Leit(d)artikel KolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Derrick und seine Fälle: Folge 19 - Tote Vögel singen nicht

Derrick und seine FälleFolge 19
Tote Vögel singen nicht

Anni Rothe, eine hübsche 19-Jährige, ist spurlos verschwunden. Ihr Vater in Erlangen, der schon seit vier Wochen ohne Nachricht ist, wendet sich mit einer Vermisstenanzeige an die Münchner Polizei. Von der Zimmerwirtin seiner Tochter, die vorgibt, sich nicht in die Privatsphären ihrer Mieter einzumischen, bekommt Herr Rothe keine zufriedenstellende Auskunft. Auch Oberinspektor Derrick ergeht es so.


Inzwischen hat die Polizei auf einer Müllkippe in einem Koffer eine tote Frau gefunden - es handelt sich um die Leiche der vermissten Anni. Das zwielichtige Milieu, in dem Anni Rothe als Fotomodell gearbeitet hatte, ist für Derrick ein Hinweis, wo er den Mörder zu suchen hat. (1)

In den Giftschrank
Diese Folge sorgte damals für Proteste unter den Zuschauern (2). Es gab zuviel Tote. Beim genauen zählen kommt man auf Fünf, was selbst für die Maßstäbe von 70er-Jahre-Krimis als solider Durchschnitt zu bezeichnen wäre. Doch man ahnt zu welcher Klasse ZDF-Zuschauer in den 70er-Jahren zählten. Spießbürgertum war eine Zier und so sah sich der Sender einer Masse an Protestschreiben ausgesetzt, die damals freilich aller per Post und nicht per Mail kamen. Krimis, die außerhalb der Norm waren stießen sauer auf. Der feine Herr Kommissar Keller war da etwas solider, obwohl in der Serie gesoffen und geraucht wurde bis dem Zuschauer durch Tabakqualm die Sicht versperrt wurde. Doch das war damals in.

Den Nerv der Zuschauer nicht getroffen
Erst in den 80er-Jahren schien mit Schimanski den Nerv der auch jüngeren Generation getroffen zu haben. Krimis waren bis dato nur etwas für Alte. Somit spaltete der Schimanski die klassischen TV-Krimiseher und die jungen Wilden. Doch zurück zu diesem Derrick, der in der Tat etwas Besonderes ist und sich eindeutig und geradezu als Paradebeispiel in die Riege des "dreckigen Dutzends" eingliedern lässt. Zum zweiten Mal saß Alfred Vohrer im Regiestuhl für einen Derrick. Der verdiente Wallace-Regisseur durfte gleich mit vier Schauspielern der Wallace-Zeit zusammenarbeiten: Wepper, Tappert, Harald Leipnitz und Günter Stoll. Vohrer war von Tappert selbst als Regisseur vorgeschlagen worden (3). Er sollte den Krimis neue Impulse geben. Vohrer schafft tatsächlich wie keiner Spannung aufzubauen, selbst wenn rein szenisch gar keine vorhanden ist. Zum Beispiel nur mit Dialogen, knackiger Musik und dem Einfangen des typischen erschreckten Gesichtsausdruckes.


Der "rüpelhafte" Derrick
"Tote Vögel singen nicht" zählt eher zu den durchschnittlichen Derricks und gehört natürlich längst nicht mehr in den Giftschrank. Die Folge ist ein anschauliches Stückchen Kriminalgeschichte und spiegelt den Stil der 70er-Jahre-Krimis wieder. So gibt es auch wilde Schießereien und ein Gangstersyndikat ohne Skrupel. Es gibt wieder einige Schauspieler die ihren Derrick-Einstand feiern: Hans Canienberg, Hans Korte, Ulli Kinalzik, Thomas Astan und natürlich Harald Leipnitz. Auch Michael Hinz schaut kurz vorbei. Erst 1986 bekommt er wieder Gelegenheit in einem Derrick mitzuspielen. Tilly Lauenstein absolviert ebenfalls ihren Auftritt.


Derrick haut in dieser Folge ziemlich zu. Und man erfährt, dass er ein Hobby-Boxer ist. Somit schlägt er einen Mann nieder, der ihn als "Scheiß Bullen" bezeichnet. Solche Szenen hätte man wohl eher Schimanski zugetraut.

Darsteller: Horst Tappert (Stephan Derrick), Fritz Wepper (Inspektor Klein), Hans Korte, Hans Cannienberg, Wolfgang Stumpf, Harald Leipnitz, Michael Hinz, Tilly Lauenstein, Ulli Kinalzik, Thomas Atsan, Gerhard Bormann, Günter Stoll, Willy Schäfer und andere
Stab: Musik: Rolf Kühn Titelmusik: Les Humphries, Regie: Alfred Vohrer, Produzent: Helmut Ringelmann. Eine Produktion der Telenova Film- und Fernsehproduktion im Auftrag von ZDF, ORF, SRG. Erstsendung: 24.04.1976

(1) ZDF
(2) http://krimiserien.heimat.eu/alfred_vohrer.htm
(3) Horst Tappert: Derrick und Ich (Heyne)
(c) by author

Voherige Folge: Derrick und seine Fälle: Folge 18 - Angst
Nächste Folge: Derrick und seine Fälle: Folge 20 - Schock

Kommentare  

#1 Doktor Römer 2024-03-20 00:38
Ich nenne diese Folge gerne den "Edgar Wallace" unter den Derrick-Folgen. Der Rezensent hat ja schon mehrere Parallellen aufgezeigt. Zudem schrieb Reinecker einige der von Vohrer inszenierten Wallace-Krimis. Tappert spielte zweimal bei Wallace den Inspektor Perkins, den man beinahe als erste Skizze für den frühen Oberinspektor Derrick anbeleangt. Er ist ähnlich rabiat und ruppig im Umgang mit Gangstern und Ganoven, und den Mantel, den er als Perkins trägt, sieht zumindest einem der Mäntel nicht unähnlich, den Derrick in den frühen Folgen trägt. Nur ist Derrick nicht so ganz klamaukig-krawallig wie der Kollege aus London. Und der Mord im Moorbad würde sich in einem Wallace-Film auch gut machen. Und noch etwas fällt auf: Der Beginn der Folge ist geradezu klassisch KOMMISSAR-Like: Die Leiche wird (diesmal auf einer Müllkippe) gefunden, und Derrick und Harry beginnen mit den Ermittlungen. Der Mord als solcher wird nicht gezeigt, auch kein Vorlauf. Es ist zwar recht bald klar, wer die Mörder sind, aber da der Krimi eben anders angelegt ist, als die früheren Folgen, vermisst man das nicht.

Der Gästezugang für Kommentare wird vorerst wieder geschlossen. Bis zu 500 Spam-Kommentare waren zuviel.

Bitte registriert Euch.

Leit(d)artikelKolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles