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Deutsche Fernsehkrimis im Wandel der Zeit: Teil 9 - Die Figur Schimanski

Fernsehkrimis im Wandel der ZeitTeil 9
Die Figur Schimanski

So arm die 80er Jahre auch an Krimiserien waren - sie waren nicht weniger innovativ als die 60er oder 70er Jahre. Allerdings setzte man mehr auf Traditionsware anstatt wirklich Neues auszuprobieren.

Der ARD-Tatort war ein Tummelplatz, indem man beliebig testen konnte. Mit Kommissar Heinz Haferkamp ging 1980 ein Kommissar in Rente, der in seiner Art in den 70er Jahren schon ungewöhnlich war.


Ein Kommissar, der täglich Buletten aß und auch noch geschieden war, stellte sicher nicht das Idealbild eines deutschen Fernsehermittlers dar. Doch er war beliebt. Und nur weil dem Schauspieler Hansjörg Felmy die Drehbücher einer neuen Generation von Autoren nicht mehr gefiel, schmiss er das sprichwörtliche Handtuch.

Es war die Zeit gekommen, in der Produzenten nicht mehr die Drehbuchautoren stilistisch beeinflussten, sondern es war die Zeit, in der Drehbuchautoren ihr eigenes - ihr neues Ding machten. 1980 erhielt Götz George einen Anruf vom WDR. Er sollte der Nachfolger von Haferkamp alias Hansjörg Felmy werden. Das war schon ein heftiger Kontrast. Der stilechte Ermittler im Trenchcoat ging, dafür kam ein Rowdytyp in einer Schmuddeljacke daher. Gleich der erste Fall spaltete die Zuschauer. Horst Schimanski löste seine Fälle auf eine andere Art. Er nutze seine Fäuste, gröhlte mindestens ein Dutzend Mal pro Folge das zügellose Wort "Scheiße" und suhlte sich nur allzugern im Dreck. Außerdem trat er gern mal nackt auf den Bildschrim und wenn es gut lief auch mal nur in Unterhose. Und obwohl er ein gespaltenes Publikum hinterließ, war diese Figur ungeheuer erfolgreich und bescherte dem WDR-Tatort z. T. nie dagewesene Einschaltqouten. Dabei waren alle Schimanski-Tatorte gar keine Krimis. Es waren eher Komödien mit einem gewissen daramturgischen Einschlag. Wirklich ernst nehmen konnte man das ganze jedenfalls nicht. Aber wahrscheinlich lag gerade hier das Geheimnis des Erfolges. Skurill zu sein, sich und den Krimi nicht ganz zu ernst zu nehmen und einfach mal etwas Anderes machen. Dabei war der Ermittler aus Duisburg gar nicht so ein neuer Typ. Wenn man an Kressin denkt, den Zollfahnder, den Sieghard Rupp bereits zehn Jahre zuvor im TATORT spielte, dann war der schon ähnlich angelegt.

"Ich sagte damals zum WDR-Produzenten mehr nur zum Spaß, wenn ich Tatort-Kommissar werde, dann möchte ich ein Typ sein, der selbst nicht ganz sauber ist. So einer der mit Frauen nicht klar kommt und eine gewisse kriminelle Ernergie hat. darauf sagte der Produzent: Das ist gut, das machen wir."  (1)

Bei Schimanski waren die Fälle auch nicht so wichtig. Die Figuren standen im Mittelpunkt. Schimanski und sein Assistent Thanner. Der eine im Schmuddellook, der andere mit Schlips und Kragen. Es gab nur wenig Fälle, die wirklich gut waren und Krimipotenzial hatten, wie etwa "Das Haus im Wald". Doch das interessierte die Zuschauer nicht. Es ging um die Figur, die sie sehen wollten.

Man weiß nun nicht, warum die Krimijahre der 80er Jahre so arm an Neuem waren. Bestimmt waren es mehrere Gründe. Und es gibt Kritiker, die meinen, man hätte dem "Schimanski" nicht mehr viel entgegensetzen können. So weit würde ich nicht gehen, denn das Fernsehen ist immer für eine neue Idee bereit gewesen. Ich denke eher, man wollte die Entwicklung des Privatfernsehens abwarten und darüber hinaus waren es eher die Familienserien, die hoch im Kurs standen. In den achtziger Jahren hatten "Die Schwarzwaldklinik", "Das Traumschiff" und "Diese Drombuschs" Hochkonjunktur.

1991 verabschiedete sich Schimanski vom Bildschirm. Seine Zeit war vorbei. Das Privatfernsehen, die Wendejahre und wechselnder Zeitgeist forderten ihren Tribut. Man hätte sicher auch mit Schimanski weiter machen können, doch auch auf den inzwischen gefragten Star Götz George warteten neue Aufgaben. Schimanski brachte auch zwei Kinofilme hervor. "Faust auf Faust" und "Zabou". Übrigens etwas, dass als Meilenstein zu bezeichnen ist. Nicht weil die Filme so gut waren, sondern weil es somit möglich war den deutschen Krimi nach mehr als zehn Jahren endlich wieder auf die Leinwand zu bringen.

Bereits sechs Jahre später sah sich Götz George bereit, Schimanski fortzusetzen. Man musste die Figur dafür nicht neu erfinden. Da der Ermittler 1991 in der letzten Folge den Dienst quittiert hatte, ließ man ihn fortan als Privatdetektiv und Personenschützer agieren. Hier war er dann auch gleich glaubwürdiger, denn als solcher durfte er schon mal eher über Stränge schlagen, als wäre er wie früher Polizist gewesen. Thanner ist nun nicht mehr dabei, da der Schauspieler Eberhard Feik inzwischen verstorben war. Auch in der neuen Serie erklärte man Thanners Ausbleiben mit dem Tod der Figur. Allerdings wurde er hier ermordet. Schimanski weiter zur Seite steht aber sein alter Kollege Hänschen (Chiem van Houweninge) und ein neuer junger Kommissar namens Hunger (Julian Weigend). Dieser taucht jedoch erst in Folge 9 auf. Das Erstaunliche: Die neuen Schimanskis sind diesmal echte Krimis. Die Figur Schimanski wird unwichtiger. Es geht um die Handlung. Das es dieser Wandlung bedurfte, um endlich taugliche Krimis mit der Figur Schimanski zu entwickeln, ist wundersam.

„Mich hat immer das Neutrale der Kommissar-Figuren genervt, die in ihrem Trenchcoat herumliefen. Wir wollten die Kommissare in den Mittelpunkt stellen. Dafür haben wir eine subjektive Erzählweise entwickelt.“ (2)

Wer allerdings behauptet, Schimanski hätte den Krimi gewandelt, der ist auf der schiefen Bahn. Selbst Götz George sagte einmal, dass dies wohl eher nicht der Fall war. Schimanski ist und blieb immer eine Ausnahmeerscheinung. Das ist wahr. Man ihn nie versucht, ihn ernsthaft zu kopieren. Er selbst war eine Kopie (wenn überhaupt), denn ähnliche Ermittlertypen gab es bereits in den 60er Jahren, wenngleich diese auch wesentlich dezenter gezeichnet waren. Er war aber aber vielleicht eher eine Karikatur all dieser Urzeit-Ermittler des deutschen Fernsehen. Und er räumte endlich mit dem Dreck der Nachkriegsgenerationen auf. Das Gefühl, leben zu können wie man will und sagen zu dürfen, wonach einem gerade ist, hat keine Krimifigur so eindrucksvoll dargelegt wie Schimanski. Oder ist es ein Zufall, dass Schimanski als Polizeikommissar ausgerechnet dann in Rente ging, als der eiserne Vorhang gerade gefallen war?

„Fast zeitgleich mit der Sowjetunion hat uns in Horst Schimanski der letzte proletarische Held verlassen.“  (3)

