Greg Rucka, Steve Lieber: Whiteout
Bevor ich auf Zeichnungen und Story eingehe, hier zunächst eine Anmerkung zum Titel: Unter Whiteout versteht man ein Phänomen der Meteorologie, das vor allem in Polargebieten und im Hochgebirge auftritt. Als Whiteout wird die Helligkeit beschrieben, die bei schneebedecktem Boden und gedämpftem Sonnenlicht (durch Bewölkung, Nebel oder Schneefall) beobachtet werden kann. Es kommt dann aufgrund der starken diffusen Reflexion des Sonnenlichts zu einer sehr starken Kontrastverringerung, d. h. die empfundenen Helligkeitsunterschiede sind sehr gering. Das hat ein Verschwinden des Horizontes zur Folge; Boden und Himmel gehen nahtlos ineinander über. Es sind auch keine Konturen oder Schatten mehr erkennbar, der Beobachter hat das Gefühl, sich in einem völlig leeren, unendlich ausgedehnten grauen Raum zu befinden. (Quelle: Wikipedia)
Genau wie es das Wetterphänomen mit unvorsichtigen Bergsteigern tut, so lässt in Greg Ruckas Geschichte der Fall unsere Protagonistin Carrie Stetko im Dunkeln, oder eben besser gesagt im Hellen tappen. Immer verzwickter wird die Suche nach dem Mörder, Zeitdruck und Kampf gegen die Natur tun ihr übriges dazu, dass Carrie sich bald wie in einem Whiteout zu fühlen beginnt.
Jeder, der Filme wie Das Ding aus einer anderen Welt oder 30 Days Of Night gesehen hat, weiß, was für eine bedrückende Atmosphäre sich in solch unwirtlichen Regionen schaffen lässt. Und auch Greg Rucka gelingt es im Zusammenspiel mit Steve Liebers wunderbaren Zeichnungen, eine entsprechende Stimmung zu erzeugen. Die amerikanische Veröffentlichung von Whiteout liegt zwar mittlerweile fast zehn Jahre zurück, doch dies merkt man der Geschichte nun wirklich nicht an. Vielmehr bietet sich dem Leser eine zeitlose, spannende und stets fesselnde Krimigeschichte, die auch und vor allem durch die regionalen Besonderheiten der Polarregion positiv beeinflusst wird. Nächstes Jahr wird Whiteout übrigens als Hollywood-Produktion mit Kate Beckinsale als Carrie Stetko in die Kinos kommen wobei interessant sein wird, ob es dem Film gelingen kann, die dichte Atmosphäre der Comicvorlage auch auf die große Leinwand zu transportieren.
In einer Zeit, in der alles möglichst grell und bunt sein muss, ist das komplett in Schwarz-Weiß gezeichnete Whiteout eine gelungene Abwechslung. Liebers spartanische, old-schoolige Zeichnungen warten teils mit harten Kontrasten, teils mit verwaschenen Grautönen auf immer passend zu den meteorologischen Bedingungen. Und trotz des (verständlicherweise) recht hohen Weißanteils auf den Seiten von Whiteout, gelingt es insbesondere Lieber immer wieder, eine beklemmende Stimmung aufkommen zu lassen. Und auch Ruckas eigentlich simple Kriminalgeschichte passt sich hervorragend in die geographischen Gegebenheiten ein.
Neben einem Nachwort von Steve Lieber präsentiert Cross Cult auch noch eine Sammlung der Originaltitelbilder (deren schönstes meiner Meinung nach von Frank Miller im typischen Sin City-Stil abgeliefert wird).
Fazit: Wer auf gute Kriminalgeschichten und gute Comics steht, kommt an Whiteout nicht vorbei. Cross Cult liefert ein wirklich hochwertiges Produkt ab, dass aufgrund seines interessanten Settings und der überdurchschnittlichen Qualität von Story und Artwork für alle Freunde besonderer Comics in jedem Fall einen Blick (oder mehr) wert sein sollte.