Die letzte Visite
Die letzte Visite
nach einem Roman von Hans Gruhl
Schwester Inge scheint etwas zu wissen und will Dr. Bold mehr hierüber verraten. Dazu kommt es allerdings nicht mehr. Die Leiche Schwester Inges wird aufgefunden, sie wurde mit einem Skalpell erstochen. Wer in der Klinik hatte Grund, drei Menschen zu töten? Dr. Bold nimmt die Ermittlungen auf und gerät in eine Falle ... (1)
Die Idee ein altes Radiohörspiel zu adaptieren ist im Grunde nicht schlecht. Hier sieht man auch die Grundelemente eines solchen Hörspiels fußen. Es ist ein Krimi in vier Teilen, die an verschiedenen Tagen im Radio gesendet wurden. So wie das damals üblich war und Radio hören noch als Highlight galt. Zwar stammt die Produktion aus dem Jahr 1969, doch das Radiohörspiel hatte seinen Reiz noch nicht komplett verloren, da Fernseher eben noch nicht so flächendeckend verbreitet waren wie nur wenige Jahre darauf. Ich verstehe allerdings nicht so recht, warum man sich auf eine m3-Version beschränkte. Eine 3 -oder 4 CD-Ausgabe wäre logischer und der Angelegenheit würdiger gewesen. Warum man als Konsument nun nicht nur allein auf die Download-Version zurückgreifen sollte, erschließt sich dabei nicht ganz. Zumal die CD-Version nicht mal ein Booklet bietet. Stattdessen kommt man mit einem Einleger daher und alle Infos sind dicht gedrängt auf engstem Raum gedruckt. Das sind aber zunächst mal Äußerlichkeiten und marketingtechnische Merkwürdigkeiten. Kommen wir zum inhaltlichen.
Hier haben wir es mit einem typischen 60er-Jahre-Krimi zu tun, den Hans Gruhl eben genauso typisch geschrieben hat und man fühlt sich vom Style her schon sehr an Edgar Wallace, mindestens aber Agatha Christie oder Francis Durbridge erinnert. Dafür sorgen eine merkwürdige Mordgeschichte und eine nicht unerhebliche Anzahl von verdächtigen Personen. Natürlich gibt es einen Helden, der nicht in Gestalt eines Inspektors sondern als Arzt Dr. Bold daherkommt. Die Romantik kommt auch nicht zu kurz. Trotz einiger gruseliger Szenen, bleibt die Atmosphäre jedoch auf der Strecke. Der meiste Inhalt wird vom Ich-Erzähler Dr. Bold getragen (Martin Hirthe).
Zusätzlich hört man einige Stimmen, die einem vor allem aus alten Hollywood-Filmen nur allzu vertraut sind. Arnold Marquis, hier als Kommissar zu hören, ist bekannt als Stimme von Richard Widmark u.a. Auch Bum Krüger lieh einem ganz Großen einst die Stimme: Ernest Borgnine. Zu Horst Bollmann dürften einige auch ein Gesicht parat haben, da er in vielen Fernsehproduktionen (u.a. TATORT) mitwirkte. Und die großartige Gisela Fritsch ist vielen Hörspielfans sowieso vertraut - man denke nur an die Großmutter des verrückten Geisterjägers Jack Slaughter.
Atmosphäre, soweit sie überhaupt spürbar ist, wird vor allem durch die Stimmen und Geräusche erzeugt. Dafür ist dieses frühe Radiohörspiel bereits sehr innovativ in diesem Bereich. Es gibt einige gekonnte Schnitte und Übergänge, die ich so in diesem Werk nicht erwartet hätte. Da sind heutige Radiohörspiele u.U. sogar etwas einfallsloser und wesentlich monotoner.
Fazit: Ein Hör-Kammerspiel für Nostalgiker, die Krimis in Fortsetzungen alá Durbridge besonders mögen. Spannung durch Dialoge und zahlreiche unvorhersehbare Wendungen, anstatt durch Action und Blut. Dieses Credo hat in den 60er Jahren bestens funktioniert und wer sich fallen lässt, der kann das noch einmal erleben