  • 1 28. Juni 1981 Duisburg-Ruhrort
    Tatort Folge 126,, gedreht 1981
  • 2 13. Dezember 1981 Grenzgänger
    Tatort Folge 131,, gedreht 1981
  • 3 7. März 1982 Der unsichtbare Gegner
    Tatort Folge 134,, gedreht 1981
  • 4 27. Juni 1982 Das Mädchen auf der Treppe
    Tatort Folge 138,, gedreht 1981
  • 5 12. Dezember 1982 Kuscheltiere
    Tatort Folge 143, gedreht 1982
  • 6. 3. April 1983 Miriam
    Tatort Folge 146, gedreht 1982
  • 7 25. März 1984 Kielwasser
    Tatort Folge 156, gedreht 1983
  • 8 22. Juli 1984 Zweierlei Blut
    Tatort Folge 159, gedreht 1984
  • 9 9. Dezember 1984 Rechnung ohne Wirt
    Tatort Folge 164, Bereits 1983 gedreht
  • 10 31. März 1985 Doppelspiel
    Tatort Folge 167, gedreht 1984
  • 11 18. August 1985 Das Haus im Wald
    Tatort Folge 171, gedreht 1984
  • 12 13. April 1986 Der Tausch
    Tatort Folge 180, gedreht 1985
  • 13 10. August 1986 Schwarzes Wochenende
    Tatort Folge 184, bereits 1984 gedreht
  • 14 28. Dezember 1986 Freunde
    Tatort Folge 188, bereits 1985 gedreht
  • 15 8. Juni 1987 Spielverderber
    Tatort Folge 194 Arbeitstitel Backgammon, gedreht 1987
  • 16 10. Oktober 1985 (Kino) Zahn um Zahn
    Tatort Folge 200 1. Kinofilm; TV-Version im 4:3-Format, gedreht 1985
  • 17 1. Mai 1988 Gebrochene Blüten
    Tatort Folge 205 Bereits 1986, gedreht
  • 18 21. August 1988 Einzelhaft
    Tatort Folge 209, gedreht 1988
  • 19 28. Dezember 1988 Moltke
    Tatort Folge 214, gedreht 1988 Grimme-Preis-Auszeichnung
  • 20 9. April 1989 Der Pott
    Tatort Folge 217, gedreht 1989
  • 21 20. August 1989 Blutspur
    Tatort Folge 222, gedreht 1989 Arbeitstitel Polenblut
  • 22 3. Dezember 1989 Katjas Schweigen
    Tatort Folge 225, gedreht 1989 Arbeitstitel Katjas Geheimnis
  • 23 13. Mai 1990 Medizinmänner
    Tatort Folge 230, gedreht 1990
  • 24 5. März 1987  (Kino)  22. Juli 1990 (Fernsehen) Zabou
    Tatort Folge 232, gedreht 1986 2. Kinofilm; Arbeitstitel Schimanski II; TV-Version im 4:3-Format
  • 25 2. September 1990 Schimanskis Waffe
    Tatort Folge 234, gedreht 1990
  • 26 28. Oktober 1990 Unter Brüdern
    Tatort Folge 235, gedreht 1990 Arbeitstitel Ein Posten Kunst / Deutschland einig Vaterland; Gemeinschaftsproduktion mit DFF Polizeiruf 110
  • 27 9. Juni 1991 Bis zum Hals im Dreck
    Tatort Folge 244, gedreht 1991
  • 28 27. Oktober 1991 Kinderlieb
    Tatort Folge 250, gedreht 1991
  • 29 29. Dezember 1991 Der Fall Schimanski
    Tatort Folge 252, gedreht 1991

Kinofilme

  • 10. Oktober 1985 Zahn um Zahn
  • 5. März 1987 Zabou


Schimanski-Serie

  • 1 9. Nov. 1997 Die Schwadron
  • 2 16. Nov. 1997 Blutsbrüder
  • 3 23. Nov. 1997 Hart am Limit
  • 4 25. Okt. 1998 Muttertag
  • 5 15. Nov. 1998 Rattennest
  • 6 6. Dez. 1998 Geschwister
  • 7 14. Nov. 1999 Sehnsucht
  • 8 12. Nov. 2000 Tödliche Liebe
  • 9 3. Dez. 2000 Schimanski muss leiden
  • 10 9. Dez. 2001 Kinder der Hölle
  • 11 8. Dez. 2002 Asyl Edward Berger
  • 12 11. Jan. 2004 Das Geheimnis des Golem
  • 13 26. Jun. 2005 Sünde
  • 14 22. Apr. 2007 Tod in der Siedlung
  • 15 20. Jul. 2008 Schicht im Schacht
  • 16 30. Jan. 2011 Schuld und Sühne
  • 17 10. Nov. 2013 Loverboy

 
Quelle der Liste: wikipedia

(1)= Götz George
(2)= Hajo Gies
(3)=FAZ

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Kommentare  

#1 Kerstin 2014-05-08 17:38
Ich gucke die Schimanski-Filme heute noch gerne. Klar, das ist keine realistische Polizei-Arbeit, was da gezeigt wird. Aber in anderen Krimis wird die auch nicht naturgetreu dargestellt.

