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Walther Kabel und Harald Harst. Mehr über den Berliner Sherlock Holmes

Der vergessene Harald HarstWalther Kabel und Harald Harst.
Mehr über den Berliner Sherlock Holmes

Vor ein paar Wochen gab es hier eine Vorstellung der Vorkriegsserie Harald Harst und ein ausführliches Interview mit den Betreibern der Seite walther-kabel.de.

Dort findet man wirklich fast alles Wissenswertes über den fast vergessenen Autoren und seine Werke. Hier soll nun noch einmal etwas mehr zum Autoren und zur Serie Harald Harst präsentiert werden.

Die Einschätzung der Serie und des Autors
Der erste Artikel im Zauberspiegel hat ganz unterschiedliche Kommentare hervorgerufen.

User Matthias urteilte z.B.:

"Walter Kabel ist einer der wenigen Autoren aus dieser Zeit, die heute noch lesbar sind."

Matzekaether war weniger begeistert:

"... und auch die Harst-Krimis finde ich vergleichsweise schwach, im Vergleich zur amerikanischen Dime-Novel-Tradition (Nick Carter) sowieso, aber auch im Vergleich zu Max Ladenburg oder den Tom-Shark-Berlin-Krimis."

Es gibt im Netz und in der erhältlichen Literatur einige positiv gehaltene Stimmen dazu:

Auch wenn Walther Kabels Werk nicht zum Vorrat ewiger deutscher Dichtung gehört, so hat dieser einst populäre Volksschriftsteller doch die Aufmerksamkeit nicht nur von Germanisten und Soziologen verdient, sondern aller Leser, die sich für das literarische Schaffen in der Weimarer Republik interessieren.

(Andreas Donat, laptop-krimis.de)

"Harald Harst, der Berliner Kriminal-Stratege, der stets überlegene Denker und fantasievolle Kombinierer, scheint ein Lieblingskind seines gedanklichen Schöpfers gewesen zu sein. Ihm zuliebe zog der Autor alle Register seiner sprachlichen Möglichkeiten und erwies sich dabei als Meister in der Kunst der Verkürzung, der unausgesprochenen Gedanken."

(Werner G. Schmidkte, Schnüffler aus gutem Hause, Blätter zur Volksliteratur 2/2004)

"Die Manuskripte Kabels waren verschlungen, verwirrend, sie fallen durch sprachliche Finessen auf. Sie sind raffiniert konstruiert, der Leser folgt staunend dem Labyrinth der Gedanken, um zum Schluss von der Lösung des Falles überrascht zu werden. Es waren keine Romane für ein jugendliches Lesepublikum, seine Gefolgsleute hatte der Protagonist wohl mehr unter den Erwachsenen. ... Man könnte von den Kabelschen HARALD-HARST-Erzählungen stundenlang schwärmen, diese Heftserie kann noch heute mit Genuss gelesen werden."

(Heinz J. Galle, Volksbücher und Heftromane, Bd.2, S.173)

Nun gibt es 366 Hefte und 24 Bücher mit Harald Harst. Da es aber in den meisten Heften zwei Fälle, ganz am Anfang sogar drei Fälle gibt, hat der umtriebige Detektiv tatsächlich sogar so um die 600 Fälle gelöst.

Walther Kabels andere Serien und Reihen
Über den Autor Walther Kabel gibt es eine Fülle an Informationen auf der oben genannten Internetseite.

Kabel war einer der produktivsten Autoren seiner Zeit. Er hat an einer ganzen Reihe von Serien mitgeschrieben. Die Palette reicht dabei von Lausbubengeschichten, über Erotikromane, Krimis, Kriegsgeschichten und Abenteuer.

Im Bereich Krimi und Abenteuer sind insbesondere folgende Serien und Reihen zu nennen:

  • Argus-Kriminalbibliothek 1912-16
  • Erlebnisse einsamer Menschen 1916-20
  • Felsenherz, Trapper 1922/23
  • Kabels Kriminalbücher 1922-1925
  • Nic Pratt - Amerikas Meisterdetektiv 1924
  • Im Flugzeug um die Welt 1924
  • Abenteuer abseits vom Alltagswege 1929-1933

Sein langlebigstes Projekt war allerdings der Harald Harst. Drei Auflagen dieser ursprünglich als "Der Detektiv" gestarteten Serie hat es gegeben. Und eingestellt wurde die Serie auch nicht wegen mangelnder Absatzzahlen.

