Henning Mankell: Vor dem Frost (Hörspiel)
Zunächst werden Tiere in Brand gesteckt: Schwäne fliegen brennend über einen See, ein Jungbulle stirbt durch Flammen. Die Taten eines Verrückten? Dann verschwindet Linda Wallanders beste Freundin Anna. Zunächst deutet nichts auf einen Zusammenhang hin. Plötzlich taucht Anna wieder auf. Doch wo sie war in all den Tagen des bangen Wartens, daraus macht sie ein Geheimnis. Schließlich wird die Leiche einer Frau gefunden, und später die einer Zweiten. Grausam hingerichtet, wie bei einem Ritualmord.
Linda Wallander hat die Polizeischule noch nicht ganz abgeschlossen und wird schon aufs Äußerste gefordert. Zusammen mit ihrem Vater begibt sie sich auf eine satanische Spur, die immer mehr Rätsel zu Tage fördert. Letztlich stösst Linda auf ein Indiz, das so banal ist, das man es als Mordmotiv gar nicht annehmen kann. Und doch. Jemand ist unterwegs und mordet im Auftrag der Bibel...
Wieder einmal gelingt Mankell ein Meisterwerk. Und wiedermal spinnt er eine Geschichte zusammen, die zunächst nur aus Rätseln besteht, und deren Auflösung ein ganz banales, beinahe unscheinbares Motiv zugrunde liegt. Vor dem Frost spielt im Spätsommer des Jahres 2001. Es schildert eindringlich die Taten eines Wahnsinnigen und seines Helfers als Vorboten des 11. Septembers. Auch die Täter in Mankells Roman haben religiöse radikale Ansichten, die sie mit Gewalt vertreten und am Ende ihrer Taten steht blanker Terror. Henning Mankell hat sich die Motive der Attentäter vom 11. September zum Thema gemacht. In einem Krimi. Auf seine ganz eigene Art. Der Titel ist mehr als doppeldeutig. Vor dem Frost heißt nicht nur vor dem Winter, sondern eben auch vor der "Eiszeit", der Zeit in der der globale Terrorismus eine neue Form angenommen hatte.
Mit sehr ergreifenden Kopfbildern wurde mit diesem Hörspiel etwas sehr nachhaltiges produziert, was zum Nachdenken anstösst. Ein häufiges Anliegen Mankells was ihm nicht immer gelang.
Axel Milberg feiert seinen Einstand in einem Mankell-Besteller und liefert seine beste Wallander-Darstellung ab. In den Drehbuchvertonungen wird er wesentlich farblosere Geschichten interpretieren müssen. Auch Ulrike C. Tscharre ist erstmalig als seine Tochter dabei. Dies sollte hier Debütfall werden, doch eigentlich dominiert Wallander die Ermittlungen. Andreas Fröhlich ist der beeindruckende, ja gar bedrückende Erzähler dieser kunstvollen Umsetzung durch Sven Stricker. Mit Wolf Rathjen hat man in einer Nebenrolle einen Veteranen des Hörspiels ans Mikro geholt. Mit Rollen wie in "Die drei ??? und das Gespensterschloss" (1979) und "Die Insel der Zombies" (1982) machte er sich bei EUROPA unsterblich.
Fazit: Grandioses und sehr spannnendes Hörspiel mit erschreckendem Ende.
