können. Mathilde war die Herrin der Burg von Canossa, vor der der berühmte Bußgang stattfand. Heinrich warf sich vor Papst Gregor, mit dem er im Streit lag, in den Schnee und erflehte die Aufhebung der Exkommunikation: ein geschickter politischer Schachzug. Die Demütigung wurde somit zu einem politischen Sieg.
„Die heimliche Päpstin“ geht zurück ins frühe Mittelalter, in eine bewegte, brutale Zeit. Damals wurde Europa und mit ihm Italien heimgesucht von den Erobererhorden der Ungarn wie auch von sarazenischen Plünderern. Die Araber drohten, ganz Süditalien unter ihre Herrschaft zu zwingen. Rom war ein zerfallenes Ruinenfeld, in der korrupte und sittenlose Päpste herrschten.
Die Zeit wurde auch Pornokratie genannt, das dunkle Jahrhundert, weil es selbst unter Geistlichen skrupellos und mörderisch zuging. Damals, in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts, wurde Marozia, eine Frau aus einer römischen Adelsfamilie, zur Herrscherin der Stadt und des Umlands, sie schlief mit Päpsten und anderen mächtigen Männern, zeugte mit ihnen Kinder und machte ihre Kinder und Enkel zu weiteren Päpsten.
Da sie keineswegs nur sympathische Züge trägt, erzähle ich die Geschichte dieser Frau und ihrer Familie aus der Sicht ihrer Amme Aglaia. Diese Dienerin und Vertraute bleibt Marozia in unverbrüchlicher  Treue verbunden. Als eine weibliche Lichtgestalt ist sie in der Lage, immer auch das Gute im Menschen zu sehen und mit großer innerer Stärke das eigene tragische Schicksal zu ertragen.
So reißerisch die wahre Geschichte der Marozia und so brutal die Zeit ist, so sanft, duldend und verständnisvoll ist die Erzählerin Aglaia. Gerade durch diese Eigenschaften gewinnt sie großen Einfluss auf die Menschen und wird damit zur eigentlichen Heldin des Romans.

Zauberspiegel: Warum dieser Wechsel von Renaissance zum Mittelalter?
Fritz Gesing / Frederik Berger: Ich möchte nicht nur in einer einzigen Epoche bleiben, außerdem wurde mir das Mittelalter von Agenten- und Verlagsseite nahegelegt. Entscheidend sind immer interessante Figuren mit dramatischen Schicksalen und eine Sympathie für spezifische Epochen und Orte.

Zauberspiegel: Wenn man historische Romane schreibt,  bedeutet das doch auch eine Menge Recherchearbeit. Wie bereiten Sie sich auf Ihre Romane vor?  Welche Quellen verwenden Sie?
Fritz Gesing / Frederik Berger: Abgesehen davon, dass ich die Schauplätze meiner Romane aufsuche und meist gut kenne, bin ich, was die europäische Geschichte angeht, einigermaßen bewandert.
Ohne ein solches Grundwissen sollte man keine historischen Romane schreiben. Und dann muss ich natürlich für jeden Roman intensiv Fachliteratur, Biographien und Quellensammlungen lesen. Ich besitze eine umfangreiche Bibliothek, kaufe mir antiquarische Bücher oder leihe mir Literatur aus den großen Bibliotheken. Natürlich suche ich auch im Internet nach Informationen und werde meist fündig.

Zauberspiegel: Nach welchen Kriterien suchen Sie die Themen für ihre historischen Romane aus? Spielen dabei auch persönliche Interessen eine größere Rolle?
Fritz Gesing / Frederik Berger: Ja, natürlich. Man muss von einer Epoche, von spezifischen Persönlichkeiten oder auch von einer Landschaft fasziniert sein, sonst bringt man nur trockene Prosa zustande. Oder von typischen Lebensläufen und Konfliktmodellen. Weil ich die Provence liebe, wollte ich eine Geschichte, die mit ihr verbunden ist, erzählen.
Ich habe auch in Alessandro Farnese und seinem Schicksal etwas entdeckt, was mich unbewusst anzog, und dann war ich in der Lage, mich in ihn hinein zu fühlen und ihm zugleich etwas von mir zu geben. Also, auch der historische Roman entsteht aus einer – häufig gar nicht bewussten – Kongruenz oder Kompatibilität von Autor und Held sowie seinem Schicksal. Man kann sich seinem Helden anverwandeln und umgekehrt, der Held wird eine ganz eigene Verkörperung des Autors.

