Sherlock Holmes kehrt zurück - Deutsche Autoren auf Conan Doyles Spuren
Sherlock Holmes kehrt zurück
Deutsche Autoren auf Conan Doyles Spuren
Arthur Conan Doyle erfand 1886 den Meisterdetektiv Sherlock Holmes. Das Besondere an dieser Figur war ihre damals neuartige forensische Arbeitsmethode. Holmes löste seine Fälle durch genaue Beobachtung und logische Schlussfolgerung. Damit wurde er zum Prototyp des analytisch-rationalen Denkers und zum Vorbild für den Detektiv in der Kriminalliteratur.
Bis zu seinem Tode 1930 veröffentlichte Doyle Vier Romane und fünf Kurzgeschichtenbände mit 56 Erzählungen um Sherlock Holmes.
Doyles Werke erfreuten sich so großer Beliebtheit, dass viele andere Autoren, angefangen mit seinem eigenen Sohn Adrian Geschichten zu seinen Figuren Holmes und Watson verfassten. Zuerst blieben sie weitgehend im von Doyle abgesteckten Universum. Beliebt war es, diese Pastiches z.B. im Zeitraum zwischen Holmes fingierten Tod und seiner Rückkehr anzusiedeln. Ein anderer Kniff war, diese als die von Watson in den Originalromanen erwähnten noch nicht zu Papier gebrachten Fälle auszugeben. Später wurden die Autoren mutiger und führten Begegnungen des Detektivs mit anderen literarischen Figuren oder real existierenden Zeitgenossen Doyles herbei. Und schließlich wurde er mit Mumien, Werwölfen, Vampiren etc. konfrontiert. Gerade diese Begegnungen mit dem Übernatürlichen nehmen in den letzten Jahren immer größeren Raum ein.
Wenn die Autoren im Holmes-Kanon bleiben unterscheidet man grob gesagt 5 Kategorien:
- a) Verlorene Fälle
- b) Geschichten aus der Jugendzeit
- c) Geschichten aus dem Exil
- d) Geschichten um den älteren Holmes
- e) Geschichten zu Holmes Weggefährten (Dr. Watson, Miss Hudson, die Bakerstreet-Irreguläres usw.)
2004 ist auch das Jahr, in dem die erste Holmes Geschichte bei Blitz erschien. Dort wurde die Reihe "Sherlock Holmes Criminal Bibliothek" gestartet. Allerdings waren die ersten drei Titel Übersetzungen ausländischer Autoren. Lediglich Martin Baresch war mit einer Geschichte in der Anthologie von Roman Sander (Bd.2 der Reihe) vertreten. Ab 2006 folgten dann aber deutschsprachige Autoren. J.J. Preyer schrieb "Holmes und die Freimaurer" und Dominik Irtenkauf "Holmes und das Elfenfoto". Außerdem erschien unter der Herausgeberschaft von Alisha Bionda die erste Anthologie mit deutschsprachigen Autoren, die erstmals auch "fantastische" Themen aufgriff. In den beiden nachfolgenden Reihen des Verlages verfassten Klaus-Peter Walter, J.J.Preyer, Ronald M. Hahn und Martin Barkawitz weitere Romane um den Detektiv. Dazu kamen aber auch etliche Übersetzungen.
Auch deutsche Autoren haben inzwischen in großer Zahl solche Pastiches verfasst. Bereits 1978 veröffentlichte Peter Neugebauer "Sherlock Holmes: Die Wahrheit über Ludwig II.", ein sogenanntes Romanfragment. In den achtziger Jahren erschienen im Kibu-Verlag sechs Jugendbücher um den großen Detektiv, die Thomas Ostwald unter dem Pseudonym John Watson verfasste. Jörg Kastner schrieb dann 1994 "Dr. Watson und der Fall Sherlock Holmes" sowie 1997 "Sherlock Holmes und der Schrecken von Sumatra" (Tilsner Verlag). Als nächstes kam Stefan Winges mit "Der vierte König" im Jahre 2000. Vier Jahre später schrieb er noch "Tod auf dem Rhein", beide Titel erschienen im Emons Verlag.Im Atlantis-Verlag kam 2009 die Kurzgeschichtensammlung "Sherlock Holmes und das Uhrwerk des Todes" von Christian Endres heraus, die mit dem DPP ausgezeichnet wurde. Unlängst folgte ein weiterer Roman des Autors. Im KBV Verlag erschienen seit 2009 mittlerweile zwölf Titel der beiden Autoren Franziska Franke und Wolfgang Schüler. Diese Abenteuer spielen nicht in London, sondern in Deutschland und Europa und greifen oft historische Begebenheiten wie den Untergang der Lusitania auf. 2012 startete der Fabylon Verlag die Reihe "Meisterdetektive", in der inzwischen 3 Romane und 2 Anthologien erschienen sind. Dort schrieben Barbara Büchner und Sören Prescher/Tobias Bachmann. 2011 brachte der Verlag Voodoo Press zwei Anthologien, die von Alisha Bionda herausgegeben wurden. Und auch die Romantruhe hat inzwischen (seit 2013) ihre Holmes Kurzgeschichtenreihe mit Titeln, die überwiegend von Amanda McGrey verfasst wurden. Aber auch Gunter Arentzen schrieb zwei Titel. Von Martin Baresch sind 2014 noch Mal drei eBooks (u.a. thrillkult-media) erschienen. Ebenfalls nur als eBook erhältich ist eine "Heftserie im EBookformat" von Heiko Grießbach mit bisher vier Titeln. Unlängst startete schließlich bei Arunya die Novellenreihe "Bakerstreet Tales" mit bislang zwei Novellen.
