Multimedial betrachtet und in HD - Psycho
Multimedial betrachtet und in HD
Psycho
Doch auch die Tatsache, dass mit ihm etwas nicht stimmt, ergreift Marions Denken und Fühlen.
Er scheint mit seiner Mutter in dem düsteren Haus über dem Motel zu wohnen. Als sie sich auf ihr Zimmer zurückzieht, um duschen zu gehen, fast sie den Entschluss, das Geld zurück zu geben. Doch dazu soll es nicht mehr kommen.
Marions Chef will die Tat Marions nicht an die große Glocke hängen und ihr eine Chance geben. So schickt er den Privatdetektiv Milton Aborgast, um nach ihr zu suchen. Aber auch Aborgast kehrt nicht zurück.
Zentrales Meisterwerk
"Psycho" wird nicht zu Unrecht als zentrales Meisterwerk Hitchcocks bezeichnet. Im Grunde hatte Hitchcock seinerzeit vor allem das Problem mit der Zensur. Er konnte seine Filme nicht so zeigen - oder besser gesagt, nicht das zeigen was er immer mochte. Heute ist das anders, wo es faktisch kaum Grenzen gibt. Technisch wie auch sonst. Damals war es schon eine Sache so eine Sache wie den Mord unter der Dusche blutrünstig darzustellen. Darum arbeitete Hitchcock auch hier vor allem mit dem Stilmittel des Suspense. Eine Spannung die sich kontinuierlich aufbaut und in der jedem Zuschaue klar ist, das hier etwas passieren wird - nur was? Auch sonst gibt es vielmehr Andeutungen als gezeigte Brutalität. In "Psycho" ist Hitchcock darin soweit gegangen wie nie. Er setzte die viel zitierten kleinen Einzelschnitte ein, um die Messerhiebe zu simulieren, die auf Marions Körper hinab fahren.
Künstlerisch eindrucksvoll und spannend ist auch die nächtliche Autofahrt Marions dargestellt. Was man aus eine reinfachen Autofahrt machen konnte hat Hitchcock hier gezeigt. Für mich eines der Höhepunkte des Films nach der Dusch-Mordszene.
Leider flacht die Handlung nach dem Mord an Marion meines Erachtens nach etwas ab. Es fehlt das Spannende und die Erwartungshaltung, die sich in den ersten 40 Minuten so gut eingestellt hatte beim Zuschauer. Denn ab hier weiß man eigentlich alles.
Dennoch ist und bleibt Psycho ein Meisterwerk, indem Hitchcock mehr gelungen ist als je zuvor. Zum einen ist die dargestellte Brutalität neu bei ihm und die dargestellte Erotik wird deutlicher. Ihm war es bisher nicht möglich eine Frau halbnackt zu zeigen. Hier sieht man Janet Leigh im BH und einen "Busenblitzer" gibt es auch für Bruchteile von Sekunden. Bei den ersten Kinovorführungen sah man allerdings von diesen "Busenblitzern" nichts. Ebenso wurden diese im TV dezent herausgeschnitten. Auf der BD-Version ist nun die ungeschnittene Version dieses Klassikers endlich vorhanden.
Auch ansonsten kann sich Bild und Ton auf der BD sehen lassen und verschaffen den Zuschauern ein Beinahe-Kino-Erlebnis. Wenn ich ehrlich bin brauch man mit dem richtigen TV-Gerät eigentlich kein Kino dafür. Denn außer ein noch größeres Bild und dem Ton, deren Sinnhaftigkeit sich einen kaum noch erschließt (also was das größere Bild betrifft), bietet das Kino meines Erachtens nach nicht wirklich einen Mehrwert. Abgesehen vom Mehrwert für den Kinobetreiber.
Die BD bietet weitere Highlights wie eine Doku zur Entstehung des Films und weitere kleine Features und Dokus. Allerdings allesamt in englisch mit deutschem Subtext, wenn man will.
Darsteller
Hitchcock wollte Vera Miles bereits für seinen Film Vertigo - Aus dem Reich der Toten verpflichten. Da sie schwanger wurde, ging die Rolle an Kim Novak, was dem Film einen ungeheuren Mehrwert verschaffte, wie ich fand. Da Hitchcock aber dennoch einen Vertrag mit Miles offen hatte und sie ihm sozusagen einen Film schuldig war, bekam sie hier die Rolle der Lila Crane (Marions Schwester).
Unzufrieden war Hitchcock der Überlieferung nach mit John Gavin als Lomis. Der Darsteller war ihm zu hölzern. Kritiker und auch Hitchcock selbst gaben ihm demnach den Beinamen "Der Steife". Einige Jahre später war Gavin als Nachfolger von George Lazenby für James Bond im Gespräch, wie einige Quellen behaupten.
Marion Crane selbst spielte Janet Leigh, die Mutter der später nicht minder berühmten Jamie Lee Curtis. Unbestätigten Quellen zugrunde erhielt Janet Leigh eine Gage von 25.000 Dollar.
Anthony Parkins wurde für die Rolle des Norman Bates besetzt. Bisher war er nur als Fernsehdarsteller bekannt gewesen. Laut Wikipedia erhielt er für seine Rolle in diesem Film 40.000 Dollar. Die Rolle der Mutter wollte Hitchcock mit Helen Hayes besetzen. Das war aber eine Art Fake-News, denn Hitchcock wollte die Zuschauer auf eine falsche Fährte locken. Denn es gab ja keine Mutter.