Es ist wirklich die Figur Schimanski, die mir gefällt. Da geht einer seinen Weg, auch durch eine abgeschlossene Tür oder mal über eine Hinerhofmauer. Genausowenig lässt er sich von Konventionen aufhalten und kümmert sich nicht darum, was andere von ihm denken.

Damit kam so ein Freiheitsgedanke durch, der in den 80ern erst ein zartes Flämmchen war in den meisten Köpfen. Die Sehnsucht nach Freiheit war zwar da, aber man musste sich erst trauen, die auch zu ergreifen und in Kauf zu nehmen, dass dann womöglich die Nachbarn über einen reden würden.

Es ist bestimmt kein Zufall, dass in den 80ern auch die Punker und andere Gruppierungen im auffälligem Äußeren stark auftraten. Diese Maskierung war ein Aufbegehren gegen die biedere Bürgerlichkeit, die einfach noch sehr mächtig war. Auf der einen Seite sollte man brav und angepasst sein, um eine Lehrstelle und einen Arbeitsplatz zu finden und sein Leben bewältigen können, auf der anderen Seite war den meisten Jüngeren schon bewusst, dass sie damit ein Gefängnis betraten, in dem sie zwar leben konnten, sich aber nicht wohl fühlten.

Schimanski dagegen machte, was er wollte, ohne Respekt vor Schlipsträgern oder Traditionen. Das war nicht nur cool, sondern brachte ihn in den Filmen auch immer zum Erfolg, nämlich, dass er den Mörder gerade durch seine ungewöhnlichen Methoden erwischte. Außerdem hatte er ein großes Herz für kleine Leute. Geld, Macht und Erfolg konnten ihn nicht blenden, und auch damit war er ein Kontrast zur bürgerlichen Gesellschaft seiner Zeit.

Schimanski war vielen Jugendlichen mehr Vorbild als die eigenen Eltern, die immer brav, zurückhaltend und spießig waren und tatsächlich glaubten, das wäre der einzige Weg, um durchs Leben zu kommen.
#2 joe p. 2014-05-08 19:47
In den Achtzigern wurde gewissermaßen versucht, die Freiheit, die die Siebziger versprochen hatten, einzufordern. Da blieb es im realen Leben oft beim Versuch.
Eine der ikonischten (gibt es das Wort?) Schimanski-Szenen ist die in mehreren Varianten vorkommende Situation, dass Schimanski im Puff ermittelt,irgendwo einen honorigen Herrn im Anzug erspäht und ihn mit übertriebener Freundlichkeit begrüßt: "Gudn Tach Herr Oberstaatsanwalt! Na, auch hier?" :-) Möglichst noch mit einem süffisanten "Wie geht's denn der Frau Gemahlin?" hinterher. Die Botschaft: Jeder kann natürlich (in den Grenzen von Gesetzen und Rechtsstaat) machen, was er will, aber die Anzugträger dieser Art sollen gefälligst nichts von Moral erzählen. "Ein Fall für Zwei" hatte wesentlich mehr Rotlichtszenen, aber so ein Spruch von Matula? Das hätte nicht gewirkt. Die Besonderheit von Schimanski lag darin, dass er seine Subversivität auslebte, obwohl er Teil des Staatsapparates war. Daher gab es manchmal Proteste aus Politik und Polizei, BILD begann, Statistiken über die Anzahl der Verwendungen des Sch... Wortes zu führen, und so weiter. In der Schimanski-Serie verliert die Figur einen Teil dieser Wirkung, weil Schimmi nun nicht mehr ein Teil des Apparates ist. Es funktioniert aber noch immer recht gut, da durch die Zusammenarbeit mit früheren Kollegen häufig daran erinnert wird.
#3 G. Walt 2014-05-08 20:56
Volle Zustimmung Kerstin und sehr plausibel dargestellt. Doch wie gesagt "Schimanskii" war nicht unbedingt neu. Schlodderige Kommissare gab es immer. So oder so. Selbst Colombo war ja nicht der Vorbild-Kommissar und bei Soko 5113 fiel in den frühen 80er Jahren das Wort Scheiße deutlich häufiger als bei Schimanski. Und Soko lief im Vorabendprogramm. Was war also so anders an Schimanski? Diese Frage habe ich mir oft gestellt und ich kam zu dem Schluss, das eben doch die Zentralisierung der Figur an sich war. Der Kriminalfall war Nebensache. Und es war der leicht komödiantische Charakter.Götz George sagte selbst einmal in einem Interview das der Schimasnki die reinste Komödie war, was ihm viele Fans verübelten.
#4 joe p. 2014-05-09 08:37
zitiere G. Walt:
[...]die Zentralisierung der Figur an sich [...] Und es war der leicht komödiantische Charakter.][...]

