Von Kommunisten und Faschisten - »Wie eine Träne im Ozean«
Von Kommunisten und Faschisten
»Wie eine Träne im Ozean«
Im Œuvre von Manès Sperber, der 1983, im Jahr vor seinem Tod, mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels ausgezeichnet wurde, stellt „Wie eine Träne im Ozean“ sicherlich das Schlüsselwerk dar. Der im damaligen Österreich-Ungarn, in Galizien, geborene Schriftsteller begann mit seinen Arbeiten an dieser Trilogie bereits während des Zweiten Weltkriegs. Er beschäftigte sich mit den unterschiedlichen politischen Strömungen nach dem Ende der Weimarer Republik, während der Zeit der Weltwirtschaftskrise, in der vor allen Dingen der Kommunismus und der Faschismus um die Gunst der Wähler konkurrierten. Sperber ließ zahlreiche autobiografische Elemente in die Bücher einfließen, sah sie aber auch zum Zeitpunkt der Adaption durch den WDR noch als unvollendetes Stückwerk an. Drei Jahre nach der Erstaufführung des Dreiteilers nahm sich auch der Franzose Henri Glaeser der Vorlage an und drehte unter dem Titel „Une larme dans l'océan“ einen rund anderthalbstündigen Kinofilm, der sich aber nur auf eines der drei Bücher beschränkte und deswegen noch viel weniger der mannigfaltigen Geschichten der Vorlage umsetzte. Mit Fritz Umgelters Version war Sperber recht glücklich, obwohl auch sie nur einen Bruchteil der Trilogie abbilden konnte.
Im Jahr 1931 erhält Josmar Goeben (Martin Lüttge), Mitglied der Kommunistischen Partei in Deutschland, den Auftrag, nach Jugoslawien zu reisen, um die dortige Situation der KP unter die Lupe zu nehmen und seinen Genossen davon zu berichten. Vor Ort erkennt Goeben, dass die Partei am Balkan in sich zerstritten ist, insbesondere die Ansichten von Karel (Heinz Weiss), dem Nachfolger des nach Deutschland emigrierten KP-Führers Vassomilitsch (Helmut Wildt), und Andrej Bocek (Hans Brenner) gehen weit auseinander. Goeben wird darüber hinaus Zeuge, wie schwer es die KP aufgrund der Auseinandersetzungen zwischen den Serben und Kroaten in Jugoslawien hat. Von den faschistischen Machthabern werden die Parteimitglieder erbarmungslos gejagt. Goeben gelingt es unter großen Gefahren, nach Berlin zurückzukehren, wo er Dr. Faber (Günter Mack) von seinen Erlebnissen Bericht erstattet. Doch auch in Berlin ändern sich die Zeiten. Die Nationalsozialisten von Hitler gewinnen immer mehr an Macht, während sie, genau wie die Kommunisten, versuchen, die Arbeiterklasse auf ihre Seite zu ziehen. Im zweiten Teil der Miniserie wird nun die Situation in Deutschland in den frühen 1930er Jahren geschildert. Der dritte Teil verlagert die Handlung abermals, jetzt nach Wien, wo ebenfalls ein erbitterter Bürgerkrieg tobt. Goeben sucht den Universitätsprofessor Baron von Stetten (Guido Wieland) auf, der ihm eine Liquidationsliste von Mitgliedern der Kommunistischen Partei in die Hände spielen will, die er seinem Sohn Walter (Karl Walter Diess) entwendet, der ein überzeugter Nationalsozialist ist.
Insbesondere der erste Teil von „Wie eine Träne im Ozean“ ist ziemlich sperrig geraten, was durch Fritz Umgelters eher träge Inszenierung nur noch verstärkt wird. Wenn man kein ausgesprochener Historienfan ist, dürfte es einem schwerfallen, in die Geschehnisse hineinzufinden. Mit der Verlagerung nach Deutschland kommt deutlich mehr Spannung in die Geschichte, zumal man dann die Ereignisse und unterschiedlichen Überzeugungen besser zuordnen kann. Auch der dritte Teil in Wien beleuchtet einen eher unbekannten Aspekt vor der endgültigen Machtübernahme der Nazis und ist aufgrund von Guido Wielands packendem Spiel sehenswert. Einige Szenen sind nach heutigen Sehgewohnheiten zu lang und zu dialoglastig ausgefallen, aber die zahlreichen On-Location-Aufnahmen (in Jugoslawien und in Wien) wirken auch heute noch sehr wertig. Außerdem ist die Kameraführung von Gernot Roll und Joseph Vilsmaier (insbesondere im ersten Teil) sehr dynamisch und innovativ ausgefallen. Die drei Episoden (Gesamtlaufzeit 300 Minuten) sind auf zwei DVDs verteilt. Das Bild (im schwarz-weißen Vollbildformat 1,33:1) ist recht grobkörnig ausgefallen und weist mitunter noch Verunreinigungen und Aktmarker auf. Der deutsche Originalton (in Dolby Digital 2.0) ist immer gut zu verstehen. Als Extra hat man eine „Lesung mit Autor Manès Sperber“ (32 Minuten) aus dem Jahr 1970 mit aufgespielt, in der der Schriftsteller kurz auf den Dreiteiler eingeht und Passagen aus seinen Romanen vorliest, die in der Adaption unberücksichtigt geblieben waren.