Harald Harst in Gefahr

Wie Peter Wanjek berichtet, wurde der Verlag "Verlag für moderne Literatur" schon in den zwanziger Jahren immer wieder als "Produzent" von "Schund" angegriffen. Als Reaktion darauf werden zeitweise die auffallenden Titelbilder gegen neutrale Umschläge eingetauscht. Einmal gibt es sogar eine Rundfunksendung, in der auch die Serie um Harald Harst ausdrücklich unter Schundliteratur gerechnet wird. (Peter Wanjek, Einleitung Harald Harst, walther-kabel.de ). Zunächst bleiben diese Angriffe noch ohne gravierende Folgen. 1932 wird dann ein Antrag des Landesjugendamtes Wiesbaden gestellt, die Serie Harald Harst in die Liste der "Schund- und Schmutzschriften" aufzunehmen. Die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten verschärft die Situation wohl noch. Im Sommer 1933 ergeht ein Urteil, dass die Serie nicht "national" gehalten sei. Kabel und der Verlag reagieren jetzt. In den Heften erscheint ein Gedicht eines Lesers:

"Wer den deutschen Wald so fühlt wie du,
Und die Stimmung der märkischen Seen dazu,
und das Ostseegeländ' und die trutzige Stadt,
Alt-Danzig, das dich geboren hat-
Und dessen heimliche Wege man geht
Mit dem Dichter von Regen und Sturm umweht,
Der für sich und für andere rastlos strebt,
Dessen Menschen man mit ihm liebt und erlebt,
Der Männer schildert ganz deutsch von Art,
Im Verbrecher selbst - menschlichen Funken gewahrt,
Der für Deutschland kämpfte als ganzer Mann,
Der ist Deutsch wie Deutsch nur Deutsch sein kann!

Biedert man sich so an die neuen Machthaber an? Wie auch die bürgerlichen Parteien, die Kirchen und auch die Gewerkschaften in den ersten Monaten von Adolf Hitlers Reichskanzlerschaft versuchen, durch Anpassung zu überleben?

Jedenfalls nutzte es nichts. Im April 1934 wurde die Serie von der Berliner Oberprüfstelle in die Liste der jugendgefährdenden Schriften aufgenommen. Das bedeutete zwar noch kein Publikationsverbot, beinhaltete aber ein Werbe- und Auslageverbot, führte also zu einem drastischen Absatzrückgang. Walther Kabel war zutiefst getroffen, beendete dann die Serie von sich aus mit Tode des Detektivs. Noch im letzten Band wehrten sich Autor und Verlag aber energisch gegen die Verurteilung:

"Als wir im Jahre 1920 mit der Herausgabe der Erlebnisse Harald Harsts begannen, beabsichtigten wir dem Wunsch weiter Leserkreise nach Kriminalerzählungen Rechnung zu tragen. Darüber hinaus aber beabsichtigten wir der leider auf diesem Gebiet vorherrschenden ausländischen Literatur und den darin verherrlichten ausländischen Personen den Typ eines deutschen Detektivs entgegenzusetzen...

Es ist dem Autor - einem alten Frontkämpfer, Juristen und deutschem Waffenstudenten - in all den Jahren vorzüglich gelungen, die Figur des deutschen Detektiv Harald Harst lebenswahr zu gestalten. Deutsch war sein Handeln, deutsch sein Sprache, deutsch sein Empfinden. ...

Weiterhin ist es dem Autor vorzüglich gelungen, deutschen Familiensinn, deutsche Freundschaft in diesen anspruchslosen Heften zu pflegen und zu fördern. ...

In diesem Sinne haben Autor und Verlag an dem sittlichen und ideellen Wiederaufbau des deutschen Volkes und Vaterlandes mitzuarbeiten sich bemüht...