Der Tatort als komödiantische Ego-Show. Damit tat sich das piefige Establishment der Achtziger naturgemäß schwer. (Man muss den Zeitgeist bedenken: 1987 hat BILD monatelang gegen Thomas Gottschalk gewettert, jener aus heutiger Sicht extrem biedere Moderator erschien BILD als zu unangepasst und frech für eine Samstagabend-Show..)Heute sind es genau diese Elemente, Ego-Show und Komödie, die den Tatort Münster (vom selben Sender) zum erfolgreichsten Tatort-Format machen. Hinzu kommt und kam aber noch ein drittes Element: die Verwurzelung von Figuren in ihrer Region, eigentlich ein Merkmal aller Tatort-Krimireihen, das aber hier auf die Spitze getrieben wird. Es gilt Ruhrpott=Schimanski, Münster=Börne.
#5 G. Walt 2014-05-09 10:48
Es ist wohl richtig, dass die starke Überzeichnung von Figuren stark ankommt. Natürlich immer am Zeitgeist gemessen.

Die Regiesseure und Autoren haben dahingehend aber bereits in den 70ern Jahren viel ausprobiert. Ich nenne nur "Lobster" oder "Graf Yoster gibt sich die Ehre" oder auch die Beiträge beim Kommissar, die von Zbynek Brynych stammen, einem sehr exzentrischen Regie-Mann.
#6 Andreas Decker 2014-05-09 12:13
zitiere G. Walt:
Es ist wohl richtig, dass die starke Überzeichnung von Figuren stark ankommt. Natürlich immer am Zeitgeist gemessen.

Die Regiesseure und Autoren haben dahingehend aber bereits in den 70ern Jahren viel ausprobiert. Ich nenne nur "Lobster" oder "Graf Yoster gibt sich die Ehre" oder auch die Beiträge beim Kommissar, die von Zbynek Brynych stammen, einem sehr exzentrischen Regie-Mann.



Die ARD-Vorabendserien waren oft innovativer, als der 20:15 Mainstream. Aber wer erinnert sich noch an lustigen Trash wie Jolly Joker oder diese kurzlebige P.I.Serie mit der Wackelkamera, deren Titel sogar ich vergessen habe :lol: Irgendso ein 90er Teil. Zurzeit sind es die (unsäglichen) "humorigen" Regionalkrimis, die nicht Hauptabendtauglich aber sehr erfolgreich sind.

Schimanski war völlig verwurzelt mit der schon damals aussterbenden Industrieromantik und dem Handlungsort. Irgendwann habe ich es nicht mehr eingeschaltet, weil mir das zu viel George und zu wenig Krimi war. Auch wenn der Mann einer der wenigen deutschen Ausnahmeschauspieler war, hat man die Tatorte dank des Erfolgs nur noch auf ihn zugeschnitten. Kann man einerseits verstehen, andererseits leidet das Endprodukt darunter.

Das sieht man ja immer wieder. Auch beim Münster-Tatort, wo es mittlerweile nur noch um die Figurendynamik geht und die Krimigeschichten keine 90 Minuten tragen. Da wird im Prinzip nur noch die Szenencheckliste durchgenudelt: Thiel&Börne, Börne&Alberich, Vadder&Thiel, Thiel&Staatsanwältin (deren Name man sich nicht merken muss).

Die Hälfte der üblichen Tatortkost, sprich die düsteren (und politisch-korrekt öden) Emo-Sozialdramen a la Frankfurt oder Köln kann man in dem Format nicht machen, weil das nicht funktioniert, und eine Story, bei der sowohl die Figurendynamik als auch der Fall zueinander passen und sich ergänzen, ist bei zunehmender Wiederholung immer schwerer zu erarbeiten.