Hier noch einmal eine Übersicht über die Verlage und Reihen:
Blitz Verlag:
Fabylon Verlag:
Arunya Verlag:
KBV Verlag 2009-heute:
Atlantis Verlag:
Voodoo Press 2011:
Emons Verlag:
Romantruhe:
Kommentare
- Absolut lohnenswert ist auch die Lektüre der von Franziska Franke ab 2009 im KBV-Verlag veröffentlichten Sherlock Holmes-Reihe: demnächst erscheint der 7. Band. Nach Holmes spektakulärem Verschwinden im Abgrund der Schweizer Reichenbachfälle hat der Meisterdetektiv sich nach Norditalien zurückgezogen und glaubt sich dort völlig unerkannt. Bis er dem englischen Buchhändler David Tristram begegnet, ihm gegenüber sein Incognito aufgibt und dafür mit einem Rätsel "belohnt" wird, das ganz nach seinem Geschmack ist... Die Titel der ersten 6 Bände: 1: Sherlock Holmes und die Büste der Primavera 2: SH und der Club des Höllenfeuers 3: SH und die Katakomben von Paris 4: SH und der Fluch des grünen Diamanten 5: SH und das Ungeheuer von Ulmen 6: SH und der Ritter von Malta.
- Die erfolgreichste deutsche Sherlock Holmes-Autorin aber dürfte zur Zeit wohl definitiv Annelie Wendeberg sein. Eigentlich Umweltmikrobiologin (UFZ, Leipzig; Adjunct Professorin, Uppsala), schrieb sie über "alles mögliche, was irgendwie mit Wissenschaftlern, Biologie, Umwelt, Ökologie und v.a. Mikrobiologie" zu tun hatte. Und eines Tages dann den Roman "Teufelsgrinsen - Ein Fall für Anna Kronberg", ein aberwitziges Abenteuer um eine starke Heldin, die in Viktorianischer Zeit sozusagen undercover (= als Mann verkleidet) verbotenerweise als Ärztin arbeitet, dabei einer monströsen Verschwörung auf die Spur kommt, Holmes begegnet - der sie sofort durchschaut, aber nicht verrät. Fortan liefern sich zwei "Deduktionsmonster" ein Duell, wer den Fall knackt. Das Sherlock Holmes-Magazin urteilte zu recht: "Einer der besten Holmes-Romane aller Zeiten!" Ungewöhnlich auch, dass Annelie Wendeberg dieses Abenteuer selbst publizierte, auf Englisch, und damit rasch Zehntausende von Leserinnen und Lesern im englischen Sprachraum begeisterte und über den Umweg England schließlich auch nach Deutschland "zurück" kam, auch im Print. Seit 2014 veröffentlicht Kiepenheuer & Witsch die deutschen Ausgaben. Bislang sind zwei Abenteuer dieses Duos erschienen: 1: Teufelsgrinsen 2: Tiefer Fall. Zwei weitere Bände sind angekündigt: Der irische Löwe und Die lange Reise.
Eine Ergänzung noch:
Der Hexer, Band 36: Das Hirn von London (von Hans Wolf Sommer, nach anderer Quelle von Hans Wolf Sommer und Michael Schönenbröcher). Auch hier hat Sherlock Holmes selbst einen (Gast-)Auftritt.
Professor Moriarty taucht in anderen Romanen auf, falls mich mein Gedächtnis nicht trügt.
Danke für die Hinweise. Bei soviel Begeisterung für Franziska Franke lohnt sich bestimmt ein intensiverer Blick auf ihre Bücher.
Annelie Wendeberg macht es einem nicht gerade einfach. Sicher eine deutsche Autorin, aber sie schreibt und veröffentlicht in Englisch. Streng genommen sind ihre Titel damit Übersetzungen.
Gibt übrigens noch eine Fortsetzung zu dem Holmes Artikel, wo mehr einzelnen Autoren steht.
- Ich meine: wir sollten uns bezüglich Annelie nicht mit Schubladen aufhalten, in die wir sie oder ihre (tollen) Romane stecken könnten, sondern uns einfach freuen, dass es da eine Autorin gibt, die den Mumm hatte, Sherlock Holmes einfach in der Sprache dessen Schöpfers zu schreiben und von Anfang an bereit war, sich der Kritik des britischen Publikums zu stellen. Dass sie irgendwann dann "den Mut fand", sich mal bei Kiepenheuer&Witsch zu melden", wie sie selbst schreibt - und dieser Verlag dann auch noch kapierte, was ihm da ohne eigene Anstrengung im Netz zappelte, ist doch ein Sahnehäubchen. Das auch sehr schön zeigt, wie in deutschen Verlagsstuben Bestseller entdeckt werden :)