Greg Rucka, Steve Lieber: Whiteout Band 2 - Melt
Während Rucka und Lieber im ersten Whiteout-Band noch primär auf eine beklemmende Atmosphäre in engen Räumen setzten, wendet sich der hier vorliegende Teil in die unendlich erscheinenden Weiten der Antarktis. Carrie und ihr Begleiter folgen den Speznaz auf sich allein gestellt ins innere des Kontinents und müssen sich hierbei nicht nur mit den menschlichen Gegnern, sondern auch mit den Gefahren des südlichen Polarkreises auseinandersetzen. Doch auch die Speznaz müssen den Naturgewalten trotzen so ist das Eis diesmal zumindest teilweise auf Carries Seite.
Genau wie beim ersten Teil gelingt es Rucka eine hochwertige und spannende, wenn auch (für meinen Geshmack) etwas weniger überraschende Story zu erzählen, die den Leser aber nichtsdestotrotz sofort in ihren Bann zieht. Allerdings vergibt Ruck meines Erachtens die Möglichkeit, etwas mehr über den Background der Hauptperson zu erzählen, so dass der Leser relativ wenig Neues über Carrie Stetko erfährt. Dafür bekommt man im Vergleich zum ersten Band weitaus mehr an Action geboten. Überhaupt handelt es sich bei Melt weniger um einen Krimi als vielmehr um einen Agententhriller. Das wenig überraschende Ende lässt allerdings genügend Raum für weitere Erzählungen um Carrie Stetko und ihre Erlebnisse im ewigen Eis. So bleibt abzuwarten, ob Rucka und Lieber im Zuge der anstehenden Verfilmung von Teil eins noch einen dritten Band nachlegen werden.
Genau wie es Rucka versteht, eine schlüssige Story ohne unnötige Schnörkel niederzuschreiben, kann man sich auch auf Steve Lieber verlassen. Seine Zeichnungen halten den von ihm selbst vorgegebenen hohen Standard aus Band eins und fügen sich mit Ruckas Texten wieder zu einem absolut stimmigen Gesamtbild. Sein zeitloser Zeichenstil, der hier und da an längst vergangene (gute, alte) Zeiten erinnert, ohne je altbacken zu wirken, ist stets minimalistisch genug, den Blick des Lesers auf die Story zu lenken ohne dabei an notwendigen Details zu sparen. So sieht ein gelungenes Zusammenspiel von Text und Zeichnungen aus.
Auch die Umsetzung durch Cross Cult kann die hohen Standards des Verlages aus Asperg in Baden-Württemberg halten. So treten die Damen und Herren von Cross Cult in überzeugender Form den Beweis an, das die Schwaben wohl tatsächlich alles können außer Hochdeutsch. Zumindest aber wissen sie, wie man Comics in ansprechender Art und Weise eindeutscht. Neben einem interessanten Artikel über Greg Rucka finden sich ausführliche Interviews mit Rucka und Lieber. Im Gegensatz zum ersten Band fehlt leider diesmal eine Covergalerie, aber dies lässt sich sicherlich verschmerzen.
Fazit: Wer den ersten Band mochte, kann sofort zugreifen. Wem die Krimi-Thematik aus Band eins nicht zusagte, sollte trotzdem einen Blick riskieren, da Whiteout: Melt durch den höheren Actionanteil und die eher thrillerorientierte Story doch recht deutlich von Teil eins unterscheidet. Und allen, die bislang keinen der beiden Teile kennen, kann ich nur raten, mal bei einem Comichändler eures Vertrauens vorbeizuschauen und nach Whiteout zu fragen. Ihr werdet es nicht bereuen.