Und das Problem hatten schon Schimanski Vol.1 und Haferkamp ganz klar.
#7 Kerstin 2014-05-09 15:40
Wenn ich mich so an die 80er erinnere, war dies die Zeit des Aufbruchs. Die 70er hatten zwar viel von Freiheit geredet, aber außer Drogenexzessen, Kommunen und Gruppensex war nicht viel rumgekommen, jedenfalls nicht bei der Mehrheit der Leute, die nach wie vor bürgerlich lebten.

Daher war Schimanski eine Figur, die stellvertretend für den Rest der Bevölkerung sich eben die Freiheit nahm, die andere sich immer noch versagten.

Ehrlich gesagt, ich kann mich eher mit Schimanski identifizieren (wers nicht glaubt, kann mich ja mal provozieren, bis ich wütend werde) als mit den meisten modernen Ermittlern in Büchern oder Filmen.

Vor lauter privatem Stuss kommen die doch kaum noch dazu, sich mit dem Fall zu befassen. Und die Komissarinnen, die massenhaft auf den Bildschirm drängen, sind teilweise sehr unglaubwürdig. Wie kann sollen die ein Team führen und Fälle lösen, wenn ihnen dauernd die Familie im Nacken sitzt und ihnen ein schlechtes Gewissen einredet wegen der langen Arbeitszeit? Das ist eben kein Job, wo nachmittags um halb 5 der Kuli fallen gelassen wird. Das muss man vorher wissen.

He, ihr Filmschaffenden, wie lange muss man lernen, um diesen Ausbildungsstand erreichen zu können? Welche Vorraussetzungen braucht es, auch körperlich? Eine Hungerharke Anfang 20 ist dann wohl kaum eine glaubhafte Besetzung, oder? Auch dann nicht, wenn die Schauspielerin nur dank der Schönheitschirurgie so jung aussieht.
#8 Andreas Decker 2014-05-09 17:28
zitiere Kerstin:
Wenn ich mich so an die 80er erinnere, war dies die Zeit des Aufbruchs. Die 70er hatten zwar viel von Freiheit geredet, aber außer Drogenexzessen, Kommunen und Gruppensex war nicht viel rumgekommen, jedenfalls nicht bei der Mehrheit der Leute, die nach wie vor bürgerlich lebten.


In den 70ern gab es nur den Protest gegen den Vietnamkrieg, die RAF, Willy Brandts "mehr Demokratie wagen", die Studentenbewegung, die Anti-Atomkraft-Bewegung und gegen Ende die Bewegung gegen den Nato-Doppelbeschluss. Das war schon ein bisschen mehr als freie Liebe und Kiffen. ;-)
#9 Kerstin 2014-05-10 14:44
Zitat Andreas:

"In den 70ern gab es nur den Protest gegen den Vietnamkrieg, die RAF, Willy Brandts "mehr Demokratie wagen", die Studentenbewegung, die Anti-Atomkraft-Bewegung und gegen Ende die Bewegung gegen den Nato-Doppelbeschluss. Das war schon ein bisschen mehr als freie Liebe und Kiffen. ;-)"

Hier auf dem Land hat man von all dem nicht viel gespürt. Das waren Themen in den Nachrichten, die zwar einige Leute aufgeregt haben, aber es war alles weit, weit weg vom eigenen Leben. Da herrschte nämlich nach wie vor eine Piefigkeit, die sich nicht wirklich von den 50ern und 60ern unterschied.

Die Elterngeneration der Zeit hatte noch die Gleichschaltung der Köpfe im 3. Reich abgekriegt. Erst als deren Macht altersbedingt nachließ, konnte und musste die Jugend sich nach eigenen Regeln definieren. Das hat natürlich auch erst mal für gewisse Irritationen gesorgt, weil Erfahrungswerte und Leitbilder fehlten.
#10 Claudia 2014-05-17 16:18
Ganz im Ernst: Schimanski-Krimis sind doch langweilig gemacht. Keine Action, kein Witz, keine Spannung. Götz George gefällt mir in Filmen wie "Der Totmacher" viel besser.

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