Der Dreh der Duschszene dauerte insgesamt etwa eine Woche. Im fertigen Film dauert sie etwa 2 Minuten.
Ein Novum
Das Besondere war, das Hitchcock damals erstmals im Kino überhaupt ein Klo zeigte. Es wird gezeigt wie Marion Papierschnipsel in die Toilette wirft und die Spülung betätigte. Das war damals in den US-Kinos ein absolutes Novum. Toiletten gab es praktisch nicht, d.h. man sprach nicht darüber, geschweige denn dass man sie zeigte.
Ein weiteres Novum bzw. Schockmoment sollte es für die Zuschauer sein, dass die Hauptdarstellerin nach fast der Hälfte des Films stirbt.
Insgesamt
"Psycho" stellt einen weiteren Wendepunkt in Hitchcocks Schaffen dar. Zum einen verabschiedete er sich von seinen zum Teil heiteren Big Budget-Filmen der Spät-Fünfziger wie etwa Der unsichtbare Dritte und "Über den Dächern von Nizza" als auch "Immer Ärger mir Harry" und wollte seine Zuschauer auf neue Art und Weise schockieren.
Leider schaffte er es nicht mehr "Psycho" nachhaltig zu übertrumpfen. Was von "Psycho" blieb, lies keiner seiner folgenden Filme zurück. Auch "Die Vögel" nicht, obwohl er damit wieder einmal einen Akzent setzte, der das Horror-Genre mit die Variante des Tier-Horrorfilms erweiterte. Und das über Jahre. Technisch gesehen war "Die Vögel" wirklich ein Meisterwerk seiner Zeit, aber eben auch und doch typisch Hitchcock. Seine anderen Filme, die auf "Die Vögel" folgten gingen unter, verblassten mehr und mehr und hinterließen immer weniger Spuren. Selbst "Der zerrissene Vorhang" war zwar noch ein hervorragender Film, aber durch die Hauptdarsteller, für die Hitchcock nichts konnte, etwas gemindert in der Qualität. Dafür hatte er glänzende deutsche Gaststars. "Marnie" wusste kaum zu überzeugen und schon gar nicht "Topaz" oder sein Abschlussfilm "Familiengrab". Einzig "Frenzy" sticht dabei noch heraus mit der Umsetzung eines klassischen Motivs vom Krawattenmörder mit modernen Stilmitteln. Einen Film, den er übrigens wieder in seiner Heimat England drehte.
Sonstiges
Hitchcock erhielt für diesen Film eine weitere Oscar-Nominierung. Er erhielt ihn wieder nicht. Insgesamt in vier Kategorien wurde der Film nominiert und ging komplett leer aus.
In zahlreichen anderen Filmen wird zu "Psycho" Bezug genommen oder es werden Akzente daraus übernommen.
Hitchcock produzierte den Film selbst, da er kein Studio fand, welches das Projekt realisieren wollte.
"Psycho" erfuhr einige Fortsetzungen: "Psycho II" (1983), "Psycho III" (1986), "Psycho IV" (1990) und ein Remake (1998).
Psycho
Quellen:
Making Of "Der Sound von Psycho", "Im Schatten des Meisters" (auf BD-Version von "Psycho"), Wikipedia-Eintrag zu "Psycho"
© by author (Rezensionstext)
Weitere Hitchcock-Klassiker-Artikel:
Wieder mal heiter bis besinnlich - »Der zerrissene Vorhang«
Multimedial betrachtet und in HD - Der unsichtbare Dritte
Multimedial betrachtet und in HD - Vertigo - Aus dem Reich der Toten
Kommentare
...womit sich De Palma selbst die Idee zu seinem Thriller 'Body Double' lieferte.
Die Welt ist verrückt.
Danke für Deine Ergänzungen. Natürlich kann man noch viel mehr schreiben über Psycho, aber vieles weiß man auch oder um es mit den Worten eines manchmal schwitzenden Schreiberlings zu sagen "es geht einem die Puste aus".
Das ist Geschmacksache Nach der zugegeben ersten Irritation fand ich sie sehr unterhaltsam, und Vera Farmiga war eine überzeugende Mutter Bates.
"Psycho" ist ein unendliches Thema geworden Letztens noch mal den Film "Hitchcock" mit Hopkins und Mirren gesehen. Auch wenn der doch sehr an der Oberfläche bleibt, schildert er doch amüsant die Produktion von "Psycho".
Beim Aufräumen bin ich auf einen Artikel von Robert Bloch gestoßen, in dem er schildert, wie er alle Verhandlungen seinem in Hollywood-Dingen unerfahrenen Agenten überließ. Für immerhin 9500 Dollar - der Vorschuß für das Buch waren 750 Dollar gewesen - hat er sämtliche Rechte weggegeben, die Beteiligung an den Profiten, TV-Vermarktung, Theater, Radio, Merchandising. Allerdings wussten beide nicht, wem die Produktionsfirma gehörte. So kann's gehen.
Kinder der Nacht,
ihr solltet THE GIRL aus 2012 nicht unberücksichtigt lassen. Toby Jones als Hitchcock und Sienna Miller als Tippi Hedren, bei dem Dreh von DIE VÖGEL.
Wesentlich intensiver als HITCHCOCK, der meines Erachtens viel zu sehr Hopkins-Show war als Portrait.
Aber: Wie war das mit Geschmackssache?