Unsere anspruchslosen Heftchen, bestimmt zur Unterhaltung und Entspannung nach des Tages Last und Mühen, werden auch fernerhin eine Stätte der Pflege des deutschen Gedankens, der deutschen Familie und des deutschen Menschen sein. (Harald Harst, Bd. 372)

 

Opfer des Nationalsozialismus?

Waren Harald Harst und Wlalther Kabel also Opfer des Nationalsozialismus? Auf den ersten Blick sieht es so aus. Aber Kabel war 1933 anscheinend selbst Mitglied der NSDAP geworden.  Damit gehörte er zu den Hunderttausenden "Märzgefallenen", die schnell ihren Frieden mit den neuen Machthabern machen wollten. Als Harst und auch die Serie "Abenteuer abseits vom Alltagswege"  auf die Listen der unerwünschten Schundliteratur landeten, zog Kabel die Konsequenz und trat demonstrativ wieder aus der Partei aus. Er überlebte das Ende der Harst-Serie nur um ein knappes Jahr.

Wenn man sich das oben erwähnte Gedicht und auch die Erklärung des Verlages durchliest wird schnell klar, dass Kabel unter Deutschsein andere Vorstellungen hatte als die Nationalsozialisten. Denen ging es um die Errichtung einer Diktatur, nicht um deutsche Freundschaft oder deutsche Familie. Und wer meint, mit Aussagen wie "Im Verbrecher selbst- menschlichen Funken gewahrt" beim Dritten Reich punkten zu können, der hatte die NS-Ideologie nicht verstanden.

Dirk Weber hat es im Zauberspiegelinterview zutreffend so beschrieben:

" ... damit erklärt sich auch gleichzeitig das Ende von Harald Harst. Mit Erstarken der NSDAP wurde Kritik am Polizeiapparat nicht mehr geduldet. Und sei es auch noch so unterschwellig in einem Unterhaltungsgroschenroman. Ein deutscher Sherlock Holmes passte nicht mehr in das Weltbild und musste weichen."

Ich kenne bisher nur etwa ein Dutzend der Harst-Romane, vorwiegend aus dem Bereich der unteren Nummern. Rassismus, Antisemitismus, koloniale Überheblichkeit, Nationalismus etc. habe ich dort nicht gefunden. Andererseits gibt es immer wieder Beispiele für menschliches Verhalten des Detektivs gegenüber von Menschen, die durch Not oder persönliche Umstände mit dem Konflikt in Gesetz gekommen sind. Auch Max Schraut, sein Freund und Gehilfe, ist ein Beispiel dafür. Ich habe in den Heften nichts gefunden, was die NS-Ideologen gefreut hätte.

Deshalb finde ich es schade, dass Walther Kabel und Harald Harst nach dem Zweiten Weltkrieg aus der Welt der populären Literatur verschwunden sind. Erst jetzt, nachdem das Werk gemeinfrei geworden ist, gibt es wieder einfachen Zugang für Lesewillige. 

https://www.zauberspiegel-online.de/index.php/frage-antwort/im-gesprch-mit-mainmenu-179/35181-detlev-reinholz-ueber-walter-kabel

https://www.zauberspiegel-online.de/index.php/krimi-thriller-mainmenu-12/gedrucktes-mainmenu-159/35131-harald-harst-ein-vergessener-serienheld

 

  

Kommentare  

#1 Matzekaether 2023-02-20 00:06
Ich hab das grade zufällig gelesen und muß bekennen, daß mein damaliges Urteil ein Fehlurteil war. Galle hat völlig recht. Ich frage mich, wie ich darauf kam - und hab mal bißchen gekramt - ich vermute, ich hatte sehr hohe Nummern erwischt, als Kabel schon sehr verzweifelt und Harst-müde war.
Da sagt sogar Experte P. Wanjek: "Man folgt der Handlung Seite für Seite, ohne kabeltypisch mitgerissen, ja vorwärtsgetrieben zu werden. Die Hefte heißen zwar noch Harald Harst-Abenteuer, doch den ihnen typischen Charakter haben sie verloren."
Aber die Sachen vor Nr. 300 sind z.T. glänzend.

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