In die Klassiker-Kiste gegriffen: Das Versprechen von Friedrich Dürrenmatt
In die Klassiker-Kiste gegriffen:
»Das Versprechen« von Friedrich Dürrenmatt
Dürrenmatt selbst hält in Chur einen Vortrag über das Schreiben. Dort trifft er auf Herrn H., einen ehemaligen Kommandanten der Kantonspolizei Zürich, und die beiden beginnen ein Gespräch über die nach Meinung von Herrn H. oft unrealistischen Darstellungen der Polizeiarbeit in Kriminalromanen. Dabei stört ihn gar nicht mal so sehr das unrealistische und doch allgegenwärtige Happy End, sondern viel mehr, dass in der Handlung nie der Zufall eine Rolle spiele, in Romanen sei immer alles logisch, und das sei eine Lüge, um die Welt bewältigbar erscheinen zu lassen.
Um seine Ansichten zu untermalen, erzählt Herr H. von einem seiner ehemaligen Mitarbeiter. Dr. Matthäi ist schon fast auf dem Weg nach Jordanien, als Gritli Moser ermordet wird. Die Mutter des toten Mädchens lässt sich vom Kommissar schwören, dass er den Mörder findet. Ein Verdächtiger ist in dem Hausierer von Gunten schnell gefunden, doch dieser erhängt sich in seiner Zelle. Der Fall scheint damit abgeschlossen, aber Matthäi ist nicht von der Schuld des Mannes überzeugt und beginnt, auf eigene Faust zu ermitteln.
Ursprünglich war Friedrich Dürrenmatts Roman „Das Versprechen“ (1958) eine Auftragsarbeit. Er sollte ein Drehbuch für einen Film schreiben, der Sexualvergehen an Kindern an den Pranger stellen sollte. Das Produkt des von ihm geschriebenen Drehbuchs wurde „Es geschah am helllichten Tag“ mit Heinz Rühmann als Matthäi, allerdings hatte Regisseur Ladislao Vajda mehrere Änderungen am Skript vorgenommen, sodass Dürrenmatt von dem Film wenig begeistert war. Rühmanns Darstellung und das Ende gefielen ihm nicht, außerdem war ihm der ganze Film zu brav und zu unrealistisch. So arbeitete er das Drehbuch noch im selben Jahr nach seinen Vorstellungen zu einem Roman um. Später wurde „Das Versprechen“ noch mehrmals verfilmt, unter anderem 2001 in einer Version von Sean Penn mit Jack Nicholson und Robin Wright Penn in den Hauptrollen („The Pledge“), hier auch mit dem von Dürrenmatt vorgesehenem Ende.
Mit der Rahmenhandlung und dem Gespräch mit Herrn H. beginnt Dürrenmatts Werk zunächst gemächlich und fast ein wenig philosophisch. Als die Erzählung um Dr. Matthäi beginnt, steigt die Spannung jedoch kontinuierlich bis zum Ende an. Dass die Charakterzeichnung des Kommissars dabei in manchen Aspekten eher oberflächlich bleibt, stört dabei gar nicht so sehr, sondern passt zur Erzählperspektive, schließlich handelt es sich bei Herrn H.s Ausführung um den Bericht eines Dritten.
Dürrenmatt schreibt klar und schnörkellos. Als neuzeitlicher, mitteldeutscher Leser stolpert man zwar hier und da über das eine oder andere Wort oder manche Formulierungen, doch das unterbricht den Lesefluss nicht wesentlich. Durch den Versuch, eine realistische Darstellung der Polizeiarbeit zu liefern, in der eben nicht alles logisch ist und auch der Zufall eine Rolle spielt, ist „Das Versprechen“ auch fast 60 Jahre nach seinem Erscheinen noch eine außergewöhnliche Detektivgeschichte und damit auch heute noch sehr lesenswert.
Kommentare
Als ich dann irgendwann den Film "Das Versprechen" sah, war ich enttäuscht vom Ende. Dann erfuhr ich auch noch, das es das richtige Dürrenmatt-Ende war.
Also ich glaube, man hat damals in der sw-Verfilmung gut daran getan, dass Ende zu verändern. Dürrenmatts Version wirkt einfach beendet und hat keinen Sinn.