Kunzmann, Richard: Blutige Ernte
Wer Kunzmanns Buch nach der Lektüre des Klappentextes zur Hand nimmt und reinliest, der wird sich nach einigen Seiten fragen, ob er nicht im falschen Buch gelandet ist. Laut Ankündigung auf der Coverrückseite erwartet den Leser nämlich Folgendes:
Nun, um den Fund des auf bestialische Weise ermordeten Mädchens und die Ermittlungen des weißen Detectives Mason und seines schwarzen Kollegen Tshabalalas in diesem Fall geht es tatsächlich, aber erst nach knapp 50 Seiten. Zuvor schildert Kunzmann einige Episoden aus der Drogenszene Johannesburgs und führt den Leser in eine Welt aus Mord und Brutalität, in der ein Menschenleben weniger Wert ist als der Preis der Kugel, die dieses Leben unter Umständen beendet.
»Blutige Ernte« ärgerlicherweise im Präsens geschrieben, eine Eigenart, mit der ich mich wohl nie anfreunden werde lebt von den Gegensätzen, die Kunzmann ins Zentrum seiner Erzählung stellt. Auf der einen Seite schildert er die brutale, letzten Endes aber rein zweckorientierte und sehr nüchterne Welt des Verbrechens, das in Johannesburg tobt und dem mit legalen Mitteln kaum Einhalt zu gebieten ist. Auf der anderen Seite geht es in dem Buch um einen grausamen Ritualmörder, der seine Opfer wie Schlachtvieh ausweidet. Rationalität trifft auf Aberglaube, Kulturen prallen aufeinander. Die Spannung zwischen diesen Gegensätzen manifestiert sich besonders in den entgegengesetzten Beschreibungen der beiden Detectives. Während Mason versucht, den Fall des ausgeweideten Mädchens sachlich anzugehen und einen irren Killer zu stoppen, sieht sich Tshabalala mit den Glaubensvorstellungen seines Volks konfrontiert. Nach und nach gelangt er zu der Überzeugung, dass hier tatsächlich dunkle Magie im Spiel ist. Zwischen den beiden Ermittlern tut sich eine Kluft auf, aus der Kunzmann reichlich (zwischenmenschliche) Spannung gewinnt.
Darüber hinaus erweist sich die Handlung des Romans als schonungslos und hart. Mitleidlos lässt Kunzmann seine Protagonisten durch diverse Abgründe straucheln (seien es Eheprobleme, seinen es Ritualmorde oder andere Schattenseiten der menschlichen Existenz). Das Ganze kommt ohne Längen aus und ist flüssig erzählt. Wer Thriller mag, die wenig Mitgefühl für die handelnden Figuren zeigen, dem wird »Blutige Ernte« wohl gefallen.
Ein echter Reißer, um es einmal etwas krasser zu formulieren, ist Kunzmanns Debüt allerdings nicht. Was dem Roman fehlt, sind eigenständige, starke Persönlichkeiten, die den Plot tragen. Die Figuren, so hat es meist den Anschein, definieren sich eigentlich nur über ihre Probleme sowie über die Gegensätze zu anderen Protagonisten. Daran ändern auch gelegentliche Rückblenden in die Vergangenheit der verschiedenen Charaktere nichts. Die mangelnde Eigenständigkeit der Figuren macht es schwierig, in die Geschichte einzutauchen und sich voll und ganz auf sie einzulassen.
»Blutige Ernte« ist ein Thriller, in den Freunde harter Spannungskost auf jeden Fall einmal einen Blick werfen sollten. Wer aber Probleme mit Erzählungen im Präsens hat oder mit Romanen, die beständig eine negative, bedrückende Stimmung heraufbeschwören, dem wird Kunzmanns Werk wenig Freude bereiten.
Mit anderen Afrika-Thrillern wie den Romanen von Nick Brownlee kann »Blutige Ernte« zwar nicht mithalten; spannende, knallharte Kost bekommt der geneigte Leser aber allemal geboten.