Bauwen, Patrick: Tödliche Quote
Doch noch bevor die Reality-Show ihren Anfang nehmen kann, kommt es zu einem schrecklichen Zwischenfall. Ein unbekannter überfällt den Reisebus der Kandidaten und verschleppt sie in eine angelegene Geisterstadt mitten in der Wüste von Nevada. Hier beginnt für die zehn Männer und Frauen ein Albtraum. Ihr Entführer entpuppt sich als Psychopath, der sie rund um die Uhr beobachtet und einen nach dem anderen auf grausame Art und Weise hinrichtet.
Ein gnadenloser Kampf ums Überleben nimmt seinen Lauf ...
»Tödliche Quote« ist der Debütroman des französischen Autors Patrick Bauwen. Der Psychothriller gewann auf Anhieb die Gunst der Kritiker und wurde mit diversen Preisen ausgezeichnet, darunter mit dem renommierten Prix Polar. Verständlich ist diese Begeisterung durchaus; »Tödliche Quote« ist gut geschrieben und verfügt über einen Plot, der für so manch (schockierende) Überraschung gut ist. Dennoch komme ich nicht umhin festzuhalten, dass Bauwens Erstling ein recht zwiespältiges Vergnügen ist.
»Tödliche Quote« kann hinsichtlich clever konstruierter Entwicklungen im Rahmen der Story punkten. Diese können jedoch nicht über diverse Schwächen hinsichtlich Handlung und Ausgestaltung der Protagonisten hinwegtäuschen.
Was die Handlung betrifft: Sie wirkt mitunter arg konstruiert und der Situation unangemessen. Man muss sich die Ausgangslage nur einmal vor Augen führen: Zehn Menschen finden sich unversehens in der Gewalt eines Irren wieder und werden einer nach dem anderen brutal ermordet. Panik und verzweifelte Entschlossenheit, den Albtraum irgendwie zu überleben, sollten die Gedanken der Entführten bestimmen. Tun sie allerdings nicht. Stattdessen feiern die Show-Kandidaten rauschende Partys (dank des Alkohols, den sie in der verlassenen Wüstenstadt finden, ist es kein Problem, so richtig in Stimmung zu kommen) oder gehen den Freuden der körperlichen Liebe nach. Dass währenddessen immer mal wieder einer von ihnen verschwindet und bestialisch getötet wird, wird meist recht beiläufig hingenommen. Als Leser bleibt einem da oft nur, verwundert den Kopf zu schütteln. Schade, hier wurde eine Menge Potenzial verschenkt, eine spannungsvolle Atmosphäre aufzubauen.
Was die Darstellung der Figuren betrifft: Bauwen verzettelt sich in bezüglich der Ausgestaltung seiner Protagonisten gewaltig. Er legt den Fokus der Handlung zu sehr auf seine beiden Hauptfiguren, den irren Killer einerseits und den Kandidaten Tom Lincoln andererseits. Während er diesen beiden Charakteren viel Aufmerksamkeit widmet und ihr Innerstes sorgsam vor dem Leser ausbreitet, werden die übrigen Romanfiguren recht stiefmütterlich behandelt und allenfalls oberflächlich charakterisiert. In der Folge gelingt es dem Leser nicht, eine Beziehung zu ihnen aufzubauen. Das resultiert schlussendlich darin, dass einem der Tod der verschiedenen Protagonisten allenfalls insofern nahe geht, dass die ein oder andere Sterbeszene ziemlich brutal gehalten ist. Mitleid mit den Figuren oder gar Angst um sie stellt sich allerdings zu keiner Zeit ein.
Dass der Roman dennoch einen Blick wert ist, liegt vor allem daran, dass es Bauwen es gelingt, seinen Plot mit unerwarteten Wendungen zu garnieren. Die Handlung mag ihre Schwächen haben, doch genauso finden sich eine ganze Reihe von Entwicklungen, die einen beim Lesen verblüfft innehalten lassen. Bauwen versteht es, seine Geschichte alle paar Seiten in eine andere Richtung zu lenken und dem Leser schockierende Enthüllungen zu bieten, die ihn das bislang Gelesene in Frage stellen lassen. Insbesondere die Auflösung der Romans ist genial; hier greift Bauwen noch einmal in die Vollen und präsentiert seinem Publikum so manche Wahrheit, die selbst erfahrene Leser von Psychothrillern bis dahin bestenfalls in Teilen erahnt haben.
Die starken Schockmomente und brillant eingebauten Wendungen ändern allerdings nichts daran, dass der Roman über so manche Schwachstelle verfügt. Das ist wirklich schade, hätte »Tödliche Quote« doch durchaus das Potenzial zu einem raffinierten Meisterwerk gehabt. So ist das Buch schlicht ein weiterer Psychothriller, der den geneigten Fan von Spannungsliteratur zwar kurzweilig unterhält, der aber (mit Ausnahme der exzellenten Auflösung) keinen bleibenden Eindruck hinterlässt, Kritikerpreise hin oder her.