Der Ring des FalkenZauberspiegel: Nach dem historischen Renaissance-Roman „DIE SCHWESTERN DER VENUS“ erschien 2011 mit dem Mittelalter-Roman „DER RING DES FALKEN“ ihr neuester historischer Roman. Können Sie den Lesern des Zauberspiegels kurz etwas zum Inhalt des Romans verraten?
Fritz Gesing / Frederik Berger: Im Vordergrund dieses Romans steht der Troubadour-Ritter Bernardou, der auf der Burg von Les Baux in der Provence aufwächst, und zwar als Sohn eines Falkners und seiner dunkelhäutigen Frau arabischen Ursprungs. Eine verbotene Kindheitsliebe verbindet ihn mit Serena, der Tochter seines Herrn. Als seine Mutter umkommt und er erfährt, dass der Falkner nicht sein richtiger Vater ist, beginnt für ihn ein langer abenteuerlicher Weg, der ihn auf einer langen Heldenreise in die Albigenserkriege und dann, schwer gezeichnet, bis nach Sizilien und schließlich nach Deutschland führt.
Bernardou geht auf die Suche nach der ersten wie nach wahren Liebe, außerdem möchte er erfahren, wer sein richtiger Vater ist, damit er wissen kann, wer er selbst ist. Schon früh begegnet er als eine Parzival-Figur seinem Gegenspieler, dem roten Ritter, und die Auseinandersetzung mit diesem Ritter zieht sich durch den ganzen Roman.
Bernardou gehört schließlich zum Gefolge des jungen Stauferkaisers Friedrich II., den er auf seiner gefährlichen Reise nach Deutschland begleitet. Dort entscheidet sich schließlich sein Schicksal: Er erfährt, wer sein Vater ist, und begreift, welche der beiden Frauen, die er liebt, die richtige ist, und es kommt zum finalen Kampf mit seinem Gegenspieler.
Schließlich darf er, erwachsen geworden, in seine Heimat zurückkehren.  

Zauberspiegel: Warum gerade die Zeit des Staufer-Kaisers Friedrich II., eine der wohl schillerndsten Herrscher-Persönlichkeiten des Mittelalters?
Fritz Gesing / Frederik Berger: In der Tat ist Kaiser Friedrich II. eine der schillerndsten und fesselndsten Herrschergestalten des Mittelalters, und die Geschichte seiner Jugend, seines Wegs zur Macht ist zugleich tragisch – er verliert beide Eltern in der Kindheit – und dann hinwiederum so unglaublich von Glücksfällen geprägt, dass er eine faszinierende Romanfigur abgibt.
Er muss ein freigiebiger, kluger und charmanter, ja, charismatischer Mann gewesen sein, bereits in seiner Jugend. Zudem verbindet er Italien mit Deutschland, was zu meinem Plan passte, meinen Helden und mit ihm meine Leser  durch weite Gebiete Europas zu führen.
Hinzu kommt, dass Friedrichs erster Zug von Sizilien nach Deutschland so hochdramatisch und voller action ist, dass er sich für einen spannenden Roman, der zugleich historisch authentisch sein will, geradezu anbietet.

Zauberspiegel: Der Troubadour und Ritter Bernardou de Baux erlebt in „DER RING DES FALKEN“ eine Vielzahl von Schicksalsschlägen. Von der Ermordung seiner Mutter bis hin zur Gefangenschaft und zum Tod seiner Ehefrau. Doch der Ritter gibt nicht auf, denn diese Schicksalsschläge scheinen ihn innerlich zu stärken. War es von Anfang an geplant, mit der Handlung des Romans Bernardous, wie soll ich es ausdrücken, Charakterbildung zu beschreiben?
Fritz Gesing / Frederik Berger: Bernardou muss zahlreiche Lektionen des Lebens lernen, und die meisten sind schmerzhaft. Auf diese Weise erzählt der Roman eine coming-of-age-Geschichte, an deren Ende der junge Held, erfahrener und reifer geworden, glaubt, den Sinn des Lebens gefunden zu haben. Und mit diesem Prozess des Suchens und Findens, des Leidens und Sich-Bewährens ist natürlich eine Charakterbildung gegeben.

Zauberspiegel: Als Bernardou schließlich das Geheimnis seiner Herkunft lüftet, ist er darüber im Endeffekt doch nicht so glücklich, weil ihm diese Herkunft (wir wollen mehr nicht verraten) wiederum eine Bürde auferlegt. Wäre er glücklicher gewesen, wenn er nicht nach seiner Herkunft geforscht hätte?
Fritz Gesing / Frederik Berger: Dies ist eine Frage, die nicht der Autor, sondern jeder Leser für sich entscheiden sollte. Gelingt es einem Roman, dass seine Leser sich solche Fragen stellen und über sie nachdenken, dann hat er viel erreicht. Kürzlich schrieb mir eine Mutter, ihr Sohn habe nach der Lektüre von Canossa eine ganz entscheidende Lektion seines Lebens begriffen, und dafür sei sie mir sehr dankbar. Jeder Autor freut sich über solche Aussagen, denn dann weiß er, dass sein Buch in der Lage war, in einem Leser etwas Wichtiges auszulösen.

Zauberspiegel: Welche weiteren Romane können die Fans und die Leser historischer Romane in naher Zukunft von Ihnen erwarten? Können Sie uns dazu schon etwas verraten?
Fritz Gesing / Frederik Berger: Ich werde wieder in die Renaissance, nach Rom, zurückkehren, in die Zeit der beginnenden Gegenreformation, also in die Jahre, in der auch „Die Provençalin“ spielt. Es wird sich um eine Rache-Story handeln und zugleich um das Muster David gegen Goliath, wobei der David weiblich ist und Goliath ein Papst und seine Neffen.
Die Päpste, über die zu schreiben mir früher nicht im Traum eingefallen wäre, scheinen mich nicht loslassen zu wollen.

Zauberspiegel: Was halten Sie persönlich vom aufkommenden Ebook-Markt?
Fritz Gesing / Frederik Berger: Einige in der Branche prophezeien in maximal 10 oder 15 Jahren das Aussterben des Buches, andere wiederum vertreten die Meinung, dass das eBook eine ‚friedliche‘ Koexistenz mit dem Buch führen wird.
Dann gibt es wiederum Stimmen, die diejenigen, die lieber beim normalen Buch bleiben und mit eBooks nichts ‚anfangen‘ können, als Hemmer des Fortschrittes bezeichnen. Sie können nicht verstehen, warum sich diese ‚EWIGGESTRIGEN“ keine eBook-Reader kaufen wollen und lieber weiterhin in ihren geliebten Büchern blättern und lesen möchten. Was würden Sie diesen Fortschrittsgläubigen als Autor und Privatmann eventuell entgegenhalten?

Zauberspiegel: Was halten Sie persönlich vom aufkommenden Ebook-Markt? Wäre das eBook für Sie als Autor als auch als Privatmann eine wirkliche Alternative zum bedruckten Buch?
Fritz Gesing / Frederik Berger: Der eBook-Markt spielt im deutschen Sprachraum noch keine große Rolle. Trotz allen Tamtams auf der Buchmesse werden von den auf den Markt kommenden Büchern nur ca. 1 bis 2% als eBook verkauft. Noch ist dies so. In den USA ist dies bereits anders, da boomt der Markt der elektronischen Bücher.

Auch wenn dort die Parameter unterschiedlich sind, werden wir, so glaube ich, tendenziell auch mehr Bücher als eBooks verkaufen, insbesondere dann, wenn sie in der elektronischen Form billiger werden und wenn die Kompatibilität der unterschiedlichen Geräte und Systeme sich verbessert.
Man kann dies bedauern – und ich glaube, wir Autoren werden von diesem Trend finanziell nicht profitieren –, aber es hat wenig Sinn, sich gegen Entwicklungen zu stemmen, gegen die man letztlich nichts unternehmen kann.

Für Autoren, die keinen Verlag finden, könnte die Möglichkeit der elektronischen Publikation sogar eine Chance darstellen. Dies zeigt sich jetzt bereits, und wir finden – erneut in den USA – Beispiele, bei denen unbekannte Autoren mit ihren rein als eBook veröffentlichten Romanen großen Erfolg hatten. Hinzu kommt, dass das eBook – wie die DVD – Zusatzmaterial umfassen kann: Erläuterungen, Materialien, Hinweise, ein Interview mit dem Autor, Bilder usw., sogar Musik. Da ist einiges zu erwarten, was das eBook aufwertet, und dann werden auch die Lesegeräte noch besser und billiger werden.

Da ich persönlich zu denen gehöre, die ihre Bücher gern in der Hand halten und insbesondere dann, wenn sie gefallen, auch ins Regal stellen, gehöre ich sicherlich nicht zu den Menschen, die sich jetzt nur noch eBooks kaufen. Bisher besitzen weder ich noch meine Frau ein Lesegerät. Aber es könnte durchaus sein, dass ich mir in nicht allzu ferner Zukunft einen Reader kaufe, insbesondere für Reisen. Bei längeren Reisen ist es praktisch, eine Bibliothek mitzunehmen, wenn man Zeit für Bücher hat, die man kaum alle in Buchform mitschleppen kann.

Ich glaube im Übrigen, dass andere Entwicklungen, die auch mit der Digitalisierung unserer Welt in Zusammenhang stehen, für uns Autoren wichtiger sind: Das Leseverhalten insbesondere der jüngeren Menschen, ihre Fähigkeit, mit mehr oder weniger komplexen und längeren Texten umzugehen, ihr Bildungshintergrund, auch ihre Erwartungen an die Konsumierbarkeit eines Textes – alle diese Aspekte sind einem enormen Wandel unterworfen. Wir Autoren müssen uns darauf einstellen, wenn wir nicht gänzlich an den Rand gedrängt werden oder vom Markt verschwinden wollen.

Zauberspiegel: Herr Gesing, vielen Dank für die Beantwortung der Fragen.

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